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Emma Bovary is beautiful and bored, trapped in her marriage to a mediocre doctor and stifled by the banality of provincial life. She longs for passion and seeks escape in fantasies of high romance, in voracious spending and, eventually, in adultery. But even her affairs bring her disappointment and the consequences are devastating.

Produktbeschreibung
Emma Bovary is beautiful and bored, trapped in her marriage to a mediocre doctor and stifled by the banality of provincial life. She longs for passion and seeks escape in fantasies of high romance, in voracious spending and, eventually, in adultery. But even her affairs bring her disappointment and the consequences are devastating.
Autorenporträt
Gustave Flaubert was born in Rouen in 1821. Aside from journeys to the Near East, Greece, Italy, and North Africa, and a stormy liaison with the poetess Louise Colet, his life was dedicated to the practice of his art. The success of Madame Bovary (1857) was ensured by government prosecution for "immorality"; Salammbô (1862) and The Sentimental Education (1869) received a cool public reception; not until the publication of Three Tales (1877) was his genius popularly acknowledged. His final bitterness and disillusion were vividly evidenced in the savagely satiric Bouvard and Pécuchet, left unfinished at his death in 1880. Lydia Davis is the author of one novel and several collections of short fiction. She is also the translator of numerous works from the French by, among others, Maurice Blanchot, Pierre Jean Jouve and Michel Leiris, and was recently named a Chevalier of the Order of Arts and Letters by the French government. She received great acclaim for her translation of Proust's The Way by Swann's for Penguin Classics and her Collected Stories have just been published by Hamish Hamilton.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 06.10.2012

Nun nennt sie doch schon ein Schaf, diese Frau!

Die Stilbesessenheit von Gustave Flaubert ist legendär. Nun hat Elisabeth Edl seine "Madame Bovary" zum ersten Mal angemessen ins Deutsche gebracht.

Von Niklas Bender

Die Moderne ist so individualistisch, dass sie jedem eine Privathölle gönnt. Auch das Motto "Lasst jede Hoffnung, wenn ihr eingetreten" (Dante, "Inferno" III, 9) wird persönlich, zumindest nach Berufsgruppen gestaltet. Hier die Variante für Übersetzer: ". . . ich musste viel Zement wegnehmen, der zwischen den Steinen hervor lief, und die Steine mussten verdichtet werden, damit die Fugen verschwinden. Prosa muss gerade stehen vom Anfang bis zum Ende, wie eine Mauer, die ihre Verzierung bis ins Fundament trägt, so dass sich in der Perspektive eine große glatte Linie ergibt." (2. Juli 1853).

In der Phantasie mag sich die Mauer bauen lassen, in der Realität wird das Ideal zur Qual: "Ach! Wie viele Male bin ich wieder zu Boden gefallen, mit blutenden Fingernägeln, gebrochenen Rippen, brummendem Kopf, nachdem ich versucht hatte, auf diese Marmormauer zu klettern!" (31. Januar 1852). So schreibt Gustave Flaubert (1821 bis 1880) seiner Geliebten Louise Colet während der Arbeit an "Madame Bovary", seinem epochalen Erstling. Und betont am 6. August 1857 vor Beginn des Folgewerks "Salammbô": "Und die Qualen des Satzes werden beginnen, die Foltern der Assonanz, die Torturen der Periode!" Übersetzer, du bist gewarnt!

Flauberts Stilbesessenheit - er kann Tage über Sätzen verbringen, die "Bovary" kostet ihn fünf harte Jahre - ist legendär. Dabei geht es um simple Dinge: "Madame Bovary" ist ein Roman über das banalste Thema des neunzehnten Jahrhunderts, über eine Ehebrecherin in der Provinz. Die schwärmerische Emma Bovary verzweifelt am Alltag auf dem platten normannischen Land. Die Ehe mit Charles, einem freundlichen, aber schlichten Sanitätsbeamten, ist eine Enttäuschung; sie betrügt ihn erst mit dem virilen Aufschneider Rodolphe, dann mit dem Romantiker Léon. Weder Sex noch Religion, noch Konsum bringen Erfüllung; als Emma in Geldnot gerät, bringt sie sich um.

Wenn Flaubert sich mit dem Erzählen quält, dann nicht, weil er eine sprachverliebte Attitüde pflegt. Seine Haltung entspringt Notwendigkeiten, die ein Übersetzer in allen Konsequenzen begriffen haben muss. Elisabeth Edl, der deutschsprachige Brückenkopf der französischen Literatur, hat das - wohl als Erste überhaupt. Darum ist ihre Neuübersetzung von "Madame Bovary" ein Ereignis.

Was treibt Flaubert an? Erstens ist "Roman" Mitte des neunzehnten Jahrhunderts noch ein Synonym für Unterhaltungsliteratur. Flaubert will dem vielgelesenen und vielgeschmähten Genre endlich den Adelstitel verleihen. Dazu jedoch muss die Prosa das Niveau von Verssprache erreichen. Zweitens soll sein Roman unpersönlich sein, also ohne erkennbaren Erzähler auskommen. Folglich muss die Sprache sich den Figuren anpassen, in ihre Köpfe schlüpfen, Gedanken und Gefühle einhüllen wie ein Gazeschleier: Die Figuren tragen den Blick auf das Geschehen. Der innovative Einsatz der erlebten Rede ist das Mittel, der moderne Roman das Resultat. Drittens will Flaubert die Realität zwar erfassen, aber ihren Zumutungen entfliehen: Das Dilemma löst er, indem er (wie Baudelaire in der Lyrik) über hässliche Dinge schön schreibt.

Folglich ziseliert er die Sprache wie wenige vor und wenige nach ihm. Um im Bild zu bleiben: Flaubert glättet seine Mauer mit der Nagelfeile. Aus einem Verstoß gegen die gute Sitte macht er einen wunderschönen Roman - eine Unabhängigkeitserklärung der Literatur an Moral, Kirche, Gesellschaft. Für die Zeitgenossen ein Skandal, der Flaubert einen Prozess wegen "Verletzung der öffentlichen Moral und der Religion" einbrachte. Es ist eines von vielen Verdiensten der Edl-Ausgabe, die Prozessakten im Anhang beizufügen. Eigentlich eine Selbstverständlichkeit: Seit der maßgeblichen Charpentierausgabe von 1873 waren sie auf Wunsch Flauberts in französischen Editionen dabei. In den deutschen nicht - unverständlich.

Das war nicht das Schlimmste. Nach der Lektüre von Edls Übertragung sowie ihren luziden Anmerkungen "Zu Sprache und Übersetzung" fragt man sich: Warum hat niemand den Stilfanatiker ernst genommen? Nicht, dass es in den vergangenen 150 Jahren an Übertragungen gemangelt hätte: Die erste, von Dr. Legné (wohl Dr. Engel), erschien 1858, die letzte, vielgelobte von Caroline Vollmann 2001. Dazwischen liegen Dutzende - Deutschland ist ein Land von Übersetzern. Sie alle sündigen durch Sorglosigkeit. Sicher, Edl hat die Gnade der späten Geburt: Sie konnte sich der elektronischen Fassung aller Vorstufen und Entwürfe bedienen, die das Centre Flaubert de Munich ins Internet stellt (F.A.Z. vom 25. Mai 2009). Das allein erklärt das Scheitern der anderen aber nicht.

Woran lag es? An Goethe. Flaubert verehrte den Deutschen ein Leben lang, setzte ihn zu Shakespeare und Homer in seinen Olymp. Eine der "Maximen und Reflexionen" zitierte er besonders gern: "Bei jedem Kunstwerk, groß oder klein, bis ins Kleinste kommt alles auf die Conception an." Den Satz wendete Flaubert stilistisch, Idee und Wort verschmelzen. Darum gilt umgekehrt: Wer die Worte und ihre Fügung nicht achtet, zerstört die "Conception". Goethes Maxime sollte jede deutsche Übertragung schmücken.

Edl zeigt ihre Kunst an einem schönen Beispiel: Emmas Ankunft in Yonville-l'Abbaye. Die junge Frau wärmt sich am Herbergsfeuer, ihr künftiger Liebhaber Léon sieht zu: "Als Madame Bovary in der Küche war, trat sie an den Kamin. Mit zwei Fingerspitzen ergriff sie ihr Kleid in der Höhe des Knies, zog es hinauf bis zu den Knöcheln, und so, nah der Flamme, über der sich drehenden Lammkeule, wärmte sie ihren Fuß in seinem schwarzen Stiefelchen." Was kann man da falsch wiedergeben? Zum Beispiel den Satzbau. Im Original gleitet der, wie Edl schreibt, "gleichsam voyeuristische Blick" Léons über Emma und endet beim Stiefelchen. Bein, Feuer, Keule - ein Bild der Leidenschaft. Man nehme hinzu, dass Flaubert Fußfetischist ist, und erkennt: Es liegt eine Klimax vor, die im Stiefelchen gipfelt.

Ähnlich pointiert ist die Beschreibung der Heldin auf der Landwirtschaftsmesse, diesmal durch Rodolphes Augen. Andere Übersetzer wählen eine leichtere Lösung und lassen den zweiten Satz mit Flamme oder Keule enden; die deutsche Syntax legt es schließlich nahe. Sie ignorieren das Entscheidende: wer schaut, was den Blick motiviert, welchen Symbolgehalt Objekte oder Figuren haben, wie der Autor sie sprachlich gruppiert.

Doppeldeutigkeiten sind ebenso essentiell: Wo kein Erzähler kommentiert, muss der Kontext den Sinn suggerieren. So in der bekannten Droschkenszene: Léon verführt Emma im Innern, der Leser ahnt es nur, blickt von außen auf die Kutsche, welche scheinbar sinnlos durch Rouen rast. Die Abfahrt ist bedeutungsschwanger: "Et la lourde machine se mit en route." Es ist klar: Der Satz meint beides, Droschken- und Liebesmechanik, darum überzeugt "Gefährt" für machine nicht. Edl bewahrt die Ambivalenz: "Und die schwere Maschinerie setzte sich in Gang." Ähnlich im berühmtesten Kapitel, der Landwirtschaftsmesse: Rodolphe macht Emma Avancen, während ein Präfekturrat eine Rede hält und Preise vergeben werden. Man höre, so Flaubert am 12. Oktober 1853, "gleichzeitig Stiergebrüll, Liebesseufzer und Beamtenphrasen": Der Kontext entlarvt das romantische Geplapper. Rodolphe: "Hundertmal wollte ich weggehen, und ich bin ihnen gefolgt, bin geblieben." Es folgt die Preiskategorie: "Fumiers." Andere Übersetzer schreiben gern "Dünger" - der Kommentar geht verloren. Edl rettet ihn: "Mist." Wenn kurz darauf eine Magd als "bête" bezeichnet wird, dann ist "dumm" nicht falsch, aber "Schaf" liefert die Bedeutung "Tier", die in bête steckt, mit. Schließlich: Jenseits der Wortspiele ist stets zu bedenken, dass Flaubert Assonanzen, Wiederholungen und Vergleiche rigoros ausmerzte. Wer da doigts gantés mit "behandschuhten Händen" übersetzt (wie Vollmann), begeht ein kleines Verbrechen.

Diese Fragen sind nicht lässlich: Es geht ums Eingemachte. Die Konsequenz freilich ist grausam: Der Übersetzer muss nicht nur das Französische perfekt verstehen, sondern auch ein kluger Interpret und ein begabter Stilist und Stilist sein. Er muss über intellektuelle und sprachliche Präzisionsinstrumente verfügen, um Flauberts Sprachregungen so minutiös folgen zu können wie der Schriftsteller denen seiner Figuren. Einerseits: Der Preis ist hoch und nicht verhandelbar. Andererseits: Es gibt ein Publikum für anspruchsvolle Klassikerübersetzungen, der Hanser Verlag hat das verstanden.

Nun lässt sich selbst Edls Übersetzung diskutieren. Abermals zur Landwirtschaftsmesse: Warum ist der Apotheker Homais, Prototyp des Bourgeois, "stolz wie ein Gockel", wo das Original nur sein jarret tendu (durchgedrückte Kniekehle) nennt? Sicher, steht das Glied für den Menschen, dann meint es Kraft, Schwung; zudem legen Kontext und Ausdruck ein Tier nah. Aber der Ausdruck "fier comme un coq" existiert im Französischen - Flaubert benutzt ihn eben nicht, beschimpft generell Vergleiche als Läuse.

Ähnliches gilt an anderer Stelle, Edl geht erklärtermaßen Risiken ein: "Immer wieder muss zwangsläufig vom bloß lexikalischen Wortlaut Flauberts abgewichen werden, um den literarischen Sinn seiner Sätze zu bewahren." Das soll sie bitte auch: Ihre Übersetzung trägt ihre Kritik allein deshalb in sich, weil sie selbst es ist, die den Leser lehrt, noch auf Details zu achten, Original und Übertragung immerfort in einen Dialog zu bringen. Genau das soll eine Übersetzung erreichen: Elisabeth Edl gelingt es.

Gustave Flaubert: "Madame Bovary". Sitten in der Provinz. Roman.

Hrsg. und übersetzt von Elisabeth Edl. Carl Hanser Verlag, München 2012. 760 S., geb., 34,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 20.10.2012

Der Mist
und die Lust
Elisabeth Edl hat Gustave Flauberts „Madame Bovary“
neu übersetzt – und schmäht zu Unrecht ihre Vorgänger
VON THOMAS STEINFELD
Zu Beginn des neunzehnten Jahrhunderts zirkulierte ein Gedanke, der, wäre er auch in seinen praktischen Folgen je allgemein begriffen worden, die Ideale eines bürgerlichen Lebens von vornherein zerstört hätte. „Alles Ideelle, sobald es vom Realen gefordert wird“, sagte Johann Wolfgang Goethe im Sommer 1810 in einem Gespräch mit Friedrich Wilhelm Riemer, „zehrt am Ende dieses und sich selbst auf.“ Fünfzehn Jahre später lautete derselbe Gedanke so: „Abstraktionen in der Wirklichkeit gelten machen, heißt Wirklichkeit zerstören“, schreibt Georg Wilhelm Friedrich Hegel in seinen „Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie“. Der französische Schriftsteller Gustave Flaubert schließlich, der von Hegel zumindest die „Ästhetik“ und von Goethe das meiste gelesen hatte, fasste die zu diesem Gedanken gehörende Praxis in einer hässlichen Formel zusammen, die er im Jahr 1856 dem Verführer Rodolphe in den Mund legte: „Le monde est cruel, Emma“, „die Welt ist grausam“.
  Emma, das ist selbstverständlich Emma Bovary, die Titelheldin des ersten Romans, der von der notwendigen Zerstörung des bürgerlichen Lebens durch seine eigenen Ideale handelt. Und „grausam“ ist die Welt, weil Emma Bovary in ihren Versuchen, ihre Vorstellungen von einer gelungenen Existenz in der Praxis durchzusetzen, tatsächlich unerbittlich ist. Dabei geht es zuerst um die romantische Liebe, um den fanatischen Glauben daran, dass es einen anderen Menschen geben muss, der prinzipiell für das eigene Glück zuständig ist, und dann geht es um die Innenausstattung dieses Glücks, also um die materiellen Attribute eines Daseins, in dem sich ein vermeintlich unvergleichlich kostbares Wesen, eben Madame Bovary, in seiner Auserwähltheit selber zelebriert: es geht um Kleider und Pferde, um ein Zigarettenetui und um Klavierstunden, um das Recht auf ein Leben in der Stadt und um das Geld. Und nichts hält diesem Fanatismus stand: Emma Bovary zerstört nicht nur das eigene Leben, sondern auch das ihres Mannes und ihres Kindes, und sogar ein paar gänzlich Unbeteiligte bleiben in diesem erbarmungslosen „pursuit of happiness“ schwer lädiert zurück.
  Es gibt viele Übersetzungen dieses Romans ins Deutsche. Zwei Dutzend sind es mindestens, und es kommt alle paar Jahre eine neue hinzu. Noch immer lieferbar sind einige der alten Übertragungen, wie etwa die 1979 von Irene Riesen überarbeitete von René Schickele aus dem Jahr 1907, oder die heute vom Deutschen Taschenbuch Verlag vertriebene Fassung von Walter Widmer (1959) oder die von Ilse Perker und Ernst Sander (1972), die vom Reclam Verlag vertrieben wird. Der Insel Verlag publizierte im Jahr 1996 die Neuübersetzung von Maria Dessauer, der Haffmans Verlag fünf Jahre später die von Caroline Vollmann (die heute im Fischer Taschenbuchverlag erscheint). In diesen Tagen nun ist, veröffentlicht vom Hanser Verlag, eine neue deutsche Fassung, angefertigt von Elisabeth Edl, hinzugekommen. Alle Übersetzungen miteinander scheinen einen unerhörten intellektuellen wie literarischen Reichtum zu bilden. Denn welcher Übersetzer arbeitet schon wie der andere? Jeder wird, so möchte man meinen, einen neuen Sinn entdecken, eine bislang verborgene Nuance erschließen, eine glückliche Formulierung finden, die dem anderen verschlossen blieb. Und so schreitet, denkt man sich, die Weltliteratur voran.
  In der Mitte des Buches, die ehebrecherische Liebe zu Rodolphe ist wieder aufgeflammt, ist Emma Bovary glücklich. Denn sie träumt davon, mit ihrem Geliebten und der Tochter zu fliehen, irgendwohin, in eine prächtige Stadt, in ein Fischerdorf an einem südlichen Strand. Und nie war sie schöner als in diesen Tagen: „Ihre Begierden, ihr Leid, das Erleben von Lust“, heißt es in der Übersetzung von Elisabeth Edl, „und ihre immer noch jugendlichen Illusionen hatten, ganz so wie Mist, Regen, Wind und Sonne bei den Blumen, sie schrittweise weiterentwickelt, und endlich erstrahlte sie in der vollen Blüte ihres Wesens.“ Das ist kein schöner Satz, was vor allem daran liegt, dass er in seiner ausschweifenden Länge und mit seinen zehn Substantiven von einem eher blassen Verb getragen werden muss, das darüber hinaus nach Pädagogik und Bürokratie klingt: „weiterentwickelt“, und das auch noch, als käme es aus einer Broschüre für Lehramtsanwärter, „schrittweise“.
  Gustave Flaubert verfügt im Französischen über den Vorteil, dass er das temporale Hilfsverb („hatten“) unmittelbar vor das Verb setzen kann, was dem Satz einen stärkeren Rhythmus verleiht. Er spricht außerdem nicht von „weiterentwickeln“, sondern von „l’avaient par gradation développée“ („hatten sie in Stufen aufsteigend entwickelt“). Und er verfügt über den bösen Effekt, im Französischen die Blumen vor den Mist stellen zu können, sodass der „Mist“ – auch als Metapher für den Geschlechtsakt – als kleiner Spielverderber in den Satz einziehen kann.
  Ganz gelungen ist die Übersetzung also nicht, und sie ist es um so weniger, als sich in der Trias „ihre Begierden, ihr Leid, das Erleben von Lust“ das Moderne mit dem Historischen mischt – das Wort „Begierde“ hat im Deutschen in den vergangenen dreißig Jahren eine Bedeutungsverschiebung erlebt, das „Leid“ verweist tatsächlich zurück in alte Zeiten, und das emphatische „Erleben“ gehört eher in die moderne Erlebniskultur als in ein neunzehntes Jahrhundert, das vom „Leben“ als vitalistischer Veranstaltung noch nichts wusste. Auch ist die Formulierung „Erleben von Lust“ zugleich schamhafter und diagnostischer als „l’expérience du plaisir“. Das alles aber wäre nicht weiter schlimm, wenn es sich nicht um ein Werk Gustave Flauberts handelte.
  Von diesem Schriftsteller ist bekannt, dass er endlos an seinen Sätzen arbeitet und Jahre angestrengter Arbeit auf jedes seine Bücher verwendet. Seine Freunde, vor allem die Brüder Goncourt, erzählen gern, wie er sich die eigenen Sätze immer wieder vorliest, auch vor Publikum, und dass er sie zuweilen herausbrüllt. Er schreibt nicht schnell, er verfasst vermutlich zunächst einmal schlicht realistische Prosa. Und dann arbeitet er daran, diesen Stil zu überhöhen, zu unterlaufen und zu stören: Zum einen will er, dass Emma Bovarys Anziehungskraft aus dem Text hervortritt, und auch die Anziehungskraft ihrer Illusionen. Er erotisiert seinen Text, bis zur „plénitude de sa nature“ (eigentlich: „Fülle ihrer Natur“, nicht poetisierend: „die volle Blüte ihres Wesens“).
  Auf der einen Seite kultiviert er den „Mist“, das Pathologische seiner Figuren, und wird darüber zum Naturalisten. Auf der anderen will er das vollständige Register aller sinnlichen und übersinnlichen Verführungen durchdeklinieren. Am Ende, danach trachtet er mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln, soll eine Verdichtung von Welt entstehen, ein Stil, der wahrer ist als alle Theorie und konzentrierter als Lyrik. Für einen Übersetzer ist das eine gewaltige Aufgabe. Und es stimmt ja nicht, wenn Elisabeth Edl in ihrem Nachwort erklärt, dass Gustave Flaubert das „ungeschminkte Porträt“ einer Frau geliefert habe. Dazu interessiert ihn die Schminke viel zu sehr, und nicht nur der Glanz, die Wärme und die Glätte, die sie Menschen scheinbar verleiht, sondern auch deren chemische Zusammensetzung. Und dann ist da immer auch eine letzte Distanz, die Gustave Flaubert schon aus juristischen Gründen wahren muss (das Gerichtsverfahren kommt dann trotzdem, der Schriftsteller wird aber freigesprochen): Tatsächlich ermuntert er niemanden zum Ehebruch.
  Zu einer solchen Kritik an der neuen Übersetzung gehört das Eingeständnis, dass die anderen jüngeren deutschen Versionen dieses Romans nicht wesentlich besser sind. Aber auch nicht deutlich schlechter. Zwar setzt sich Elisabeth Edl in einem Kommentar am Ende des Buches eigens mit den anderen Fassungen auseinander, verwirft sie als grundsätzlich unzureichend und verlangt eine neue Übersetzung, für die „Satz für Satz auf seine verschiedenen Bedeutungsebenen durchgehört“ werden müsste. Aber sie bleibt hinter den eigenen Anforderungen zurück: Die neue Fassung unterscheidet sich von den älteren vor allem im Kleinen, im Hin und Her möglicher und unmöglicher Alternativen. Sie stellt keineswegs den Durchbruch zu einer endlich angemessenen Übersetzung „dieses Schlüsselwerks der modernen Literatur“ dar, und die älteren Fassungen können daneben bestehen.
  Caroline Vollmann spricht von „Kümmernissen“ anstatt von „Leid“, was besser ins Milieu passt. Zwar verfeinert sie den „Mist“ zum „Dung“ (der vermutlich weniger streng riecht), aber sie vermeidet den Bürokratismus des Verbs „entwickeln“, indem sie kurz und bündig schreibt, Emma Bovary, sei „nach und nach zum Erblühen gebracht worden“ – wobei allerdings die Stufen und die Steigerung verloren sind.
  Maria Dessauer kennt auch die „Begierden“, spricht aber exakter von der „Erfahrung der Lust“, veredelt den „Mist“ noch weiter zum „Dünger“ und verzichtet auf Steigerung und Entwicklung, indem sie die Heldin, schon weit entfernt vom Original, „allmählich“ erblühen lässt. Nun gut, man versteht, was sie meint. Ganz gewiss falsch ist die Übersetzung von „ses illusions toujours jeunes“ durch „ihre immer neuen Illusionen“ (Maria Dessauer). „Ihre immer noch jugendlichen Illusionen“, wie Elisabeth Edl schreibt, ist zwar auch nicht ganz das Gleiche, was bei Gustave Flaubert steht, aber halbwegs präzise.
  Es ist vermutlich unangemessen, von einer Übersetzung einen eigenen Stil zu erwarten, gar einen Stil, welcher Flauberts Realismus, seiner Härte und seinem Umgang mit erotischen Appellen gerecht werden könnte – René Schickeles und Ernst Sanders alte Übersetzungen sind zwar freier als die anderen und kommen einem eigenen Ton nahe, büßen dafür aber mit einem Defizit an Genauigkeit. Enttäuschend ist es jedenfalls, wenn man statt eines eigenen Stils hauptsächlich Varianten mit wechselnden Mängeln entdeckt.
  Im Vergleich der Übersetzungen fällt dies am meisten an Stellen auf, in denen es um Physiognomien des Gefühls geht – und es gehört zu diesen Passagen, dass Gustave Flaubert Gefühle so darstellt, dass sich der berechnende Verstand, der sie hervortreibt und belebt, im scheinbar Irrationalen selber bemerkbar macht. „J’ai un amant“, ruft Emma Bovary sich zum Beispiel selber zu, nachdem sie zum ersten Mal mit ihrem Liebhaber geschlafen hat. In Elisabeth Edls Übersetzung heißt es: „Ich habe einen Geliebten. Und sie berauschte sich an dieser Vorstellung, als wäre ihr eine zweite Mädchenblüte zuteil geworden.“ Im Original lautet der zweite Satz: „Se délectant à cette idée comme à celle d’une puberté qui lui serait survenue.“ Doch ebenso wenig wie „sich berauschen“ dasselbe ist wie „se délecter“ (der Fall ist schwierig: eigentlich lutscht Emma Bovary die Idee auf deren Nutzbarkeit für das Gefühl ab), ist eine lyrische „Mädchenblüte“ dasselbe wie eine biologische „Pubertät“ (abgesehen davon, dass das Wort „Mädchenblüte“ wegen Marcel Prousts „jeunes filles en fleurs“ nicht zur Verfügung stehen dürfte).
  Eine Formulierung gibt es in der oben besprochenen Passage – in dem Absatz, in dem es um das Aufblühen Emma Bovarys mit dem zur Gewohnheit werdenden Ehebruch geht –, in der diese Schwierigkeiten auf die Spitze getrieben werden. Scheinbar ist darin von Emma Bovarys prächtigen Haaren die Rede. Sie hat sie über dem Nacken zu einem losen Kranz geflochten. „Torsade“ heißt das französische Wort für diese Technik, und Emma Bovary geht nachlässig damit um, denn einzelne Strähnen fallen leicht gedreht herunter: „ils s’enroulaient en une masse lourde négligemment, et selon les hasards de l’adultère, qui les dénouait tous les jours“. Der Satz ist großartig. Denn Gustave Flaubert entfaltet hier ausführlich eine Haarpracht, doch zugleich lenkt er die Anschauung, langsam, ganz beiläufig, von der Frisur auf den Geschlechtsverkehr - und darauf, dass dieser täglich stattfindet.
  Elisabeth Edl übersetzt „torsade“ mit „Chignon“. Das ist eine über dem Nacken hochgesteckte Frisur, deren Bezeichnung gleichsam den Sammelbegriff zur „torsade“ bildet (bei der es auch ums Flechten geht). Was damit gewonnen sein soll, ein hierzulande fast unbekanntes französisches Wort durch ein anderes zu ersetzen, das ein bisschen weniger unbekannt ist, dürfte im Dunkeln bleiben. Doch wichtiger ist die Sache mit der Frisur und dem Beischlaf: „Das Haar war zu einer schweren Masse verschlungen, nachlässig und den Launen des Ehebruchs unterworfen, der es tagtäglich löste“, schreibt Elisabeth Edl. Das ist durchaus etwas anderes als das, was auf Französisch dasteht. Denn es geht ja nicht um die „Launen“ des Ehebruchs, sondern um die „Zufälle“. Der außereheliche Geschlechtsverkehr verwandelt sich bei Elisabeth Edl von einem scheinbar eher peripheren Gegenstand zu einem eigenständigen, „launischen“ Subjekt, und diese Aufwertung wird von der Steigerung des Wortes „täglich“ („tous les jours“) in ein „tagtäglich“ bestätigt.
  Dadurch aber verändert sich die Logik des ganzen Satzes: Gustave Flaubert hatte eine Ästhetisierung des Ehebruchs bis an ihre Grenze geschaffen, und die letzten Worte des Satzes („tous les jours“) hatten ein Umkippen ins Derbe bloß vorbereitet. Er hatte den Leser erfolgreich eingeladen, zum Voyeur zu werden, auf eine schleichende, sich herantastende Weise – um das Harte, Routinierte, Kriminelle des täglich vollzogenen Aktes (der Ehebruch war in Frankreich bis 1975 strafbar) am Ende nur kurz anzutippen. In der Anschauung, die der Schriftsteller schuf, in den Knoten, Flechten und herunterfallenden Strähnen, hatte er einen Begriff der Heldin mitgeliefert, ganz vorsichtig, halb unausgesprochen, aber sehr verständlich. Die Übersetzung ist dagegen deutlich indiskreter. Sie ignoriert das Schweben und langsame Abrutschen ins Grobe, mit dem sich der Autor aus guten Gründen so viel Mühe gegeben hatte. Sie setzt Ausrufezeichen, wo ein Gedankenstrich gereicht hätte.
  Caroline Vollmann dagegen spricht in ihrer Übersetzung zwar von einer „Lockenpracht“, wo im Original von Locken gar nicht die Rede ist. Aber der Übergang von der Frisur zum Beischlaf gelingt ihr leichter und richtiger, als das bei Elisabeth Edl der Fall ist: „sie (die Haare) waren in einem schweren Knoten zusammengeschlungen, nachlässig, und wie es sich nach dem Ehebruch zufällig ergab, bei dem sie sich jeden Tag auflösten.“ Nun gut – auch wenn sich, streng genommen, nicht die Haare auflösen, sondern die Frisur. Und die Ehe, selbstverständlich, obwohl der ebenso ahnungslose wie betrogene Herr Bovary, in prekärer Gemeinschaft mit dem Leser, das erotische Aufblühen dieser Frau unendlich attraktiv findet.
  In den vergangenen Jahren hat der Beruf des literarischen Übersetzers eine Aufwertung erfahren – weniger im Finanziellen, denn noch immer arbeiten die meisten Übersetzer unter prekären Bedingungen, denn vielmehr als Berufsstand: Sie sind den Schriftstellern sehr nahe gerückt. Dieser Erfolg scheint sonderbare Folgen nach sich zu ziehen: Denn so wie jedes literarische Werk dadurch gerechtfertigt ist, dass es Literatur ist, so ist nun offenbar jede Übersetzung dadurch begründet, dass es sich dabei um eine Übersetzung handelt.
  Das gilt um so mehr, als sich auch bei den Übersetzern längst ein Starwesen herausgebildet hat, ausgewiesen durch Preise, Stipendien und Mitgliedschaften in Akademien, das offenbar zur Folge hat, jede Übersetzung zu einer „kongenialen“ Leistung oder gar zur – endlich! – einzig angemessenen zu erklären. Das ist Unsinn, denn jede Übersetzung muss unvollkommen sein. Und so gewiss es ist, dass jede einzelne halbwegs seriöse Übersetzung das Licht vergrößert, das auf ein Werk geworfen wird, so gewiss ist auch, dass es für jede Übersetzung eines klassischen Werkes Vorläufer gibt – und Nachfolger geben wird. Die Schärfe, mit der Elisabeth Edl die älteren Übersetzungen zurückweist, hat etwas ihrer Profession grundsätzlich Unangemessenes: Sie seien „niederschmetternd“, schreibt sie: „Keine einzige Übersetzung scheint sich der Herausforderung überhaupt bewusst zu sein.“ Dagegen wünscht sich der Leser manchmal, sie hätte die früheren Arbeiten häufiger zu Hilfe genommen, nicht nur guter Lösungen wegen und nicht nur, um die Kollegen auszubeuten, sondern auch aus Respekt vor der Arbeit ihrer Vorgänger. Denn es wird vermutlich nur ein paar Jahre dauern, bis auch sie eine Vorgängerin sein wird.
Der Roman handelt von der
Zerstörung des bürgerlichen
Lebens durch seine Ideale
Von Gustave Flaubert ist
bekannt, dass er endlos an
seinen Sätzen arbeitete
Ist dies „das ungeschminkte
Porträt einer Frau“? Flaubert war
an der Schminke sehr interessiert
Ist die poetische „Mädchenblüte“
dasselbe wie die biologische
„Pubertät“ im Originaltext?
Es gibt keine endgültige, „einzig
angemessene“ Übersetzung
– jede muss unvollkommen sein
„Das Haar war zu einer schweren Masse verschlungen, nachlässig und den Launen des Ehebruchs unterworfen, der es tagtäglich löste“. 1991 verfilmte Claude Chabrol „Madame Bovary“ mit Isabelle Huppert in der Titelrolle.
FOTO: SÜDDEUTSCHE ZEITUNG
  
  
  
  
Gustave Flaubert:
Madame Bovary. Roman.
Aus dem Französischen von Elisabeth Edl. Carl Hanser Verlag, München 2012.
752 Seiten, 34,90 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
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