A sumptuous new biography of one of the most famous dangerous liaisons When Jeanne Antoinette Poisson was a child, a fortune-teller predicted that she would one day be the mistress of a king. Born into the financial bourgeoisie that was a world apart from the royal court, the beautiful Jeanne Antoinette nonetheless fulfilled this prophecy by becoming Madame de Pompadour, the most famous and influential mistress of Louis XV. In this sumptuous biography, Evelyne Lever traces the enduring friendship between the monarch and his favorite, and the far-reaching implications-both personal and political-of their relationship. Pompadour was devoted to Louis XV, and her contribution to the culture of the age was significant: she was an outstanding singer and actress, entertaining the King and the court in impressive stage productions, and was a longtime patron of the visual arts. She commissioned paintings by Boucher, Nattier, Van Loo, La Tour, and Pigalle, and she formed friendships with many of the philosophers and writers of the period, including Fontenelle, Crébillon, and Voltaire. In effect, she was France's minister of culture at a time when no such position existed. But she was loathed for her role in France's disastrous military losses, and was the victim of persistent court gossip and intrigues. This vibrant biography sheds new light on the talented and resilient woman who influenced, for better and worse, the fate of a nation.
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Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 21.02.2007Trauerente auf Stöckelschuhen
Die schönste Karriere der Welt – eine neue Biographie der Madame de Pompadour
Als der Vorhang gefallen war, ging das Publikum achselzuckend zu anderen Beschäftigungen über. Nicht einmal Denis Diderot schien zu ahnen, dass er einer epochalen Aufführung beigewohnt hatte. Sein Kommentar zum Geschehen zeugt von verblüffender Kurzsichtigkeit: „Was uns von dieser Frau bleiben wird, die unsere Soldaten und Finanzen verschleuderte, unsere Ehre und unsere Kraft? Der Frieden von Versailles – er mag noch eine Weile dauern. Der ,Amor‘ von Bouchardon, den wir immer bewundern werden. Einige Gravuren von Guay, zum Entzücken künftiger Raritätenhändler. Ein Bildchen von Van Loo, auf das wir hin und wieder einen Blick werfen werden. Und ein Häufchen Asche.”
Als die Madame de Pompadour, die langjährige Mätresse Ludwigs XV., krank und erschöpft im Frühjahr 1764 gestorben war, hinterließ sie zwar beträchtliche Reichtümer, aber nur wenig Bedauern. Noch spärlicher als das Mitgefühl war allerdings die Einsicht verbreitet, dass diese „Königin der Kurtisanen” aus dem „Gauklermilieu” eine Rolle von historischer Bedeutung spielte.
Dabei wurde sie schon von den Zeitgenossen als unerhörtes Exempel wahrgenommen. Weil sie die erste Bürgerstochter war, die eine bis dahin nur den Adelsfräulein vorbehaltene Gunst eroberte: Als Mätresse des Königs am Hof eingeführt und installiert zu werden. Die rasch mit einem Adelstitel versehene Madame de Pompadour, dies empörte die vornehmen Kreise des alten Adels ebenso wie die bürgerliche Öffentlichkeit, wechselte allzu geschmeidig das Rollenfach: virtuos gewiss, aber eben unziemlich. Das hübsche und kokette Pin-Up-Girl aus zwielichtigen Pariser Kreisen verwandelte sich in einen Bühnenstar, aus dem Zeitvertreib des Königs erwuchs ein neuer, dominierender Machtfaktor im höfischen Leben.
Dieses Skandalon war während der zwanzigjährigen Amtszeit der Mätresse in allen erdenklichen Tonarten beschworen worden. Die Pariser Marktweiber gossen es in schlüpfrige Gassenhauer, die neidischen Minister schmiedeten im Kerzenlicht satirische Verse darüber, der preußische König rief seine Windhunde mit dem Namen der Pompadour.
Verbunden damit wurden alle Schreckenszüge, die seit jeher der fatalen „Weiberherrschaft” zugeschrieben wurden: Ausschweifung, Ruin und Günstlingswirtschaft. Und dennoch – mit dem Ableben des infamen Luders schien der Spuk vorüber zu sein. Selbst jene, die auf einem Tribünenplatz das Treiben verfolgen konnte, hat dies so eingeschätzt: Niemand spricht mehr von ihr, schrieb die rechtmäßige und machtlose Königin mit einem Anflug von Bitternis kurz nach dem Tod der mächtigen Mätresse; als ob es diejenige, die nun nicht mehr ist, niemals zuvor gegeben hätte.
So können sich die Zeitzeugen täuschen. Rasch hat sich das Leben der Pompadour zu einer großen Erzählung verdichtet, zur zutiefst bürgerlichen Erfolgsgeschichte eines rasanten Aufstiegs. Einer sensationellen Karriere, die sich, unter schwierigsten, feindlichsten Bedingungen, allein der eigenen Geschicklichkeit, Intelligenz und Erfindungskraft verdankt. Schon Voltaire beklagte, dass die Pompadour „mitten in der schönsten Karriere der Welt” gestorben sei. Dass diese beispiellos Laufbahn mit einem allzu verzehrendem Leben bezahlt werden musste, ließ die Geschichte der Pompadour erst recht zu einem bürgerlichen Lehr- und Rührstück werden.
Im Kampf gegen Intrigen und Gerüchte, gegen Feinde am Hof, gegen die jungen und hübschen Konkurrentinnen, die überall im Schloss auf ihren großen Auftritt lauern, gegen das Verblassen der eigenen Schönheit und Jugend – vor allem aber im täglichen Kampf um die Gunst des lüsternen, zum Ennui neigenden Königs hat sich die bürgerliche Aufsteigerin schließlich völlig verbraucht.
Magersüchtig, von Migräne gequält, immer in Furcht vor dem drohenden Absturz lebend, erinnert ihr Schicksal nicht von ungefähr an das heutiger Medien-Stars. Das protestantische Arbeitsethos, ins Dämonische geweitet, hält mit ihr Einzug am absolutistischen Fürstenhof.
Die Königsmätressen, dies hat einmal Werner Sombart bemerkt, ziehen tiefe Furchen in den Boden der Kulturgeschichte – weil sie schließlich zum Vorbild aller, auch der anständigen Frauen, wurden. Auf keine trifft dies mehr zu als auf die Madame de Pompadour, die er fraglos dabei im Blick hatte. Sie ist zum Prototyp aller Mätressen avanciert, zum Rollenmodell. Zur Schablone. Maßgeblich dafür ist vor allem die glänzend geschriebene Biographie der Brüder Goncourt gewesen, die seit dem 19. Jahrhundert die Perspektive dominiert. Sie haben ein Bild von der „Königin des Rokoko” entworfen, das in der Auswahl der Ereignisse und Konstellationen ihres Lebens wie in der Deutung ihrer Erscheinung seither kanonisch ist. Dies beweist zwar, wie wirkungsmächtig große Stilisten sein können. Es lässt aber auch zweifeln am Scharfsinn der modernen Geschichtsschreibung, die dieses Bild seit mehr als hundert Jahren nicht grundsätzlich in Frage gestellt hat.
Das wiederum belegt die stattliche Biographie, welche der Pompadour von der renommierten französischen Historikerin Evelyne Lever gewidmet wurde: auch diese bleibt völlig im Rahmen des Herkömmlichen. Im Einzelnen ausführlicher und präziser, angereichert mit detailverliebten Schilderungen von Tagesabläufen, Theater- und Festprogrammen, Garderoben und Reisen, folgt diese Biographie nicht nur in der Gesamtanlage dem Beispiel der Goncourts, sondern auch ihrer Deutung: Eine ebenso kluge wie eiskalte, ebenso reich begabte wie disziplinierte Karrieristin trifft auf einen immer gelangweilten, immer nach Ablenkung gierenden Monarchen und hat vor allem eine Mission zu erfüllen – diesem „die Zeit zu töten”, um sich so unentbehrlich zu machen und ihre prekäre Stellung zu stabilisieren.
Die drückende Langeweile Ludwigs XV., von den Goncourts als zeittypische „Krankheit des Geistes im Jahrhundert des Geistes” beschrieben, liefert den Schlüssel zur gesamten Geschichte. Die Pompadour erscheint so letztlich als das Musterstück, als das Spiegelbild einer Ehefrau aus dem bürgerlichem Zeitalter: immer willfährig bemüht, dem Herr des Hauses das Leben angenehm und abwechslungsreich zu gestalten.
Diese Lesart hat Lever in ihrem ideenarmen Buch mit deutlich mehr Sentiment, mit mehr Liebe und Herzschmerz zubereitet. Eine gehörige Prise Sissi-Romantik – das einsame Rehkitz unter den Raubtieren des Hofes – kommt verklärend hinzu. Mag man diese Einfallslosigkeit noch hinnehmen, so bestürzt der weitgehend unkritische Umgang mit den Quellen. Obwohl doch allerhöchste Vorsicht geboten wäre: Die Pompadour war schließlich von Anfang an ein heiß umstrittenes Politikum, umrankt von einem Geflecht aus Gerüchten, Halbwissen und Diffamierungen, und die meisten Zeugnisse stammen von unmittelbar in die Machtkämpfe involvierten Personen.
Außerdem, dies ist Lever keine Anmerkung wert, muss ein guter Teil der persönlichsten Quellen als zumindest zweifelhaft gelten. Viele der Briefe, die sie geschrieben haben soll, oder die „Memoiren” ihrer Kammerzofe, von denen Lever reichlich Gebrauch macht, wurden zuletzt mit guten Gründen als Fälschungen verdächtigt – Propagandamaterial, das in der Pompadour das höfische System insgesamt kritisierte. Als Blitzableiter für den Unmut des Volkes bot eine Mätresse wie die Pompadour, die unter ihrer „trauerentenhaften” Kälte gelitten haben soll, weit exquisitere Dienste denn als Bettgespielin. Anders als sein Nachfolger auf dem Königsthron hat Ludwig XV. zumindest so viel verstanden. Ludwig XVI., der vollkommene Spießbürger, sollte dann ganz auf eine Mätresse verzichten und sich brav mit seiner Ehefrau begnügen. Ohne Blitzableiter aber war der Thron nicht mehr den aufziehenden Unwettern gewachsen. MANFRED SCHWARZ
EVELYNE LEVER: Madame de Pompadour. Eine Biographie. Aus dem Französischen von Annalisa Viviani. Piper Verlag, München 2006. 480 S., 22,95 Euro.
Was uns von dieser Frau bleiben wird, die unsere Soldaten und Finanzen verschleuderte, unsere Ehre und unsere Kraft?
Das protestantische Arbeitsethos, ins Dämonische geweitet, hält mit ihr Einzug am absolutistischen Fürstenhof.
„La Marquise de Pompadour”, Gemälde von François Boucher, Paris, Louvre. Abbildung: akg-images / Erich Lessing
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Die schönste Karriere der Welt – eine neue Biographie der Madame de Pompadour
Als der Vorhang gefallen war, ging das Publikum achselzuckend zu anderen Beschäftigungen über. Nicht einmal Denis Diderot schien zu ahnen, dass er einer epochalen Aufführung beigewohnt hatte. Sein Kommentar zum Geschehen zeugt von verblüffender Kurzsichtigkeit: „Was uns von dieser Frau bleiben wird, die unsere Soldaten und Finanzen verschleuderte, unsere Ehre und unsere Kraft? Der Frieden von Versailles – er mag noch eine Weile dauern. Der ,Amor‘ von Bouchardon, den wir immer bewundern werden. Einige Gravuren von Guay, zum Entzücken künftiger Raritätenhändler. Ein Bildchen von Van Loo, auf das wir hin und wieder einen Blick werfen werden. Und ein Häufchen Asche.”
Als die Madame de Pompadour, die langjährige Mätresse Ludwigs XV., krank und erschöpft im Frühjahr 1764 gestorben war, hinterließ sie zwar beträchtliche Reichtümer, aber nur wenig Bedauern. Noch spärlicher als das Mitgefühl war allerdings die Einsicht verbreitet, dass diese „Königin der Kurtisanen” aus dem „Gauklermilieu” eine Rolle von historischer Bedeutung spielte.
Dabei wurde sie schon von den Zeitgenossen als unerhörtes Exempel wahrgenommen. Weil sie die erste Bürgerstochter war, die eine bis dahin nur den Adelsfräulein vorbehaltene Gunst eroberte: Als Mätresse des Königs am Hof eingeführt und installiert zu werden. Die rasch mit einem Adelstitel versehene Madame de Pompadour, dies empörte die vornehmen Kreise des alten Adels ebenso wie die bürgerliche Öffentlichkeit, wechselte allzu geschmeidig das Rollenfach: virtuos gewiss, aber eben unziemlich. Das hübsche und kokette Pin-Up-Girl aus zwielichtigen Pariser Kreisen verwandelte sich in einen Bühnenstar, aus dem Zeitvertreib des Königs erwuchs ein neuer, dominierender Machtfaktor im höfischen Leben.
Dieses Skandalon war während der zwanzigjährigen Amtszeit der Mätresse in allen erdenklichen Tonarten beschworen worden. Die Pariser Marktweiber gossen es in schlüpfrige Gassenhauer, die neidischen Minister schmiedeten im Kerzenlicht satirische Verse darüber, der preußische König rief seine Windhunde mit dem Namen der Pompadour.
Verbunden damit wurden alle Schreckenszüge, die seit jeher der fatalen „Weiberherrschaft” zugeschrieben wurden: Ausschweifung, Ruin und Günstlingswirtschaft. Und dennoch – mit dem Ableben des infamen Luders schien der Spuk vorüber zu sein. Selbst jene, die auf einem Tribünenplatz das Treiben verfolgen konnte, hat dies so eingeschätzt: Niemand spricht mehr von ihr, schrieb die rechtmäßige und machtlose Königin mit einem Anflug von Bitternis kurz nach dem Tod der mächtigen Mätresse; als ob es diejenige, die nun nicht mehr ist, niemals zuvor gegeben hätte.
So können sich die Zeitzeugen täuschen. Rasch hat sich das Leben der Pompadour zu einer großen Erzählung verdichtet, zur zutiefst bürgerlichen Erfolgsgeschichte eines rasanten Aufstiegs. Einer sensationellen Karriere, die sich, unter schwierigsten, feindlichsten Bedingungen, allein der eigenen Geschicklichkeit, Intelligenz und Erfindungskraft verdankt. Schon Voltaire beklagte, dass die Pompadour „mitten in der schönsten Karriere der Welt” gestorben sei. Dass diese beispiellos Laufbahn mit einem allzu verzehrendem Leben bezahlt werden musste, ließ die Geschichte der Pompadour erst recht zu einem bürgerlichen Lehr- und Rührstück werden.
Im Kampf gegen Intrigen und Gerüchte, gegen Feinde am Hof, gegen die jungen und hübschen Konkurrentinnen, die überall im Schloss auf ihren großen Auftritt lauern, gegen das Verblassen der eigenen Schönheit und Jugend – vor allem aber im täglichen Kampf um die Gunst des lüsternen, zum Ennui neigenden Königs hat sich die bürgerliche Aufsteigerin schließlich völlig verbraucht.
Magersüchtig, von Migräne gequält, immer in Furcht vor dem drohenden Absturz lebend, erinnert ihr Schicksal nicht von ungefähr an das heutiger Medien-Stars. Das protestantische Arbeitsethos, ins Dämonische geweitet, hält mit ihr Einzug am absolutistischen Fürstenhof.
Die Königsmätressen, dies hat einmal Werner Sombart bemerkt, ziehen tiefe Furchen in den Boden der Kulturgeschichte – weil sie schließlich zum Vorbild aller, auch der anständigen Frauen, wurden. Auf keine trifft dies mehr zu als auf die Madame de Pompadour, die er fraglos dabei im Blick hatte. Sie ist zum Prototyp aller Mätressen avanciert, zum Rollenmodell. Zur Schablone. Maßgeblich dafür ist vor allem die glänzend geschriebene Biographie der Brüder Goncourt gewesen, die seit dem 19. Jahrhundert die Perspektive dominiert. Sie haben ein Bild von der „Königin des Rokoko” entworfen, das in der Auswahl der Ereignisse und Konstellationen ihres Lebens wie in der Deutung ihrer Erscheinung seither kanonisch ist. Dies beweist zwar, wie wirkungsmächtig große Stilisten sein können. Es lässt aber auch zweifeln am Scharfsinn der modernen Geschichtsschreibung, die dieses Bild seit mehr als hundert Jahren nicht grundsätzlich in Frage gestellt hat.
Das wiederum belegt die stattliche Biographie, welche der Pompadour von der renommierten französischen Historikerin Evelyne Lever gewidmet wurde: auch diese bleibt völlig im Rahmen des Herkömmlichen. Im Einzelnen ausführlicher und präziser, angereichert mit detailverliebten Schilderungen von Tagesabläufen, Theater- und Festprogrammen, Garderoben und Reisen, folgt diese Biographie nicht nur in der Gesamtanlage dem Beispiel der Goncourts, sondern auch ihrer Deutung: Eine ebenso kluge wie eiskalte, ebenso reich begabte wie disziplinierte Karrieristin trifft auf einen immer gelangweilten, immer nach Ablenkung gierenden Monarchen und hat vor allem eine Mission zu erfüllen – diesem „die Zeit zu töten”, um sich so unentbehrlich zu machen und ihre prekäre Stellung zu stabilisieren.
Die drückende Langeweile Ludwigs XV., von den Goncourts als zeittypische „Krankheit des Geistes im Jahrhundert des Geistes” beschrieben, liefert den Schlüssel zur gesamten Geschichte. Die Pompadour erscheint so letztlich als das Musterstück, als das Spiegelbild einer Ehefrau aus dem bürgerlichem Zeitalter: immer willfährig bemüht, dem Herr des Hauses das Leben angenehm und abwechslungsreich zu gestalten.
Diese Lesart hat Lever in ihrem ideenarmen Buch mit deutlich mehr Sentiment, mit mehr Liebe und Herzschmerz zubereitet. Eine gehörige Prise Sissi-Romantik – das einsame Rehkitz unter den Raubtieren des Hofes – kommt verklärend hinzu. Mag man diese Einfallslosigkeit noch hinnehmen, so bestürzt der weitgehend unkritische Umgang mit den Quellen. Obwohl doch allerhöchste Vorsicht geboten wäre: Die Pompadour war schließlich von Anfang an ein heiß umstrittenes Politikum, umrankt von einem Geflecht aus Gerüchten, Halbwissen und Diffamierungen, und die meisten Zeugnisse stammen von unmittelbar in die Machtkämpfe involvierten Personen.
Außerdem, dies ist Lever keine Anmerkung wert, muss ein guter Teil der persönlichsten Quellen als zumindest zweifelhaft gelten. Viele der Briefe, die sie geschrieben haben soll, oder die „Memoiren” ihrer Kammerzofe, von denen Lever reichlich Gebrauch macht, wurden zuletzt mit guten Gründen als Fälschungen verdächtigt – Propagandamaterial, das in der Pompadour das höfische System insgesamt kritisierte. Als Blitzableiter für den Unmut des Volkes bot eine Mätresse wie die Pompadour, die unter ihrer „trauerentenhaften” Kälte gelitten haben soll, weit exquisitere Dienste denn als Bettgespielin. Anders als sein Nachfolger auf dem Königsthron hat Ludwig XV. zumindest so viel verstanden. Ludwig XVI., der vollkommene Spießbürger, sollte dann ganz auf eine Mätresse verzichten und sich brav mit seiner Ehefrau begnügen. Ohne Blitzableiter aber war der Thron nicht mehr den aufziehenden Unwettern gewachsen. MANFRED SCHWARZ
EVELYNE LEVER: Madame de Pompadour. Eine Biographie. Aus dem Französischen von Annalisa Viviani. Piper Verlag, München 2006. 480 S., 22,95 Euro.
Was uns von dieser Frau bleiben wird, die unsere Soldaten und Finanzen verschleuderte, unsere Ehre und unsere Kraft?
Das protestantische Arbeitsethos, ins Dämonische geweitet, hält mit ihr Einzug am absolutistischen Fürstenhof.
„La Marquise de Pompadour”, Gemälde von François Boucher, Paris, Louvre. Abbildung: akg-images / Erich Lessing
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