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Keiner schreibt über private Katastrophen so diskret und behutsam wie Per Petterson - sein bestes Buch nach "Pferde stehlen"
Arvid Jansens Ehe ist gescheitert, seine Frau mit den drei Töchtern auf und davon. Sie findet neue Freunde, er nennt sie nur "die Farbenfrohen", und er bleibt allein. Auch seine Kinder entgleiten ihm immer mehr. Arvids Weg führt steil nach unten, er scheitert als Mann, als Vater, bis er wieder zu sich kommt und seine Verantwortung für die große Tochter erkennt, die am meisten unter der Scheidung leidet. Wenn Per Petterson die Konflikte und den existentiellen Schmerz…mehr

Produktbeschreibung
Keiner schreibt über private Katastrophen so diskret und behutsam wie Per Petterson - sein bestes Buch nach "Pferde stehlen"

Arvid Jansens Ehe ist gescheitert, seine Frau mit den drei Töchtern auf und davon. Sie findet neue Freunde, er nennt sie nur "die Farbenfrohen", und er bleibt allein. Auch seine Kinder entgleiten ihm immer mehr. Arvids Weg führt steil nach unten, er scheitert als Mann, als Vater, bis er wieder zu sich kommt und seine Verantwortung für die große Tochter erkennt, die am meisten unter der Scheidung leidet. Wenn Per Petterson die Konflikte und den existentiellen Schmerz dieses Mannes beschreibt, entsteht große Literatur voll Melancholie und Zärtlichkeit.
Autorenporträt
Per Petterson, 1952 in Oslo geboren, ist einer der erfolgreichsten Schriftsteller Norwegens. Seine Bücher erscheinen in zahlreichen Sprachen, für seinen Roman Pferde stehlen (2006) wurde er mit dem Independent Foreign Fiction Prize ausgezeichnet. Bei Hanser erschienen außerdem die Romane Sehnsucht nach Sibirien (1999), Im Kielwasser (2007), Ich verfluche den Fluss der Zeit (2009), für das Petterson den bedeutendsten norwegischen Literaturpreis, den Brage-Preis, den Norwegischen Kritikerpreis und den Preis des Nordischen Rats erhielt, sowie Ist schon in Ordnung (2011), Nicht mit mir (2014) und Männer in meiner Lage (2019).
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 02.10.2019

Eigentlich hat es schon vorher angefangen

Der Norweger Per Petterson schickt in "Männer in meiner Lage" abermals seinen Stuntman Arvid Jansen auf die Romanbühne.

Arvid Jansen war Ende dreißig, als seine Frau Turid und er zu "Magneten mit identischen Polen" wurden, die "zueinander zeigten". Sowas ist gar nicht gut. Er konnte sich "auf sie stürzen und im selben Moment aus dem Schlafzimmer geschleudert werden" und schlief bald lieber auf dem Beifahrersitz des champagnerfarbenen Mazda vor dem Haus.

Dann zog Turid mitsamt den Kindern davon. Für Arvid war es der zweite Schicksalsschlag innerhalb kürzester Zeit. Ein Jahr vor der Trennung, am 6. April 1990, war eine Fähre namens "Scandinavian Star" von Oslo ins dänische Frederikshavn unterwegs, an Bord waren Jansens Eltern sowie zwei Brüder, und sie zählten zu den 159 Menschen, die das Feuer nicht überlebten.

Es ist die Ratlosigkeit nach dem Auseinanderbrechen der Ehe, die der Ich-Erzähler in Per Pettersons Roman "Männer in meiner Lage" schildert. Und seine Leser wissen: Arvid Jansen ist Pettersons Alter Ego. Oder wie Petterson es in Interviews sagt: Arvid ist sein "Stuntman". Der Begriff "Alter Ego" sei falsch, weil Jansen Dinge erleben kann, die Petterson niemals erlebte. Strenggenommen gibt es sogar kleine Unterschiede zwischen dem Jansen in dem einen und dem Jansen in anderen Büchern.

Dieser "Stuntman" kam bereits vor dem Schiffsbrand, bei dem der Autor Per Petterson tatsächlich vier Familienmitglieder verlor, in einem Erzählband und einem Roman über die Kindheit Arvid Jansens zum Einsatz. Aber die beiden Erstlinge sind auf Deutsch nicht erhältlich. Wir kennen Jansen vor allem aus Pettersons kunstfertigem Verarbeitungsversuch "Im Kielwasser", der sechs Jahre nach dem Brand spielt und ein Vater-Sohn-Roman ist, während "Ich verfluche den Fluss der Zeit", ein ebenfalls begeistert aufgenommenes Buch, von der krebskranken Mutter Jansens 1989 erzählt.

"Männer in meiner Lage" ist ein Trennungs-Roman. Arvid Jansen wird im April 1992 von seiner Verflossenen um Hilfe gebeten, der es nicht gutzugehen scheint, er erinnert sich an die Monate seit dem Auseinanderbrechen der Ehe, stößt entsetzt auf einen nie übergebenen Brief, der ihm klarmacht, was ihm eigentlich schon klar war: dass Turid sich schon vor dem Fährfeuer 1990 von ihm trennen wollte. "Eines Morgens bin ich aufgewacht und hatte Dich nicht mehr lieb". Und nebenher blitzen kurz Figuren auf wie Arvids Kumpel Audun, Protagonist des von einer Jugend in den Sechzigern erzählenden Romans "Ist schon in Ordnung", oder Trond Sander aus Pettersons Beststeller "Pferde stehlen".

Zugleich schrieb Per Petterson aber auch einen Oslo-Roman. Das macht das Buch aus: Arvid sucht nach der Trennung Zuflucht bei allerlei Frauen, die er in den Kneipen aufgabelt, sie sind überraschend leicht für eine Nacht zu gewinnen, bei der ersten spielt er "die höchste Karte aus, die ich auf der Hand hatte: Der Tod war meine Königin, der Tod war mein Ass". Und so führen ihn die angenehm unprätentiös beschriebenen One-Night-Stands (Petterson ist ein Meister der Auslassung) ebenso wie seine unentwegten Autotouren ("Im letzten Jahr habe ich es als Doping benutzt") an die verschiedensten Adressen innerhalb und außerhalb der Stadt. Es hagelt Ortsangaben, manchmal mit und manchmal ohne prägnante Beschreibung, während der Text in der gewohnt parataktischen Manier Pettersons vor sich hinfließt.

Das Ganze unterstreicht natürlich die Entwurzelung Jansens, und je mehr er sich auf dem Stadtplan bewegt, umso regungsloser scheint Arvid tief drinnen zu sein. Er ist einsam und ratlos, leer und planlos, er ist derart verunsichert, dass er sich daheim aus Angst vor Einbrechern ein Küchenmesser neben das Sofa legt, und in dieser Situation ist er nicht bloß unfähig, sein großes Buchvorhaben, einen Fabrikarbeiter-Roman, zu vollenden: Er scheitert auch darin, etwas aus den raren Stunden mit seinen Kindern zu machen, merkt viel zu spät, wie sehr die älteste Tochter ihn braucht - das ist der Fluchtpunkt des, nun ja, Plots.

Entsprechend melancholisch ziehen die Szenen an uns vorbei, still wie die Landschaft bei einer dieser Autofahrten. Per Petterson ist nicht Nina Lykke, die unlängst mit "Aufruhr in mittleren Jahren" einen schwarzhumorigen Lebenskrisenroman über die Midlife-Crisis einer Lehrerin in Oslo schrieb (auch die zog ins Auto). Er erzählt leise und verhalten von einem Mann, der sich neu verorten und den Schmerz rauslassen muss, was Arvid Jansen bei einer denkwürdigen - es heißt zu Recht: "disneyreifen" - Begegnung mit einem Pferd und nach dem Schäferstündchen mit der Richtigen dann auch gelingt. "Männer in meiner Lage" ist das menschenfreundliche Porträt eines Manns in der Krise.

Ob es der beste Roman seit "Pferde stehlen" ist, wie es in Norwegen hieß, sei dahingestellt; "Ich verfluche den Fluss der Zeit" kam noch danach, und das neue Werk hat schon seine Längen. Aber er ist abermals klug und ohne Schnörkel geschrieben, und der Plural im Titel deutet ganz richtig darauf, dass Arvid mehr ist als ein Stuntman für den Schriftsteller Per Petterson: Er ist ein Stuntman für alle in seiner Lage. Gibt es die überhaupt, und steht einer Verallgemeinerung nicht die Sache mit der Fähre entgegen? Man ersetze den Fährenbrand mit Familienangehörigen, die aus anderen, weniger spektakulären Gründen verstorben sind, und übrig bleibt die verletzliche Seele eines normalen Menschen. Und überhaupt: "Ich habe Ihre Bücher gelesen, sagte sie. Die gefallen mir. Aber warum sind sie so traurig. Ich weiß es nicht, sagte ich, sie werden einfach so, das kann ich nicht wirklich steuern. Das war der Schiffsbrand, oder, sagte sie. Ich bin mir nicht sicher, sagte ich, eigentlich hat es schon vorher angefangen."

MATTHIAS HANNEMANN

Per Petterson: "Männer in meiner Lage". Roman.

Aus dem Norwegischen von Ina Kronenberger. Carl Hanser Verlag, München 2019. 288 S., geb., 22,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 02.12.2019

Die Falltür
unter mir
Oh, Mann: Per Petterson und
die Geschichte seines Alter Ego
Fast könnte man meinen, der Norweger Per Petterson hätte für seinen neuen Roman bewusst den Titel zur allgemein ausgerufenen Krise der Männlichkeit gewählt: „Männer in meiner Lage“ klingt nach einem Ratgeber und legt den Gedanken nahe, dass hier von einem erhöhten Standpunkt aus reflektiert werden könnte. Das exakte Gegenteil ist der Fall. So radikal und tief ist dieser Autor wohl in bislang keinem seiner Romane in die individuellen Verschachtelungen und in die existenzielle Antriebslosigkeit seiner Figuren vorgedrungen wie jetzt. Der Autor selbst hat sich in Interviews stets gegen die Vermutung gewehrt, er würde einem übergeordneten gesellschaftlichen Phänomen nachspüren. Der Lauf der Zeit geht voran, sein maroder Held geht mit, zwangsläufig.
Petterson-Leser kennen den Ich-Erzähler Arvid Jansen bereits aus den Romanen „Im Kielwasser“ und „Ich verfluche den Fluss der Zeit“. Jansen ist Pettersons Alter Ego; er ist Schriftsteller und ein Mann, der, wie Petterson selbst, seine Eltern und einen Bruder beim Brand der Scandinavian Star Ferry im April 1990 verloren hat. 158 Menschen starben seinerzeit auf dem Weg von Oslo nach Jütland im Rauch und in den Flammen. „Im Kielwasser“ fiktionalisiert die katastrophische Erfahrung auf beeindruckende Weise.
Nun befinden wir uns zwei Jahre später, im Herbst 1992, und Arvids ohnehin erschüttertes Dasein hat sich um eine weitere Problemzone erweitert: Vor einem Jahr hat Turid, seine Frau, ihn nach rund 15 Ehejahren verlassen und die drei Töchter, zwischen fünf und zwölf Jahren alt, mitgenommen. Turid hat sich den „Farbenfrohen“, wie Arvid sie nennt, zugewandt. Ob es sich dabei tatsächlich um eine Art Sekte handelt oder ob Turid nur der toxischen Schwärze, die Arvid um sich herum verbreitet, entfliehen wollte, bleibt offen. Wie so vieles in „Männer in meiner Lage“, in dessen Anfangsszene Turid ihren Ex-Mann frühmorgens telefonisch aus dem Schlaf reißt, damit er sie an einem verlassenen Bahnhof einsammelt. Es wird keine weitere Erklärung dafür geben; das Unbegründete ist stilbildendes Prinzip des Romans.
Pettersons Erzählen ist so irritierend wie anziehend, weil es keine Richtung und kein Ziel hat. Es gibt lange, von Musik begleitete Autofahrten in dem alten Mazda Kombi, in den Arvid sich früher, als Turid noch nicht weg war, hin und wieder zum Schlafen gelegt hat, um für sich sein zu können. Einmal nimmt Arvid zu einer der Fahrten seine Kinder mit; der Ausflug endet in einem Desaster, weil Arvid wie auf Autopilot auf Selbstzerstörung gepolt ist. Die Falltür unter ihm, so heißt es einmal, knirsche beständig.
Es gibt Frauen in Arvids Leben, viele, eine nach der anderen. Er trifft sie in Bars, sie wohnen in der Nachbarschaft, sie gehen nach dem Sex nach Hause oder bleiben über Nacht; das spielt keine Rolle. Petterson begleitet Arvid bis in die intimsten Augenblicke hinein. Die Kunst seines Schreibens besteht darin, immer dann besonders kalt zu sein, wenn eigentlich Wärme produziert werden sollte. Friedhofsgänge und Kneipenschlägereien prägen Arvids Alltag. Und die Literatur: „Wer wäre ich ohne sie, wer wäre ich ohne Beauvoir, ohne Sandemose, Cora Sandel, Hamsun, wer wäre ich ohne Jan Myrdal, Hemingway und Jayne Anne Philips, ohne Melville, Isaak Babel und Strindberg. Nein, wer wäre ich dann. Ich wusste es nicht.“
Der Antriebsmotor von Pettersons Mahlstrom-Prosa, in die erstaunlicherweise immer wieder kurze ironische, freiwillig komische Passagen eingearbeitet sind, ist der Verlust. Der Verlust der Familie, der Verlust der Frau und der Kinder. Melancholie, Ruhelosigkeit, Einsamkeit grundieren die Stimmung und den Tonfall. Arvid treibt durch die Tage und Wochen. Die Zeit, und diese Erkenntnis spiegelt sich auch in der fragmentarischen Struktur des Romans, hat ihre Bedeutung verloren. „Es gab“, so Arvid, „kein Früher mehr. Es gab nur noch das Jetzt.“ Das rein phänomenologische, absichtslose Schauen hat Konsequenzen: „Männer in meiner Lage“ endet mit einem Sprung ins Jahr 1996. Arvid hat einen Roman erfolgreich beendet. Er ist 43, seine älteste Tochter Vigdis mittlerweile 16 Jahre alt. Arvid holt sie ab, um sie in die Psychiatrie einzuliefern. Auf ihren eigenen Wunsch hin. Das Drama des traumatischen, entgleisten Aufwachsens seiner Kinder hat Arvids Selbstbeobachtung und Weltschmerzprotokoll als permanentes Hintergrundrauschen begleitet. Dass Arvid dafür nun, wenn auch spät, offenbar ein Gehör entwickelt hat, ist ein Hoffnungsschimmer.
CHRISTOPH SCHRÖDER
Ob seine Frau aus der toxischen
Schwärze, die er verbreitet, fliehen
wollte, bleibt offen
Das Drama seiner Kinder ist
ein Hintergrundrauschen seines
Weltschmerzprotokolls
Per Petterson:
Männer in meiner Lage. Roman. Aus dem
Norwegischen von
Ina Kronenberger.
Carl Hanser Verlag,
München 2019.
286 Seiten, 22 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
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"'Männer in meiner Lage' ist das menschenfreundliche Porträt eines Manns in der Krise." Matthias Hannemann, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 02.10.19

"Der Antriebsmotor von Pettersons Mahlstrom-Prosa, in die erstaunlicherweise immer wieder kurze ironische, freiwillig komische Passagen eingearbeitet sind, ist der Verlust. [...] Melancholie, Ruhelosigkeit, Einsamkeit grundieren die Stimmung und den Tonfall." Christoph Schröder, Süddeutsche Zeitung, 02.12.19

"'Männer in meiner Lage' ist ein kunstvoll komponierter Roman, in dem alles zueinander passt und jedes Detail genau am richtigen Platz ist. Dieses perfekt ausbalancierte Buch birgt viel Schwermut und doch ertrinkt es nicht darin." Holger Heimann, SR Kultur, 09.10.19

"[E]in weiterer Mosaikstein in Per Pettersons großem (Lebens-)Roman mit stark autobiografischen Zügen: einem Romanwerk, das einmal als eines der anspruchsvollsten und tiefschürfendsten Erzählprojekte der Gegenwart erkannt werden wird." Hans-DieterFronz, SÜDWEST Presse, 15.10.19

"Eine Abrechnung mit dem männlichen Ego, fast ohne Selbstmitleid." Sacha Verna, Annabelle, 02.10.19

"'Männer in meiner Lage' ist Pettersons stärkster, erstaunlichster Roman." Sasan Seyfi, Lesarten Literaturmagazin, 16.08.19

"Der preisgekrönte Schriftsteller Per Petterson, Spezialist für stille Dramen, begleitet seinen nachdenklichen Helden auf dem Weg zu sich selbst." Madame, Oktober 2019