Acht Mädchen und ein verwilderter Sommer: Kirsten Fuchs' wunderbarer Roman über die abenteuerliche Entdeckung der Freiheit.
Nur widerwillig fährt Charlotte Nowak, fünfzehn und sehr schüchtern, mit sieben anderen Mädchen ins Sommerferiencamp. Doch dort ist schnell alles anders als erwartet: Dinge verschwinden, und als eines Morgens die Gruppenleiterin ausrastet, flüchten die Mädchen, klauen ein Hundefängerauto samt Hunden und fahren ins Erzgebirge, wo eine von ihnen einen alten Stollen kennt. Hier schlagen sie sich durch immer freiere, immer aufregendere und schönere Sommertage zwischen Waldabenteuern und nächtlichen Streifzügen zu Supermarkt-Containern - und Charly Nowak merkt, dass sie nicht nur schüchtern ist. Doch plötzlich stoßen die Mädchen auf eine brisante DDRHinterlassenschaft, die Außenwelt holt sie ein, und dann kommt auch noch die erste Liebe. Charly muss das, was sie gerade an Mut und Freundschaft entdeckt hat, unter Beweis stellen ...
Mit hinreißender Direktheit und großer Wärme schildert Kirsten Fuchs Ängste und Hoffnungen und alles, was zu jeder neuentdeckten Freiheit dazugehört. Fuchs, für ihre beiden ersten Bücher von der Presse gefeiert, hat mit «Mädchenmeute» einen wunderbar reifen Roman geschrieben, der die großen Fragen des Lebens stellt - die wir am klarsten erkennen, wenn wir jung sind.
Nur widerwillig fährt Charlotte Nowak, fünfzehn und sehr schüchtern, mit sieben anderen Mädchen ins Sommerferiencamp. Doch dort ist schnell alles anders als erwartet: Dinge verschwinden, und als eines Morgens die Gruppenleiterin ausrastet, flüchten die Mädchen, klauen ein Hundefängerauto samt Hunden und fahren ins Erzgebirge, wo eine von ihnen einen alten Stollen kennt. Hier schlagen sie sich durch immer freiere, immer aufregendere und schönere Sommertage zwischen Waldabenteuern und nächtlichen Streifzügen zu Supermarkt-Containern - und Charly Nowak merkt, dass sie nicht nur schüchtern ist. Doch plötzlich stoßen die Mädchen auf eine brisante DDRHinterlassenschaft, die Außenwelt holt sie ein, und dann kommt auch noch die erste Liebe. Charly muss das, was sie gerade an Mut und Freundschaft entdeckt hat, unter Beweis stellen ...
Mit hinreißender Direktheit und großer Wärme schildert Kirsten Fuchs Ängste und Hoffnungen und alles, was zu jeder neuentdeckten Freiheit dazugehört. Fuchs, für ihre beiden ersten Bücher von der Presse gefeiert, hat mit «Mädchenmeute» einen wunderbar reifen Roman geschrieben, der die großen Fragen des Lebens stellt - die wir am klarsten erkennen, wenn wir jung sind.
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Schade, meint Rezensent Christian Metz nach der Lektüre von Kirsten Fuchs' drittem Roman "Mädchenmeute" - eigentlich kann diese Autorin wirklich pointenreich und unterhaltsam schreiben. Und auch wenn der Kritiker in diesem Roman ebenfalls einige witzige Szenen entdeckt, muss er doch gestehen, dass ihn das Buch enttäuscht hat. Denn die Geschichte um sieben pubertäre Mädchen, die die Sommerferien in einem Waldcamp verbringen und bald von einem Tornado gezwungen werden, sich selbst durchzuschlagen, erscheint dem Rezensenten nicht nur zu unrealistisch und zu dick aufgetragen, sondern auch "reaktionär": In der Waldschule lernen sie neben Kochen, Nahrungsmittelsuche und Heilen, schließlich auch noch Nachwuchspflege - denn Fuchs lässt ihnen rein zufällig sechs herrenlose Hunde über den Weg laufen. Bei so viel "Waldwurzelideologie" fragt sich der Kritiker, ob das wirklich alles ernst gemeint ist.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 17.03.2015Was für eine Art von Baumschule ist das denn?
Sagenhaftes Erzgebirge: Kirsten Fuchs schickt in ihrem neuen Roman eine "Mädchenmeute" auf den Holzweg.
Was für eine fatale Dreierbeziehung. Wann es zu dieser Ménage à trois gekommen ist, lässt sich schwer rekonstruieren. Zumal das Ganze schon abgemacht war, als zwei der drei Partner noch nicht einmal geboren waren. Wenigstens den Kuppler kennt man. Tacitus war's. Er hat mit seinem Bericht von der Varusschlacht den Wald, die Literatur und die nationale Identität der Deutschen unwiederbringlich vereint. In der deutschen Literatur hat die Frage "Willst du mir was vom Wald erzählen?" somit ungeheures Gewicht. Denn über das Geschick der Figuren hinaus stehen immer auch die nationale Identität und das Schicksal des Landes auf dem Spiel. Im literarischen Wald wird Staat gemacht.
In dieser Tradition steht Kirsten Fuchs mit ihrem nunmehr dritten Roman "Mädchenmeute". Sie verpflanzt acht pubertäre Mädchen für zwei Wochen der Sommerferien in ein Waldcamp. Die eine mit dem Smartphone hält es dort nicht aus, da sind es nur noch sieben. Über die verflixten Sieben bricht schon in den ersten 24 Stunden des Aufenthalts ein Tornado des Unheimlichen und Rätselhaften herein. Kurzerhand beschließen die Mädchen, aus dem Camp zu fliehen und auf eigene Faust in einen anderen Wald zu ziehen. Die Wahl fällt, weil eines der Mädchen dorther kommt, auf das Erzgebirge. Auf dem Weg dorthin reist die Gruppe zunächst hübsch geordnet mit der Bahn, bevor sie auf einen gestohlenen Hundetransporter umsteigt.
Irgendwo im Nirgendwo des Waldes angekommen, beziehen die Mädchen gemeinsam eine Höhle. Mit dem Einzug gründen sie ihren Staat im Staat. Mit diesem Akt reiht der Roman sich in eine zweite, ehrwürdige Traditionslinie ein. Schon in Aristophanes' antiker Komödie "Weibervolksversammlung" nehmen die trickreichen Frauen den Platz der Staatsmänner ein. Weibliche Haushaltsführung ersetzt männliches Regierungsversagen. Die Mädchen hier weichen den normativen Ordnungen in den Wald aus. Zugleich treten sie somit in die Fußstapfen der Bergmänner, die früher an diesem Ort gearbeitet haben. Wie abgründig es um ihre neue Heimat steht, spiegelt sich in der Physiognomie der Landschaft wider. Zwei dunkle, nur durch einen schmalen Grat getrennte Höhleneingänge starren aus der Schattenwelt des Waldes. Die Mädchen beziehen die rechte Augenhöhle dieses Stein gewordenen Totenschädels.
So viel Symbolkraft weckt Erwartungen. Aber Fuchs' Staatsutopie bleibt inkonsistent und irritierend reaktionär: Das beginnt mit der Reiseroute der Mädchen. Der Zug, den die Mädchen vom Camp aus nehmen, hält in Berlin. Kirsten Fuchs aber lässt die Gruppe demonstrativ an der Partymetropole vorbeifahren. Totenschädelhöhle statt Nachtleben lautet die Devise. Angeblich sind die Mädchen im Buchenhain besser aufgehoben als im Club Berghain. Klingt aus Elternperspektive vielleicht einleuchtend, aber ist eine solche Waldwurzelideologie wirklich adäquat? Im Wald soll das Wesen der Mädchen genesen? Das soll hoffentlich nicht so ernst gemeint sein, wie es erzählt wird.
Auch das angeblich so neue Staatswesen im Wald wirkt seltsam unzeitgemäß. Einmal abgesehen von der Obrigkeitshörigkeit der Mädchen gegenüber der charismatischen Bea, tut der Roman stoisch so, als habe er den Begriff "Baumschule" grundlegend missverstanden. Es wirkt, als müsste der Wald die Mädchen erziehen. Und was lehrt sie das Waldleben nicht alles: häusliches Einrichten, Nahrungsmittelsuche (nicht Jagd!), Kochen, Heilen, Konfliktvermeidung und - dafür ist sich der Roman tatsächlich nicht zu schade - Pflege des Nachwuchses. Im gestohlenen Transporter nämlich warteten sechs Hunde, die jetzt mütterlich umsorgt werden wollen. Der Wald als Hauswirtschaftsschule und Vorbereitung der perfekten Hausfrau, na bestens.
Erzählerin der Geschichte ist übrigens eines der beteiligten Mädchen, die fünfzehnjährige Charlotte Nowak. Charly, wie sie genannt wird, entspricht nach eigener Aussage dem Typus "Leuchtturm": sehr groß, aufmerksame Beobachterin, aber so schüchtern, dass sie nur in Notfällen einen Laut von sich gibt - und dann sofort knallrot wird. Aus dieser pubertären Verwachsung muss die androgyne Charly befreit werden. Dafür reicht die Waldschule aber nicht aus. Dazu braucht es nach dem Konzept dieses Romans schon noch einen smarten Jungen. Und tatsächlich gibt sich Charlotte, nach der Selbstbehauptung im Wald aufgeregt zitternd, den starken Armen und dem Geschenk der Liebe hin. Ihren ersten Kuss bekommt sie - man mag sich gar nicht vorstellen, wenn Mädchen jetzt auch noch selbst aktiv küssen würden! Was für ein fataler Rückfall in die Stereotype der vermeintlich passiven Frau. Programmatisch befindet sich dieser Waldroman auf dem Holzweg. Und was ist mit den Lesern, die von Literatur nichts anderes wollen als einfach nur eine gut erzählte Geschichte? Wenn einen nicht stört, dass sich nach dem Verschwinden der Mädchen zwar die Medienberichte überschlagen, aber nicht einmal eine Großfahndung angesetzt wird, und wenn man gelassen hinnimmt, dass in der Phase zwischen Höhlenankunft und Rätsellösung über knapp 150 Seiten nicht gerade die Hölle los ist, dann treten die Stärken des Romans in den Vordergrund. Kirsten Fuchs ist eine Meisterin in der Konstruktion einzelner Szenen und komischer Pointen. Schlagfertig, schnodderig, krawallig gehen daher auch die Mädchen miteinander um: "Sag mal, versuchst du, witzig zu sein? Versuch mal lieber, scheiße zu sein. Das könnte dir ganz gut gelingen", heißt es da. Harte Worte und ruppiger Charme aus der Waldschule, die umso schmerzlicher nachklingen, wenn zuletzt doch wieder nur Herzchen in die Rinde geschnitzt werden.
CHRISTIAN METZ
Kirsten Fuchs: "Mädchenmeute". Roman.
Rowohlt Berlin Verlag,
Berlin 2015. 464 S., geb., 19,95 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Sagenhaftes Erzgebirge: Kirsten Fuchs schickt in ihrem neuen Roman eine "Mädchenmeute" auf den Holzweg.
Was für eine fatale Dreierbeziehung. Wann es zu dieser Ménage à trois gekommen ist, lässt sich schwer rekonstruieren. Zumal das Ganze schon abgemacht war, als zwei der drei Partner noch nicht einmal geboren waren. Wenigstens den Kuppler kennt man. Tacitus war's. Er hat mit seinem Bericht von der Varusschlacht den Wald, die Literatur und die nationale Identität der Deutschen unwiederbringlich vereint. In der deutschen Literatur hat die Frage "Willst du mir was vom Wald erzählen?" somit ungeheures Gewicht. Denn über das Geschick der Figuren hinaus stehen immer auch die nationale Identität und das Schicksal des Landes auf dem Spiel. Im literarischen Wald wird Staat gemacht.
In dieser Tradition steht Kirsten Fuchs mit ihrem nunmehr dritten Roman "Mädchenmeute". Sie verpflanzt acht pubertäre Mädchen für zwei Wochen der Sommerferien in ein Waldcamp. Die eine mit dem Smartphone hält es dort nicht aus, da sind es nur noch sieben. Über die verflixten Sieben bricht schon in den ersten 24 Stunden des Aufenthalts ein Tornado des Unheimlichen und Rätselhaften herein. Kurzerhand beschließen die Mädchen, aus dem Camp zu fliehen und auf eigene Faust in einen anderen Wald zu ziehen. Die Wahl fällt, weil eines der Mädchen dorther kommt, auf das Erzgebirge. Auf dem Weg dorthin reist die Gruppe zunächst hübsch geordnet mit der Bahn, bevor sie auf einen gestohlenen Hundetransporter umsteigt.
Irgendwo im Nirgendwo des Waldes angekommen, beziehen die Mädchen gemeinsam eine Höhle. Mit dem Einzug gründen sie ihren Staat im Staat. Mit diesem Akt reiht der Roman sich in eine zweite, ehrwürdige Traditionslinie ein. Schon in Aristophanes' antiker Komödie "Weibervolksversammlung" nehmen die trickreichen Frauen den Platz der Staatsmänner ein. Weibliche Haushaltsführung ersetzt männliches Regierungsversagen. Die Mädchen hier weichen den normativen Ordnungen in den Wald aus. Zugleich treten sie somit in die Fußstapfen der Bergmänner, die früher an diesem Ort gearbeitet haben. Wie abgründig es um ihre neue Heimat steht, spiegelt sich in der Physiognomie der Landschaft wider. Zwei dunkle, nur durch einen schmalen Grat getrennte Höhleneingänge starren aus der Schattenwelt des Waldes. Die Mädchen beziehen die rechte Augenhöhle dieses Stein gewordenen Totenschädels.
So viel Symbolkraft weckt Erwartungen. Aber Fuchs' Staatsutopie bleibt inkonsistent und irritierend reaktionär: Das beginnt mit der Reiseroute der Mädchen. Der Zug, den die Mädchen vom Camp aus nehmen, hält in Berlin. Kirsten Fuchs aber lässt die Gruppe demonstrativ an der Partymetropole vorbeifahren. Totenschädelhöhle statt Nachtleben lautet die Devise. Angeblich sind die Mädchen im Buchenhain besser aufgehoben als im Club Berghain. Klingt aus Elternperspektive vielleicht einleuchtend, aber ist eine solche Waldwurzelideologie wirklich adäquat? Im Wald soll das Wesen der Mädchen genesen? Das soll hoffentlich nicht so ernst gemeint sein, wie es erzählt wird.
Auch das angeblich so neue Staatswesen im Wald wirkt seltsam unzeitgemäß. Einmal abgesehen von der Obrigkeitshörigkeit der Mädchen gegenüber der charismatischen Bea, tut der Roman stoisch so, als habe er den Begriff "Baumschule" grundlegend missverstanden. Es wirkt, als müsste der Wald die Mädchen erziehen. Und was lehrt sie das Waldleben nicht alles: häusliches Einrichten, Nahrungsmittelsuche (nicht Jagd!), Kochen, Heilen, Konfliktvermeidung und - dafür ist sich der Roman tatsächlich nicht zu schade - Pflege des Nachwuchses. Im gestohlenen Transporter nämlich warteten sechs Hunde, die jetzt mütterlich umsorgt werden wollen. Der Wald als Hauswirtschaftsschule und Vorbereitung der perfekten Hausfrau, na bestens.
Erzählerin der Geschichte ist übrigens eines der beteiligten Mädchen, die fünfzehnjährige Charlotte Nowak. Charly, wie sie genannt wird, entspricht nach eigener Aussage dem Typus "Leuchtturm": sehr groß, aufmerksame Beobachterin, aber so schüchtern, dass sie nur in Notfällen einen Laut von sich gibt - und dann sofort knallrot wird. Aus dieser pubertären Verwachsung muss die androgyne Charly befreit werden. Dafür reicht die Waldschule aber nicht aus. Dazu braucht es nach dem Konzept dieses Romans schon noch einen smarten Jungen. Und tatsächlich gibt sich Charlotte, nach der Selbstbehauptung im Wald aufgeregt zitternd, den starken Armen und dem Geschenk der Liebe hin. Ihren ersten Kuss bekommt sie - man mag sich gar nicht vorstellen, wenn Mädchen jetzt auch noch selbst aktiv küssen würden! Was für ein fataler Rückfall in die Stereotype der vermeintlich passiven Frau. Programmatisch befindet sich dieser Waldroman auf dem Holzweg. Und was ist mit den Lesern, die von Literatur nichts anderes wollen als einfach nur eine gut erzählte Geschichte? Wenn einen nicht stört, dass sich nach dem Verschwinden der Mädchen zwar die Medienberichte überschlagen, aber nicht einmal eine Großfahndung angesetzt wird, und wenn man gelassen hinnimmt, dass in der Phase zwischen Höhlenankunft und Rätsellösung über knapp 150 Seiten nicht gerade die Hölle los ist, dann treten die Stärken des Romans in den Vordergrund. Kirsten Fuchs ist eine Meisterin in der Konstruktion einzelner Szenen und komischer Pointen. Schlagfertig, schnodderig, krawallig gehen daher auch die Mädchen miteinander um: "Sag mal, versuchst du, witzig zu sein? Versuch mal lieber, scheiße zu sein. Das könnte dir ganz gut gelingen", heißt es da. Harte Worte und ruppiger Charme aus der Waldschule, die umso schmerzlicher nachklingen, wenn zuletzt doch wieder nur Herzchen in die Rinde geschnitzt werden.
CHRISTIAN METZ
Kirsten Fuchs: "Mädchenmeute". Roman.
Rowohlt Berlin Verlag,
Berlin 2015. 464 S., geb., 19,95 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Das Buch ist bombe. taz
Kirsten Fuchs schreibt zart und ruppig, einfühlsam und pointiert, und die Figuren sprechen und handeln so echt und liebenswert, dass man sie schon nach wenigen Seiten nicht mehr hergeben will. RBB Kulturradio
"Kirsten Fuchs ... schreibt zart und ruppig, einfühlsam und pointiert, und die Figuren sprechen und handeln so echt und liebenswert, dass man sie schon nach wenigen Seiten nicht mehr hergeben will."