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Armut, Krieg, die Kommune und die Künstlerszene der Impressionisten und Naturalisten - in Paris, der Hauptstadt des 19. Jahrhunderts, brodelt es. Hier spielt sich ein Frauenschicksal ab, das wie von Zola erfunden scheint. Tatsächlich war Alexandrine-Gabrielle Meley die Vorlage für viele Romanfiguren Zolas. Als arme Weißnäherin heiratet sie den noch unbekannten Dichter und wird zu seiner ebenbürtigen Partnerin. Cezanne, Pissaro, Monet, Flaubert, Maupassant, die Gebrüder Concourt, fast die gesamte Künstlerelite jener Zeit besucht ihr Haus, man diskutiert über die neuesten Tendenzen in der Kunst…mehr

Produktbeschreibung
Armut, Krieg, die Kommune und die Künstlerszene der Impressionisten und Naturalisten - in Paris, der Hauptstadt des 19. Jahrhunderts, brodelt es. Hier spielt sich ein Frauenschicksal ab, das wie von Zola erfunden scheint. Tatsächlich war Alexandrine-Gabrielle Meley die Vorlage für viele Romanfiguren Zolas. Als arme Weißnäherin heiratet sie den noch unbekannten Dichter und wird zu seiner ebenbürtigen Partnerin. Cezanne, Pissaro, Monet, Flaubert, Maupassant, die Gebrüder Concourt, fast die gesamte Künstlerelite jener Zeit besucht ihr Haus, man diskutiert über die neuesten Tendenzen in der Kunst und den neuesten Tratsch. Als Zola sich in das Kindermädchen Jeanne verliebt und Kinder mit ihr hat, zeigt sich die ganze Größe von Madame Zola. Trotz ihrer tiefen Verletzung kämpft sie in der Dreyfus-Affäre an der Seite ihres Mannes.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 02.08.1999

Trüffel für die Literaten
Über Evelyne Bloch-Danos Biographie der Madame Zola

"Den Fisch zuunterst in den Topf legen, mit Wasser bedecken und dazu Zwiebeln, Knoblauch, eine Prise Pfeffer, eine Tomate, ein halbes Glas Öl geben; dann den Topf auf das Feuer setzen . . ." Alexandrine war stolz auf ihre Bouillabaisse. Schon als sie noch Weißnäherin war und den Impressionisten in Les Batignolles Modell stand - sie nannte sich damals Gabrielle -, lobten die Freunde ihre Kochkunst. Über diese Jugendzeit ist wenig bekannt, Alexandrine hat die Spuren verwischt. Ihr wahres Leben sollte erst an der Seite Emile Zolas beginnen. Ihn vor allem hat sie bekocht, zuerst als Konkubine, dann als Gemahlin. Aber Liebe war es wohl nicht, was da durch den Magen ging: Das Geschlechtliche lag ihr fern. Auch nicht Geltungsdrang oder Habgier: Zola war arm und unbekannt, als sie sich den ein Jahr Jüngeren griff. War es Herrschsucht?

Der Donnerstag, wenn die Freunde - Flaubert, Goncourt, Maupassant, Turgenjew und manche andere - zu den Zolas kamen, war Alexandrines Tag. Einmal reichte sie, wie Zola es in "L'OEuvre" beschrieb, "eine Ochsenschwanzsuppe, Steinbarben vom Rost, Filet mit Steinpilzen, Ravioli auf italienische Art, Haselhühner aus Russland und einen Trüffelsalat; außerdem Kaviar und Kilki als Vorspeise, Eis mit gebrannten Mandelsplittern, einen kleinen ungarischen, smaragdgrünen Käse, Früchte, Gebäck". Dazu alten Bordeaux, Chambertin und zum Dessert Moselschaumwein, weil Champagner zu alltäglich gewesen wäre. Doch die Tafelgesellschaft blieb nicht immer friedlich. Es konnte passieren, dass Madame Zola ein Kompliment missverstand und zu kreischen begann. Oder die Gäste beleidigten sie unwissentlich, weil sie es über einem heftigen Kunst-Disput versäumten, die Köstlichkeiten, die sie in sich hineinstopften, gebührend zu würdigen. Die Folge war dann der "Zusammenbruch eines Diners", wie man ebenfalls in "L'OEuvre" nachlesen kann. Es kam auch vor, dass die Gäste, wenn sie das Haus verließen, in Lachen ausbrachen - sieben Gläser für sieben verschiedene Weine zu einem ländlichen Diner!

Diese Donnerstagsgesellschaften, sagt uns Madame Biographin, waren ein "Gemeinschaftswerk" von Alexandrine und Emile und "wichtig für die Entwicklung der zeitgenössischen Literatur". Das soll aber nicht heißen, dass die übrigen Tage der Woche für die leibliche und literarische Entwicklung ohne Bedeutung gewesen wären. Wie die Biographin weiß, waren "in diesem Milieu Literatur und Esskultur nicht voneinander zu trennen". Selbst wenn die Zolas Ferien machten (natürlich mit Personal), verrichteten beide ihren Dienst an der Kultur, er am Schreibtisch, sie in der Küche, wo sie "eine Menge auserlesener Schweinereien" zubereiten ließ, wie Zola einmal sagte. Dann setzten sie sich zu Tisch und schlemmten: Trüffelsalat, Trüffel in Perlhuhn, Trüffel in Portwein . . . Es sei hier daran erinnert, dass die Frauenforschung, die vor geraumer Zeit aufbrach, um den Beitrag der Frauen zur höheren Kultur zu ergründen, bisher zwar mancherlei ans Licht brachte, aber nicht immer das Erwünschte. Um so mehr sollten wir würdigen, was Evelyne Bloch-Dano am Beispiel der Madame Zola ermitteln konnte. Im siebzehnten Jahr ihrer Ehe wog Emile 96 Kilo und Alexandrine 80; er unterwarf sich jetzt einer Diät, sie aß 13 Jahre lang weiter und nahm zu.

Doch plötzlich kam die Katastrophe - völlig überraschend für Alexandrine, als sie es mit drei Jahren Verspätung erfuhr: Zola verliebte sich in Jeanne Rozerot, auch sie eine Weißnäherin, aber 28 Jahre jünger, und bekam von ihr zwei Kinder. Was hatte Alexandrine falsch gemacht? Nie verzieh sie ihm, dass er in dieser anderen, seiner wahren Familie, die er nur heimlich oder - später - mit Alexandrines Genehmigung besuchen konnte, glücklich war. (Nach Zolas Tod übertrug sie ihre tyrannische Fürsorge auf die beiden Kinder der Rivalin, stopfte sie mit Süßigkeiten voll und eignete sie sich immer mehr als die ihren an.) Leider erfahren wir nicht, was es bei Jeanne zu essen gab. Bei Zolas jedenfalls wurde weiter geschlemmt, obwohl Alexandrine ihrem treulosen Mann ansonsten das Leben zur Hölle machte. Auch die üblichen Diners für Freunde wurden fortgesetzt, und zum Abschluss der "Rougon-Macquart" bereitete Alexandrine 1893 ein Sommermenü für 200 Gäste vor: Melone, Lachsforelle in Kräutermayonnaise, Rinderfilet Richelieu, Kalbsnuss mit Spargelspitzen, gebratener junger Truthahn, Gemüsesalat, junges Rebhuhn in Trüffelpastete, Eis, Käse, Obst . . .

Dann kam für sie beide eine harte Zeit: die Dreyfus-Affäre. Emile musste nach England fliehen, Alexandrine litt, wenn sie ihn dort besuchte, unter der englischen Küche ("Alles wird ohne Butter und ohne Salz gekocht . . ., bis es jeden Geschmack verloren hat"). Zum Trost - für sich - schickte sie ihm viele Päckchen mit kleinen Leckerbissen. Als er endlich zurückkehren konnte, stand sie wieder in der Küche und betrieb ihre Selbstverwirklichung mit Trüffeln. Den Freunden, die ihnen nach Zolas "J'accuse" geblieben waren oder neu hinzukamen, servierte sie einmal Suppe, Gnocchi, gegrillten Lachs, Keule von Salzweide-Lämmern in Morchelragout, eisgekühlte Schinkenpastete, Trüffel in Portwein, gebratene Schnepfen, grünen Salat, heißen Kompott, Johannisbeereis . . .

Im Jahr 1901 war sie endlich reif für eine Diät. Sie aß fast nichts mehr, nur Makkaroni, Charlotte aus Äpfeln, mit Honig gesüßten Milchkaffee, ein Brötchen, ein winziges Hörnchen - unbeschadet so ehrwürdiger Rituale wie des "Wiedersehenessens", das sie immer dann auftischte, wenn sie von einer Reise heimgekehrt war: Austern, ein Eintopf, gut durchgekocht, und junges Rebhuhn. Als Zola starb, war sie 38 Jahre lang seine Frau gewesen. Sie blieb noch 23 Jahre seine Witwe und betreute den Leichnam wie den Nachlass ihres Mannes einschließlich seiner unehelichen Kinder. Diese wiederum schickten ihr in den Kriegsjahren Honig, Pilze und Würstchen nach Paris, denn sie aß noch immer gern, aber nicht mehr so viel.

Nachzutragen bleibt, dass die Biographin außer Speisefolgen noch einiges andere zu berichten weiß, Bekanntes und Gleichgültiges - mit unbeirrbarer Sympathie für ihre Heldin und deren Hang zum Ordinären, unter dem ihr Mann oft litt. Was Evelyne Bloch-Dano aber unter dem Deckel hält.

KARL MARKUS MICHEL.

Evelyne Bloch-Dano: "Madame Zola". Aus dem Französischen übersetzt von Sigrid Köppen. Artemis & Winkler Verlag, Düsseldorf 1999. 352 S., geb., 49,80 DM

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