Wann, wie und warum sich Männer Kinder wünschen
Mit einem Geleitwort von Prof. Dr. Rainer Treptow
Unterscheiden sich Männer und Frauen im Hinblick auf den Kinderwunsch? Werden mögliche Beweg- und Hinderungsgründe der Entscheidung zur Geburt eines Kindes von Männern und Frauen unterschiedlich wahrgenommen und sind diese geschlechtsspezifischen Wahrnehmungen von unterschiedlichen Vorraussetzungen abhängig? Und sind für die Realisierung von Kinderwünschen bei Männern und Frauen unterschiedliche oder ähnliche Beweg- oder Hinderungsgründen ausschlaggebend? Der Band präsentiert Untersuchungen und Ergebnisse zu diesen Fragen auf der Grundlage des Familiensurvey.
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
Mit einem Geleitwort von Prof. Dr. Rainer Treptow
Unterscheiden sich Männer und Frauen im Hinblick auf den Kinderwunsch? Werden mögliche Beweg- und Hinderungsgründe der Entscheidung zur Geburt eines Kindes von Männern und Frauen unterschiedlich wahrgenommen und sind diese geschlechtsspezifischen Wahrnehmungen von unterschiedlichen Vorraussetzungen abhängig? Und sind für die Realisierung von Kinderwünschen bei Männern und Frauen unterschiedliche oder ähnliche Beweg- oder Hinderungsgründen ausschlaggebend? Der Band präsentiert Untersuchungen und Ergebnisse zu diesen Fragen auf der Grundlage des Familiensurvey.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.10.2006Der blutige Wahnsinn der Liebesordnung
Eric Jager erzählt die Geschichte vom letzten Zweikampf in Frankreich, der als Gottesurteil vom Gericht zugelassen wurde / Von Eberhard Rathgeb
Zwei Freunde werden Feinde, der eine vergewaltigt die Frau des anderen, die beiden ziehen vor Gericht - und sehen sich schließlich auf dem Turnierplatz wieder zum Kampf auf Leben und Tod.
Warum hat er sie geheiratet? Er brauchte einen Nachfahren. Sollte ein Kind sein Leben bereichern, intensiver machen, wie man heute sagt? Daran war nicht zu denken, er war ja ein Ritter.
Glücklicherweise müssen Männer in ihrem normalen Leben heute keine Rüstung mehr tragen, sie sind auch konstitutionell und psychisch nicht mehr ohne weiteres in der Lage, sich in Schlachten zu stürzen, um dort andere Männer zu verstümmeln (man lese, um den Abgrund der Zeiten zu ermessen, nur zum Beispiel, Peter Handkes "Versuch über die Müdigkeit", und dann Ariosts "Rasenden Roland"). Man kann sich schwer, sagen wir, einen John Lennon mit Schwert und Streitaxt vorstellen - und auch wenn heute Jungs und Männer wieder dahin tendieren, den harten Kerl zu spielen, so sind sie von den echten Rittersleuten doch meilenweit entfernt. Leute wie Jean de Carrouges, von dem wir gleich erzählen werden, würden einem schlichtweg einen Riesenschrecken einjagen, wenn sie unsere Nachbarn wären.
Am 29. Dezember 1386 fand in Paris der letzte Zweikampf statt, von dem sich das Gericht ein Gottesurteil erwartete: Recht sollte haben, wer siegen würde. Der Kampf wurde auf dem Grund und Boden des Klosters Saint-Martin ausgetragen. Zwei Männer standen einander innerhalb des umzäunten Turnierplatzes gegenüber. Sie saßen auf Pferden, sie steckten in Ritterrüstungen, trugen jeweils eine Lanze, zwei Schwerter, eine Streitaxt und einen Dolch. Die Männer hatten den ganzen lieben langen Tag Zeit, sich totzuschlagen, und wenn es keinem von den beiden gelingen sollte, dem anderen solche Wunden zuzufügen, daß er starb - dann mußte keiner deswegen traurig oder verstimmt sein, dann wurde eben der Kampf auf Leben und Tod am folgenden Tag fortgesetzt.
Zur Stärkung trugen die beiden Männer einen kleinen Beutel mit Brot und Wein bei sich - mehr war nicht vorgesehen für das wilde Drauflosschlagen mit schweren Waffen und in schweren Rüstungen (die um die dreißig Kilogramm wogen). Zahlreiche Zuschauer waren zu diesem Zweikampf gekommen und saßen in den Rängen - so wie damals immer, wenn Menschen gevierteilt oder sonstwie malträtiert oder gehängt wurden, zahlreiche Zuschauer zusammenliefen, darunter auch Kinder, um mit eigenen Ohren die Schreie, um mit eigenen Augen das Blut und die verrenkten oder verstümmelten Glieder zu sehen. (Heute sitzen unsere lieben Mitbürger vor entsprechenden Horrorvideos.)
Auch der König von Frankreich, Karl VI., der damals noch jung war, schaute bei dem Zweikampf im Kloster Saint-Martin zu. Der König ist Jahre später verrückt geworden, wie wahrscheinlich jeder Mensch heute, der bei Sinnen ist, verrückt würde ob der Grausamkeiten und Ängste um Leib und Leben, wenn er in diese Zeiten hineinrutschen würde.
Die ganze Geschichte, wer sich damals schlug und warum die beiden Männer sich abstechen wollten, wird in einem kleinen Buch von Eric Jager flüssig erzählt (Jager ist Professor für englische Mediävistik an der University of California in Los Angeles). Er hat die Dokumente über dieses letzte Gottesurteil studiert, das vom Parlament von Paris erlassen wurde.
Die beiden Männer in der Kampfarena waren gleich alt und gehörten zum Günstlingsumkreis des Grafen Pierre d'Alencon, einer der reichsten und mächtigsten Pairs von Frankreich. Der eine war Ritter geworden, nachdem er bei einem Nacht-und-Nebel-Feldzug in England teilgenommen hatte, der andere war und blieb nur Knappe. Der Ritter hieß Jean de Carrouges, der Knappe Jacques Le Gris. Der Ritter war rechthaberisch und wenig konziliant und verlor deshalb die Zuneigung der Grafen, der Knappe war geschickt und einnehmend und gewann sie. Der Ritter vermutete, daß der Knappe hinter seinem tiefen Fall steckte. Doch was sollte er machen? Er saß daheim und war wütend. So gingen die Tage, Wochen, Monate, Jahre dahin (wir überspringen einige Ereignisse).
Eines Morgens nun stieg der Ritter auf sein Pferd und ritt nach Paris. Er ließ seine schöne junge Frau bei seiner Mutter zurück. Der Ritter konnte so schnell nicht wieder zurückkommen, Paris lag weit weg. Die Mutter des Ritters hatte auch was vor, sie verließ das Heim eines Tages für einige Stunden, um in einer nahe gelegenen Stadt etwas zu erledigen. Das war am 18. Januar 1386, einem Donnerstag.
Warum nur hat Jean de Carrouges eine Frau gesucht, die er heiraten konnte? Er hat nicht irgendeine Frau, er hat eine Ehefrau gesucht. Er war als der älteste Sohn dafür zuständig, einen männlichen Nachfahren in die Welt zu setzen, der seinen Namen weitertragen sollte. Er brauchte keine Kinder, damit er sein Leben intensiver und erfüllter erlebte (der Mann hatte bei den Kriegsschlächtereien ausreichend intensive Lebenserfahrungen gesammelt), und er wird auch nicht der Ansicht gewesen sein, Kinder könnten ihm das Gefühl geben, gebraucht zu werden. (Er hatte andere Daseinssorgen, war schließlich Ritter und brauchte erst einmal und vor allem ein gutes Pferd.)
An jenem Donnerstag kam Jacques Le Gris ins Schloß von Jeans Mutter, packte die junge schöne Ehefrau, warf sie aufs Bett, fesselte sie, weil sie um sich schlug, knebelte sie, weil sie schrie, und vergewaltigte sie im Beisein seines Gehilfen. Warum? Aus Lust? Um Jean zu ärgern? Le Gris hoffte, daß die Frau wegen der Schande, die er über sie gebracht hatte, kein Wort davon ihrem Ehemann erzählen würde. Er täuschte sich.
Sie erzählte ihrem Ehemann alles. Darauf zog das Ehepaar in Paris vor Gericht. Eine Verhandlung wurde eröffnet. Alle schworen heilige Eide auf ihre Aussagen, der Täter leugnete die Tat, das Gericht kam nicht weiter und entschied: Zweikampf als Gottesurteil. Sollte der Ehemann dabei getötet werden, dann stand es ebenfalls schlecht um die Ehefrau: Sie würde als Lügnerin gelten, die einen Meineid geschworen hatte, und verbrannt werden. Man liest diese Geschichte (man liest sie in einem Zug weg) und ist heilfroh, nicht im Mittelalter gelebt zu haben.
Die Frau hieß Marguerite. Sie war jünger als Jean, das verstand sich damals nahezu von selbst, so wie sich das heute immer noch nahezu von selbst versteht, daß Frauen sich ältere Männer suchen und nicht jüngere (Ausnahmen gab und gibt es). Die beiden heirateten im Frühling 1380 - in den folgenden Jahren ging die Freundschaft zwischen Carrouges und Le Gris kaputt (das hing auch mit der Mitgift zusammen, die Marguerite erhielt).
Die Ehe von Jean und Marguerite blieb kinderlos, was nicht daran gelegen haben kann, daß sie nicht miteinander ins Bett gegangen wären. Es klappte halt nicht. Nach der Vergewaltigung aber war Marguerite schwanger geworden, und diese Schwangerschaft hätte Jean in die tiefste Verzweiflung stürzen können, wenn nicht damals ein Konsens darüber bestanden hätte, daß eine Frau nur Kinder bekommen könnte, wenn sie beim Liebesakt Lust verspüre. Aus einer Vergewaltigung konnten keine Kinder entstehen. Das Kind erhielt den Namen Robert. Ihm folgten zwei Brüder.
Irgendwelche Schlaumeier denken heute: Wenn meine Urahnen Ritter gewesen sind, dann fließt ja noch Ritterblut in meinen Adern, und deswegen gehe ich jetzt in die Welt zum Arbeiten hinaus und die Frau bleibt zu Hause bei den Kindern. So aber sind nicht alle Männer drauf.
Wenn ein Paar heutzutage ein Kind bekommt, stehen die Frau und der Mann vor der Frage, wer im Beruf kürzer tritt, um für das Kind dazusein. Hätte Jean seinen Job als Ritter aufgegeben? Wäre Marguerite gerne zum Schlachten ins Feld gezogen? Niemals. Wie die Ergebnisse einer vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend geförderten Untersuchung, die vor zwei Jahren am Institut für Soziologie der Universität Heidelberg durchgeführt wurde, zeigen, sind viel mehr Frauen ohne Kinder davon überzeugt, daß Kinder eine Einschränkung ihres Berufslebens notwendig machen werden, als Männer davon überzeugt sind. Die Zahl der Frauen, die dieser Meinung sind, steigt noch, wenn sie schon ein Kind haben. Mehr Frauen mit einem Kind meinen, daß Frauen auf ein Kind verzichten müssen, wenn sie beruflich Karriere machen wollen, als Frauen ohne Kinder - was ein Hinweis darauf ist, daß sie sich das alles (Kind und Karriere) vor dem Kind noch schöner ausmalen konnten als mit dem Kind an ihrer Seite - und ein Hinweis darauf, daß die Frauen hofften, mit dem Partner einen Kompromiß schließen zu können. Doch das Jean-Marguerite-Modell steckt tief drin. Denn in diesen Verhandlungen sagt der Mann in den meisten Fällen zu seiner Lieben, daß er mehr verdient - worauf er ins Büro geht.
Jean gewann den Zweikampf, seine Frau wurde nicht verbrannt. Doch ohne Totschlag - sein Weg der Selbstverwirklichung als Ritter - konnte er nicht weiterleben. Er schloß sich im September 1396 einem Kreuzzug gegen die Osmanen an und starb, vermutlich, in einer Schlacht bei Nikopolis, dem heutigen Nikopol in Bulgarien. Marguerite ging ins Kloster.
Die Tatsache, daß eine Frau mit einem Krieger, der zum Töten ausgebildet war, zusammenlebte, kann einen heute sehr verstören. Die Ordnung der Liebe, die den Ritter und Krieger als einen festen Bestandteil aufwies, ist uns fremd geworden. Gleichberechtige Männer und Frauen schlagen sich heute im Berufsleben mit denselben Waffen, stehen einander gegenüber, bis sie ein Paar sind und eine Familie gründen - und das alles auf der völlig wackeligen Grundlage einer Liebesordnung, die keine feste Liebesordnung mehr sein kann und ist, sondern Liebeschaos. (Was ist ein Mann, was eine Frau, wenn man von den biologischen Unterschieden einmal absieht? Jean und Marguerite werden darüber nicht nachgedacht haben - warum auch, er ritt in die Schlacht, sie kochte. Kochen oder - ins Büro fahren, das kann heute jeder.)
Jahrhunderte hat es gebraucht, damit sich der Mann im Normalleben in Sicherheit bringen konnte - wir sehen jetzt von den Schlächtereien in Kriegen ab, wohin Männer als Soldaten gleichtberechtigt einrücken. Ein Leben, wie das Wolfram von Eschenbach in seinem "Parzival" beschreibt (einem der wenigen wirklich genialen Büchern der deutschsprachigen Literatur), möchte man als Mann nicht mehr führen müssen. Schon Eschenbach findet die alte Liebesordnung mit blutigem Rittertum und säuselndem Frauenwerben absurd - als wäre er einer von uns, die wir mit Frauen lieber Tennis spielen (man denke an die Ehepaar-Eingangszene in Heimito von Doderers "Strudelhofstiege", um hier noch einen der wenigen genialen deutschsprachigen Romane zu nennen) -, statt mit klaffenden Wunden irgendeiner zarten Angebeteten vor den Füßen zu liegen, deren Gunst wir nur mit solchen Mordaktionen erobern sollen. (Heute schieben einige komische Ritter ihrer ebenso komischen Liebsten ein Auto wie einen getöteten Drachen vor die Tür - umgekehrt kommt das leider viel seltener vor, wäre aber genauso komisch.)
Der letzte Zweikampf, der vom Pariser Gericht als Gottesurteil ausgegeben wurde, erinnert uns an jene Zeiten, wo Männer und Frauen durch Gräben voller Blut voneinander getrennt waren. Jetzt stehen sie zusammen, weil die Männer sich nicht mehr die Köpfe einhauen müssen, und von dem ganzen unerträglichen Körpereinsatz in alten Zeiten ist heute nur die Aufforderung an den Mann im Haus geblieben, bitte die Lampen anzuschließen und dergleichen Hausarbeiten mehr, die zwar auch eine Frau verrichten könnte, wie auch der Mann den Tisch decken soll - aber bitte.
Die beiden Männer auf dem Turnierplatz des Klosters Staint-Martin ritten zuerst in voller Montur aufeinander los und versuchten, sich mit den Lanzen aus dem Sattel und im besten Fall in den Tod zu hebeln - man kann sich den Aufprall der Lanzen kaum vorstellen. Der erste Ritt und Stoß brachte wenig ein, also machten die beiden eine kurze Pause, sie schwitzten in der Rüstung, schnauften, weil das Kämpfen anstrengend war, sie waren wahrscheinlich auch blind vor Adrenalin.
Sie galoppierten noch mal aufeinander zu, jetzt zerbrachen die Lanzen, die Stücke flogen einige Meter hoch in die Luft. Darauf hieben sie mit den Streitäxten aufeinander ein, schließlich traf der eine Mann das Pferd des anderen tief in den Hals. Das Pferd bäumte sich auf, stürzte, der Reiter wich vor den Hufen des vor Schmerzen um sich schlagenden Pferdes zurück.
Der andere Mann kam wieder angestürmt, die Axt schwingend. Jetzt stieß der Ritter ohne Pferd seine Axt tief in den Bauch des vorbeipreschenden Pferdes, worauf auch dieses Pferd in Schmerzen sich am Boden wand. Viel Blut floß. Die beiden Männer müssen sehr erschöpft gewesen sein, der eine war auch etwas krank (kein Attest vom Arzt).
Sie zogen die Schwerter, der eine Mann rammte dem anderen Mann das Schwert in das Bein, was bei diesem Mann einen hellen Schmerz ausgelöst haben muß, aber er blieb stehen. Darauf zog der Mann, der zugestoßen hatte, das Schwert wieder aus dem Bein heraus.
Der der verwundete Mann hatte keine Zeit mehr zu verlieren, der Schmerz wühlte, das Blut schoß hervor. Da packte er seinen Gegner und warf ihn zu Boden. Er kniete sich auf ihn und suchte in der Rüstung nach einer Lücke, um in diese Lücke das Schwert in den Körper hinein zu stoßen. Er hämmerte mit aller Kraft mit dem Schwert auf den Helm des unter ihm liegenden Mannes ein, schlug auf die Scharniere, bis er einen Zugang zum Körper fand. Er zog den Dolch und stieß dem Mann am Boden den Dolch in den Hals, bis zum Heft. Bei dem Mann am Boden setzte ein Flattern der Augen und der Glieder ein. Der Mann mit dem blutenden Bein blieb auf dem Mann mit dem Dolch im Hals sitzen, bis der Mann am Boden tot war. Männer, Frauen - was für ein Wahnsinn.
Eric Jager: "Auf Ehre und Tod". Ein ritterlicher Zweikampf um das Leben einer Frau. Aus dem Amerikanischen von Ilse Strasmann. Deutsche Verlags-Anstalt, München 2006. 270 S., geb., 19,90 [Euro].
Jan Eckhard, Thomas Klein: "Männer, Kinderwunsch und generatives Verhalten". Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2006. 193 S., br., 29,80 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Eric Jager erzählt die Geschichte vom letzten Zweikampf in Frankreich, der als Gottesurteil vom Gericht zugelassen wurde / Von Eberhard Rathgeb
Zwei Freunde werden Feinde, der eine vergewaltigt die Frau des anderen, die beiden ziehen vor Gericht - und sehen sich schließlich auf dem Turnierplatz wieder zum Kampf auf Leben und Tod.
Warum hat er sie geheiratet? Er brauchte einen Nachfahren. Sollte ein Kind sein Leben bereichern, intensiver machen, wie man heute sagt? Daran war nicht zu denken, er war ja ein Ritter.
Glücklicherweise müssen Männer in ihrem normalen Leben heute keine Rüstung mehr tragen, sie sind auch konstitutionell und psychisch nicht mehr ohne weiteres in der Lage, sich in Schlachten zu stürzen, um dort andere Männer zu verstümmeln (man lese, um den Abgrund der Zeiten zu ermessen, nur zum Beispiel, Peter Handkes "Versuch über die Müdigkeit", und dann Ariosts "Rasenden Roland"). Man kann sich schwer, sagen wir, einen John Lennon mit Schwert und Streitaxt vorstellen - und auch wenn heute Jungs und Männer wieder dahin tendieren, den harten Kerl zu spielen, so sind sie von den echten Rittersleuten doch meilenweit entfernt. Leute wie Jean de Carrouges, von dem wir gleich erzählen werden, würden einem schlichtweg einen Riesenschrecken einjagen, wenn sie unsere Nachbarn wären.
Am 29. Dezember 1386 fand in Paris der letzte Zweikampf statt, von dem sich das Gericht ein Gottesurteil erwartete: Recht sollte haben, wer siegen würde. Der Kampf wurde auf dem Grund und Boden des Klosters Saint-Martin ausgetragen. Zwei Männer standen einander innerhalb des umzäunten Turnierplatzes gegenüber. Sie saßen auf Pferden, sie steckten in Ritterrüstungen, trugen jeweils eine Lanze, zwei Schwerter, eine Streitaxt und einen Dolch. Die Männer hatten den ganzen lieben langen Tag Zeit, sich totzuschlagen, und wenn es keinem von den beiden gelingen sollte, dem anderen solche Wunden zuzufügen, daß er starb - dann mußte keiner deswegen traurig oder verstimmt sein, dann wurde eben der Kampf auf Leben und Tod am folgenden Tag fortgesetzt.
Zur Stärkung trugen die beiden Männer einen kleinen Beutel mit Brot und Wein bei sich - mehr war nicht vorgesehen für das wilde Drauflosschlagen mit schweren Waffen und in schweren Rüstungen (die um die dreißig Kilogramm wogen). Zahlreiche Zuschauer waren zu diesem Zweikampf gekommen und saßen in den Rängen - so wie damals immer, wenn Menschen gevierteilt oder sonstwie malträtiert oder gehängt wurden, zahlreiche Zuschauer zusammenliefen, darunter auch Kinder, um mit eigenen Ohren die Schreie, um mit eigenen Augen das Blut und die verrenkten oder verstümmelten Glieder zu sehen. (Heute sitzen unsere lieben Mitbürger vor entsprechenden Horrorvideos.)
Auch der König von Frankreich, Karl VI., der damals noch jung war, schaute bei dem Zweikampf im Kloster Saint-Martin zu. Der König ist Jahre später verrückt geworden, wie wahrscheinlich jeder Mensch heute, der bei Sinnen ist, verrückt würde ob der Grausamkeiten und Ängste um Leib und Leben, wenn er in diese Zeiten hineinrutschen würde.
Die ganze Geschichte, wer sich damals schlug und warum die beiden Männer sich abstechen wollten, wird in einem kleinen Buch von Eric Jager flüssig erzählt (Jager ist Professor für englische Mediävistik an der University of California in Los Angeles). Er hat die Dokumente über dieses letzte Gottesurteil studiert, das vom Parlament von Paris erlassen wurde.
Die beiden Männer in der Kampfarena waren gleich alt und gehörten zum Günstlingsumkreis des Grafen Pierre d'Alencon, einer der reichsten und mächtigsten Pairs von Frankreich. Der eine war Ritter geworden, nachdem er bei einem Nacht-und-Nebel-Feldzug in England teilgenommen hatte, der andere war und blieb nur Knappe. Der Ritter hieß Jean de Carrouges, der Knappe Jacques Le Gris. Der Ritter war rechthaberisch und wenig konziliant und verlor deshalb die Zuneigung der Grafen, der Knappe war geschickt und einnehmend und gewann sie. Der Ritter vermutete, daß der Knappe hinter seinem tiefen Fall steckte. Doch was sollte er machen? Er saß daheim und war wütend. So gingen die Tage, Wochen, Monate, Jahre dahin (wir überspringen einige Ereignisse).
Eines Morgens nun stieg der Ritter auf sein Pferd und ritt nach Paris. Er ließ seine schöne junge Frau bei seiner Mutter zurück. Der Ritter konnte so schnell nicht wieder zurückkommen, Paris lag weit weg. Die Mutter des Ritters hatte auch was vor, sie verließ das Heim eines Tages für einige Stunden, um in einer nahe gelegenen Stadt etwas zu erledigen. Das war am 18. Januar 1386, einem Donnerstag.
Warum nur hat Jean de Carrouges eine Frau gesucht, die er heiraten konnte? Er hat nicht irgendeine Frau, er hat eine Ehefrau gesucht. Er war als der älteste Sohn dafür zuständig, einen männlichen Nachfahren in die Welt zu setzen, der seinen Namen weitertragen sollte. Er brauchte keine Kinder, damit er sein Leben intensiver und erfüllter erlebte (der Mann hatte bei den Kriegsschlächtereien ausreichend intensive Lebenserfahrungen gesammelt), und er wird auch nicht der Ansicht gewesen sein, Kinder könnten ihm das Gefühl geben, gebraucht zu werden. (Er hatte andere Daseinssorgen, war schließlich Ritter und brauchte erst einmal und vor allem ein gutes Pferd.)
An jenem Donnerstag kam Jacques Le Gris ins Schloß von Jeans Mutter, packte die junge schöne Ehefrau, warf sie aufs Bett, fesselte sie, weil sie um sich schlug, knebelte sie, weil sie schrie, und vergewaltigte sie im Beisein seines Gehilfen. Warum? Aus Lust? Um Jean zu ärgern? Le Gris hoffte, daß die Frau wegen der Schande, die er über sie gebracht hatte, kein Wort davon ihrem Ehemann erzählen würde. Er täuschte sich.
Sie erzählte ihrem Ehemann alles. Darauf zog das Ehepaar in Paris vor Gericht. Eine Verhandlung wurde eröffnet. Alle schworen heilige Eide auf ihre Aussagen, der Täter leugnete die Tat, das Gericht kam nicht weiter und entschied: Zweikampf als Gottesurteil. Sollte der Ehemann dabei getötet werden, dann stand es ebenfalls schlecht um die Ehefrau: Sie würde als Lügnerin gelten, die einen Meineid geschworen hatte, und verbrannt werden. Man liest diese Geschichte (man liest sie in einem Zug weg) und ist heilfroh, nicht im Mittelalter gelebt zu haben.
Die Frau hieß Marguerite. Sie war jünger als Jean, das verstand sich damals nahezu von selbst, so wie sich das heute immer noch nahezu von selbst versteht, daß Frauen sich ältere Männer suchen und nicht jüngere (Ausnahmen gab und gibt es). Die beiden heirateten im Frühling 1380 - in den folgenden Jahren ging die Freundschaft zwischen Carrouges und Le Gris kaputt (das hing auch mit der Mitgift zusammen, die Marguerite erhielt).
Die Ehe von Jean und Marguerite blieb kinderlos, was nicht daran gelegen haben kann, daß sie nicht miteinander ins Bett gegangen wären. Es klappte halt nicht. Nach der Vergewaltigung aber war Marguerite schwanger geworden, und diese Schwangerschaft hätte Jean in die tiefste Verzweiflung stürzen können, wenn nicht damals ein Konsens darüber bestanden hätte, daß eine Frau nur Kinder bekommen könnte, wenn sie beim Liebesakt Lust verspüre. Aus einer Vergewaltigung konnten keine Kinder entstehen. Das Kind erhielt den Namen Robert. Ihm folgten zwei Brüder.
Irgendwelche Schlaumeier denken heute: Wenn meine Urahnen Ritter gewesen sind, dann fließt ja noch Ritterblut in meinen Adern, und deswegen gehe ich jetzt in die Welt zum Arbeiten hinaus und die Frau bleibt zu Hause bei den Kindern. So aber sind nicht alle Männer drauf.
Wenn ein Paar heutzutage ein Kind bekommt, stehen die Frau und der Mann vor der Frage, wer im Beruf kürzer tritt, um für das Kind dazusein. Hätte Jean seinen Job als Ritter aufgegeben? Wäre Marguerite gerne zum Schlachten ins Feld gezogen? Niemals. Wie die Ergebnisse einer vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend geförderten Untersuchung, die vor zwei Jahren am Institut für Soziologie der Universität Heidelberg durchgeführt wurde, zeigen, sind viel mehr Frauen ohne Kinder davon überzeugt, daß Kinder eine Einschränkung ihres Berufslebens notwendig machen werden, als Männer davon überzeugt sind. Die Zahl der Frauen, die dieser Meinung sind, steigt noch, wenn sie schon ein Kind haben. Mehr Frauen mit einem Kind meinen, daß Frauen auf ein Kind verzichten müssen, wenn sie beruflich Karriere machen wollen, als Frauen ohne Kinder - was ein Hinweis darauf ist, daß sie sich das alles (Kind und Karriere) vor dem Kind noch schöner ausmalen konnten als mit dem Kind an ihrer Seite - und ein Hinweis darauf, daß die Frauen hofften, mit dem Partner einen Kompromiß schließen zu können. Doch das Jean-Marguerite-Modell steckt tief drin. Denn in diesen Verhandlungen sagt der Mann in den meisten Fällen zu seiner Lieben, daß er mehr verdient - worauf er ins Büro geht.
Jean gewann den Zweikampf, seine Frau wurde nicht verbrannt. Doch ohne Totschlag - sein Weg der Selbstverwirklichung als Ritter - konnte er nicht weiterleben. Er schloß sich im September 1396 einem Kreuzzug gegen die Osmanen an und starb, vermutlich, in einer Schlacht bei Nikopolis, dem heutigen Nikopol in Bulgarien. Marguerite ging ins Kloster.
Die Tatsache, daß eine Frau mit einem Krieger, der zum Töten ausgebildet war, zusammenlebte, kann einen heute sehr verstören. Die Ordnung der Liebe, die den Ritter und Krieger als einen festen Bestandteil aufwies, ist uns fremd geworden. Gleichberechtige Männer und Frauen schlagen sich heute im Berufsleben mit denselben Waffen, stehen einander gegenüber, bis sie ein Paar sind und eine Familie gründen - und das alles auf der völlig wackeligen Grundlage einer Liebesordnung, die keine feste Liebesordnung mehr sein kann und ist, sondern Liebeschaos. (Was ist ein Mann, was eine Frau, wenn man von den biologischen Unterschieden einmal absieht? Jean und Marguerite werden darüber nicht nachgedacht haben - warum auch, er ritt in die Schlacht, sie kochte. Kochen oder - ins Büro fahren, das kann heute jeder.)
Jahrhunderte hat es gebraucht, damit sich der Mann im Normalleben in Sicherheit bringen konnte - wir sehen jetzt von den Schlächtereien in Kriegen ab, wohin Männer als Soldaten gleichtberechtigt einrücken. Ein Leben, wie das Wolfram von Eschenbach in seinem "Parzival" beschreibt (einem der wenigen wirklich genialen Büchern der deutschsprachigen Literatur), möchte man als Mann nicht mehr führen müssen. Schon Eschenbach findet die alte Liebesordnung mit blutigem Rittertum und säuselndem Frauenwerben absurd - als wäre er einer von uns, die wir mit Frauen lieber Tennis spielen (man denke an die Ehepaar-Eingangszene in Heimito von Doderers "Strudelhofstiege", um hier noch einen der wenigen genialen deutschsprachigen Romane zu nennen) -, statt mit klaffenden Wunden irgendeiner zarten Angebeteten vor den Füßen zu liegen, deren Gunst wir nur mit solchen Mordaktionen erobern sollen. (Heute schieben einige komische Ritter ihrer ebenso komischen Liebsten ein Auto wie einen getöteten Drachen vor die Tür - umgekehrt kommt das leider viel seltener vor, wäre aber genauso komisch.)
Der letzte Zweikampf, der vom Pariser Gericht als Gottesurteil ausgegeben wurde, erinnert uns an jene Zeiten, wo Männer und Frauen durch Gräben voller Blut voneinander getrennt waren. Jetzt stehen sie zusammen, weil die Männer sich nicht mehr die Köpfe einhauen müssen, und von dem ganzen unerträglichen Körpereinsatz in alten Zeiten ist heute nur die Aufforderung an den Mann im Haus geblieben, bitte die Lampen anzuschließen und dergleichen Hausarbeiten mehr, die zwar auch eine Frau verrichten könnte, wie auch der Mann den Tisch decken soll - aber bitte.
Die beiden Männer auf dem Turnierplatz des Klosters Staint-Martin ritten zuerst in voller Montur aufeinander los und versuchten, sich mit den Lanzen aus dem Sattel und im besten Fall in den Tod zu hebeln - man kann sich den Aufprall der Lanzen kaum vorstellen. Der erste Ritt und Stoß brachte wenig ein, also machten die beiden eine kurze Pause, sie schwitzten in der Rüstung, schnauften, weil das Kämpfen anstrengend war, sie waren wahrscheinlich auch blind vor Adrenalin.
Sie galoppierten noch mal aufeinander zu, jetzt zerbrachen die Lanzen, die Stücke flogen einige Meter hoch in die Luft. Darauf hieben sie mit den Streitäxten aufeinander ein, schließlich traf der eine Mann das Pferd des anderen tief in den Hals. Das Pferd bäumte sich auf, stürzte, der Reiter wich vor den Hufen des vor Schmerzen um sich schlagenden Pferdes zurück.
Der andere Mann kam wieder angestürmt, die Axt schwingend. Jetzt stieß der Ritter ohne Pferd seine Axt tief in den Bauch des vorbeipreschenden Pferdes, worauf auch dieses Pferd in Schmerzen sich am Boden wand. Viel Blut floß. Die beiden Männer müssen sehr erschöpft gewesen sein, der eine war auch etwas krank (kein Attest vom Arzt).
Sie zogen die Schwerter, der eine Mann rammte dem anderen Mann das Schwert in das Bein, was bei diesem Mann einen hellen Schmerz ausgelöst haben muß, aber er blieb stehen. Darauf zog der Mann, der zugestoßen hatte, das Schwert wieder aus dem Bein heraus.
Der der verwundete Mann hatte keine Zeit mehr zu verlieren, der Schmerz wühlte, das Blut schoß hervor. Da packte er seinen Gegner und warf ihn zu Boden. Er kniete sich auf ihn und suchte in der Rüstung nach einer Lücke, um in diese Lücke das Schwert in den Körper hinein zu stoßen. Er hämmerte mit aller Kraft mit dem Schwert auf den Helm des unter ihm liegenden Mannes ein, schlug auf die Scharniere, bis er einen Zugang zum Körper fand. Er zog den Dolch und stieß dem Mann am Boden den Dolch in den Hals, bis zum Heft. Bei dem Mann am Boden setzte ein Flattern der Augen und der Glieder ein. Der Mann mit dem blutenden Bein blieb auf dem Mann mit dem Dolch im Hals sitzen, bis der Mann am Boden tot war. Männer, Frauen - was für ein Wahnsinn.
Eric Jager: "Auf Ehre und Tod". Ein ritterlicher Zweikampf um das Leben einer Frau. Aus dem Amerikanischen von Ilse Strasmann. Deutsche Verlags-Anstalt, München 2006. 270 S., geb., 19,90 [Euro].
Jan Eckhard, Thomas Klein: "Männer, Kinderwunsch und generatives Verhalten". Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2006. 193 S., br., 29,80 [Euro].
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"Eines der interessanten Ergebnisse lautet: Während sich Arbeitslosigkeit bei Männern auf den Kinderwunsch negativ auswirkt, wirkt sie bei Frauen tendenziell positiv. Wer eine wirksame Familienpolitik realisieren möchte, kann auf solche Forschungsergebnisse nicht verzichten." GiP - Gleichstellung in der Praxis, 05/2007
"[...] [der] Band füllt insofern eine Forschungslücke, als sich die Mehrzahl der Forschungen und der statistischen Erhebungen noch immer auf das Thema Mutterschaft konzentriert. Die Autoren liefern interessante quantitative Ergebnisse." www.querelles-net.de, 03.07.2007
"Insgesamt ist der ausführliche Bericht als sehr informativ zu bewerten. Die umfassende Einleitung sowie die Schlussbetrachtung sind überaus hilfreich." Mailingliste Vernetzungsstelle für Gleichberechtigung, Frauenbeauftragte und Gleichstellungsbeauftragte, 03/2007
"[...] [der] Band füllt insofern eine Forschungslücke, als sich die Mehrzahl der Forschungen und der statistischen Erhebungen noch immer auf das Thema Mutterschaft konzentriert. Die Autoren liefern interessante quantitative Ergebnisse." www.querelles-net.de, 03.07.2007
"Insgesamt ist der ausführliche Bericht als sehr informativ zu bewerten. Die umfassende Einleitung sowie die Schlussbetrachtung sind überaus hilfreich." Mailingliste Vernetzungsstelle für Gleichberechtigung, Frauenbeauftragte und Gleichstellungsbeauftragte, 03/2007