Die prä-nationale Identitätsentwicklung in Madagaskar unter der Führung der Gruppe der Merina endete 1896 mit der französischen Kolonialisierung. Ihre "mission civilsatrice" und ihre "politique des races" gegenüber der aus Süd-Ost-Asien und Ost-Afrika stammenden Bevölkerung, ihre administrativen Maßnahmen, ihre Sprach- und Bildungspolitik mündeten in gesellschaftliche Segmentierungen mit der sie überlagernden Teilung von Merina und Côtiers. Der antikoloniale Widerstandskampf 1947 offenbarte die kolonial induzierten kulturellen und gesellschaftlichen Störungen. Der Autor wirft die Frage auf, ob nach der 1960 erlangten Unabhängigkeit die sozial-kulturellen Gemeinsamkeiten der 18 Ethnien vor dem Hintergrund der historischen Entwicklung zur Schaffung nationaler Identität genutzt wurden. Er fragt ferner, ob sich der madagassische Staat verfassungskonform als Garant nationaler sozial-kultureller Werte verstanden hat und ob von ihm das Verfassungsziel der nationalen Versöhnung aktiv verfolgt wurde, ohne Unterscheidung nach "Region, Herkunft, Ethnizität, politischer Ansicht oder Geschlecht".