Ein Bordell wird überfallen, eine Frau getötet, und alle Zeugen schweigen.
In einem Dortmunder Bordell feiern mehrere EU-Beamte ausgelassen. Plötzlich fallen Schüsse. Die russische Prostituierte Anastasija wird getötet, ihre Freundin Dajana verletzt. Noch bevor die Polizei eintrifft, verschwinden die Zuhälter mit der Verletzten. Auch die Freier, die Hals über Kopf geflüchtet sind, haben wenig Interesse, sich bei den Behörden zu melden. Die Ermittlungen geraten deshalb schnell ins Stocken. Doch Kommissar Steiger gibt nicht auf, zumal dieser Fall ihn persönlich mehr berührt als gewöhnlich: Seine langjährige Geliebte, die Prostituierte Eva, wurde bei dem Überfall ebenfalls schwer verletzt ...
In einem Dortmunder Bordell feiern mehrere EU-Beamte ausgelassen. Plötzlich fallen Schüsse. Die russische Prostituierte Anastasija wird getötet, ihre Freundin Dajana verletzt. Noch bevor die Polizei eintrifft, verschwinden die Zuhälter mit der Verletzten. Auch die Freier, die Hals über Kopf geflüchtet sind, haben wenig Interesse, sich bei den Behörden zu melden. Die Ermittlungen geraten deshalb schnell ins Stocken. Doch Kommissar Steiger gibt nicht auf, zumal dieser Fall ihn persönlich mehr berührt als gewöhnlich: Seine langjährige Geliebte, die Prostituierte Eva, wurde bei dem Überfall ebenfalls schwer verletzt ...
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 13.04.2015Ein Schalke-Fan im Kampf gegen die Routine
Krimis in Kürze: Neue Mordfälle von den Südstaaten bis Philadelphia und von Tijuana bis Dortmund
Einer der dürftigsten Einwändegegen ein Buch ist, es sei zu dick. Und wenn es sich, wie bei Greg Iles' "Natchez Burning" (Rütten & Loening, Berlin 2015, 1008 S., geb., 22,99 [Euro]), auch noch um den tausendseitigen Auftakt einer Trilogie handelt, ist die Lektüre für viele schon a priori beendet - als seien hundertfünfzig öde besser als fünfhundert spannende Seiten, als habe nicht jeder Roman seine eigene Zeitrechnung und jeder Leser seinen eigenen Wahrnehmungsrhythmus.
Iles' Buch ist ein Südstaatenroman, der von Ku-Klux-Klan, Rassenhass und bestialischen Morden in den sechziger Jahren erzählt und von den blutigen Nachwehen, die bis ins Jahr 2005 reichen. Es gibt zwar auch einen Ich-Erzähler, den aus früheren Iles-Romanen bekannten Juristen Penn Cage, inzwischen Bürgermeister von Natchez, aber die Geschichte ist so ausladend, mit so vielen Personen und Schauplätzen bestückt, dass ein Erzähler nicht ausreichte - wobei schon sehr eigenartig ist, dass es nicht eine einzige afroamerikanische Perspektive auf das Geschehen gibt. Und inmitten der epischen Verstrickungen geht es um die elementaren Dinge: Väter und Söhne, Familiengeheimnisse, Verbrechen und Rache.
Das ist spannend und voller gut gesetzter Cliffhanger, doch das verführerische Versprechen, hier komme "der neue Faulkner für die Breaking-Bad-Generation", kann der Roman nicht annähernd einlösen. Nicht, weil er zu lang wäre, sondern weil es ihm einfach nicht gelingt, seine Charaktere auf dieser langen Reise von groben Typen und Repräsentanten zu vertrauten, unverwechselbaren Individuen werden zu lassen.
Auch im Süden, in der mexikanischen Grenzstadt Tijuana und in der Umgebung von San Diego, spielt "Angel Baby" von Richard Lange (Heyne, München 2015, 352 S., br., 9,99 [Euro]). Natürlich hat das Drogenkartell hier seine Finger im Spiel. Luz, die das Tattoo "Angel Baby" im Nacken trägt, ist die Geliebte des örtlichen Kartellstatthalters Rolando. Aber Bandenkriege und korrupte Politiker spielen im Vergleich zu den Romanen von Don Winslow nur eine geringe Rolle. Hier geht es um Fluchthilfe, illegale Einwanderung und den Profit, der darin steckt. So gerät Luz, die aus ihrem goldenen Käfig flieht, weil sie ihre Tochter in Los Angeles sehen will, an den runtergekommenen Malone, der säuft, seit seine Tochter ums Leben gekommen ist, und der sich ein paar Dollars verdient, indem er Flüchtlinge im Kofferraum über die Grenze bringt.
Seine Leitmotivik setzt Lange etwas zu schematisch und zu routiniert ein, manche Entwicklung wird deshalb zu absehbar, weil alles nur um verlorene/bedrohte Kinder und leidende Elternteile kreist. Aber es gibt doch ein paar Plotwindungen, die überraschen, zudem kennt sich Lange beiderseits der Grenze so gut aus, dass seine Streifzüge durch die Milieus mitunter eine fast dokumentarische Härte bekommen.
Noch einmal Amerika, Yankee-Land diesmal, Philadelphia. Und Pete Dexter, um dessen Bücher sich der Liebeskind-Verlag seit Jahren verdient macht, ist auch eine andere Gewichtsklasse. "Unter Brüdern" (Liebeskind, München 2015, 315 S., geb., 19,90 [Euro]), im Original 1991 erschienen, ist Noir-Literatur, wie man sich das wünscht. Harte irische Gewerkschafter im Konflikt mit italienischen Mafiosi im Philadelphia der frühen sechziger Jahre. Zugleich die Coming-of-age-Geschichte eines Jungen namens Peter Flood, den der Roman dann über mehr als zwei Jahrzehnte begleitet. Wie immer bei Dexter imponiert die lakonische, klare Sprache.
Eine Prosa, die zur Story passt: Da geht einer seinen Weg, es gibt kaum Abzweigungen, keine Kreuzung, schon gar keine Umkehr, vielleicht ein kurzes Innehalten. Und inmitten dieser Unerbittlichkeit ist der Erzähler nicht teilnahmslos kalt. Da ist eine stille Anteilnahme mit jenem, der, dem Genre entsprechend, seinem Schicksal nicht entgeht.
Zum Schluss noch ein kleiner Abstecher nach Dortmund. Norbert Horst, der Kommissar, der Polizeiromane schreibt, ist einer, für dessen Bücher man gerne ein Dutzend "Tatort"-Folgen hergäbe. Dass er weiß, wovon er spricht, ist trivial; wie er davon spricht, in dieser staubtrockenen, spröden Sprache, die zum Ruhrgebiet und auch zu Horsts Heimat Ostwestfalen gehört, wie er dabei alle betuliche Pütt-Folklore vermeidet, das ist ziemlich gekonnt. "Mädchenware" (Goldmann Verlag, München 2015, 352 S., br., 8,99 [Euro]) schickt wieder Kommissar Thomas Adam, nach dem Beruf seines Vaters "Steiger" genannt, in den Ring, in den Kampf gegen die Trägheit der Routine, gegen Rumänen, Bulgaren und ein bisschen auch gegen sich selbst, weil Steiger eine Prostituierte, die beim blutigen Überfall auf ein Bordell verletzt wurde, besser kennt, als es der Polizei gefällt.
Gerade weil Horst der Alltag, die Polizeiarbeit so vertraut ist, muss er ihn nicht umständlich ausbreiten. Es geht kompakt und mit gutem Tempo voran. Und dass Norbert Horst James Ellroy schätzt, hat ihn zum Glück nicht dazu verführt, dessen Stakkato-Stil ins Revier zu importieren. Sein Steiger hat es sowieso schon schwer genug. Er ist Schalke-Fan mitten in Dortmund.
PETER KÖRTE
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Krimis in Kürze: Neue Mordfälle von den Südstaaten bis Philadelphia und von Tijuana bis Dortmund
Einer der dürftigsten Einwändegegen ein Buch ist, es sei zu dick. Und wenn es sich, wie bei Greg Iles' "Natchez Burning" (Rütten & Loening, Berlin 2015, 1008 S., geb., 22,99 [Euro]), auch noch um den tausendseitigen Auftakt einer Trilogie handelt, ist die Lektüre für viele schon a priori beendet - als seien hundertfünfzig öde besser als fünfhundert spannende Seiten, als habe nicht jeder Roman seine eigene Zeitrechnung und jeder Leser seinen eigenen Wahrnehmungsrhythmus.
Iles' Buch ist ein Südstaatenroman, der von Ku-Klux-Klan, Rassenhass und bestialischen Morden in den sechziger Jahren erzählt und von den blutigen Nachwehen, die bis ins Jahr 2005 reichen. Es gibt zwar auch einen Ich-Erzähler, den aus früheren Iles-Romanen bekannten Juristen Penn Cage, inzwischen Bürgermeister von Natchez, aber die Geschichte ist so ausladend, mit so vielen Personen und Schauplätzen bestückt, dass ein Erzähler nicht ausreichte - wobei schon sehr eigenartig ist, dass es nicht eine einzige afroamerikanische Perspektive auf das Geschehen gibt. Und inmitten der epischen Verstrickungen geht es um die elementaren Dinge: Väter und Söhne, Familiengeheimnisse, Verbrechen und Rache.
Das ist spannend und voller gut gesetzter Cliffhanger, doch das verführerische Versprechen, hier komme "der neue Faulkner für die Breaking-Bad-Generation", kann der Roman nicht annähernd einlösen. Nicht, weil er zu lang wäre, sondern weil es ihm einfach nicht gelingt, seine Charaktere auf dieser langen Reise von groben Typen und Repräsentanten zu vertrauten, unverwechselbaren Individuen werden zu lassen.
Auch im Süden, in der mexikanischen Grenzstadt Tijuana und in der Umgebung von San Diego, spielt "Angel Baby" von Richard Lange (Heyne, München 2015, 352 S., br., 9,99 [Euro]). Natürlich hat das Drogenkartell hier seine Finger im Spiel. Luz, die das Tattoo "Angel Baby" im Nacken trägt, ist die Geliebte des örtlichen Kartellstatthalters Rolando. Aber Bandenkriege und korrupte Politiker spielen im Vergleich zu den Romanen von Don Winslow nur eine geringe Rolle. Hier geht es um Fluchthilfe, illegale Einwanderung und den Profit, der darin steckt. So gerät Luz, die aus ihrem goldenen Käfig flieht, weil sie ihre Tochter in Los Angeles sehen will, an den runtergekommenen Malone, der säuft, seit seine Tochter ums Leben gekommen ist, und der sich ein paar Dollars verdient, indem er Flüchtlinge im Kofferraum über die Grenze bringt.
Seine Leitmotivik setzt Lange etwas zu schematisch und zu routiniert ein, manche Entwicklung wird deshalb zu absehbar, weil alles nur um verlorene/bedrohte Kinder und leidende Elternteile kreist. Aber es gibt doch ein paar Plotwindungen, die überraschen, zudem kennt sich Lange beiderseits der Grenze so gut aus, dass seine Streifzüge durch die Milieus mitunter eine fast dokumentarische Härte bekommen.
Noch einmal Amerika, Yankee-Land diesmal, Philadelphia. Und Pete Dexter, um dessen Bücher sich der Liebeskind-Verlag seit Jahren verdient macht, ist auch eine andere Gewichtsklasse. "Unter Brüdern" (Liebeskind, München 2015, 315 S., geb., 19,90 [Euro]), im Original 1991 erschienen, ist Noir-Literatur, wie man sich das wünscht. Harte irische Gewerkschafter im Konflikt mit italienischen Mafiosi im Philadelphia der frühen sechziger Jahre. Zugleich die Coming-of-age-Geschichte eines Jungen namens Peter Flood, den der Roman dann über mehr als zwei Jahrzehnte begleitet. Wie immer bei Dexter imponiert die lakonische, klare Sprache.
Eine Prosa, die zur Story passt: Da geht einer seinen Weg, es gibt kaum Abzweigungen, keine Kreuzung, schon gar keine Umkehr, vielleicht ein kurzes Innehalten. Und inmitten dieser Unerbittlichkeit ist der Erzähler nicht teilnahmslos kalt. Da ist eine stille Anteilnahme mit jenem, der, dem Genre entsprechend, seinem Schicksal nicht entgeht.
Zum Schluss noch ein kleiner Abstecher nach Dortmund. Norbert Horst, der Kommissar, der Polizeiromane schreibt, ist einer, für dessen Bücher man gerne ein Dutzend "Tatort"-Folgen hergäbe. Dass er weiß, wovon er spricht, ist trivial; wie er davon spricht, in dieser staubtrockenen, spröden Sprache, die zum Ruhrgebiet und auch zu Horsts Heimat Ostwestfalen gehört, wie er dabei alle betuliche Pütt-Folklore vermeidet, das ist ziemlich gekonnt. "Mädchenware" (Goldmann Verlag, München 2015, 352 S., br., 8,99 [Euro]) schickt wieder Kommissar Thomas Adam, nach dem Beruf seines Vaters "Steiger" genannt, in den Ring, in den Kampf gegen die Trägheit der Routine, gegen Rumänen, Bulgaren und ein bisschen auch gegen sich selbst, weil Steiger eine Prostituierte, die beim blutigen Überfall auf ein Bordell verletzt wurde, besser kennt, als es der Polizei gefällt.
Gerade weil Horst der Alltag, die Polizeiarbeit so vertraut ist, muss er ihn nicht umständlich ausbreiten. Es geht kompakt und mit gutem Tempo voran. Und dass Norbert Horst James Ellroy schätzt, hat ihn zum Glück nicht dazu verführt, dessen Stakkato-Stil ins Revier zu importieren. Sein Steiger hat es sowieso schon schwer genug. Er ist Schalke-Fan mitten in Dortmund.
PETER KÖRTE
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
»Norbert Horst, der Kommissar, der Polizeiromane schreibt, ist einer, für dessen Bücher man gerne ein Dutzend Tatort-Folgen hergäbe.« Frankfurter Allgemeine Zeitung