Produktdetails
- Geschlechterforschung
- Verlag: Beltz Juventa
- Seitenzahl: 260
- Deutsch
- Abmessung: 210mm
- Gewicht: 282g
- ISBN-13: 9783779913627
- Artikelnr.: 27450777
- Herstellerkennzeichnung Die Herstellerinformationen sind derzeit nicht verfügbar.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 18.03.1998Männer stehen immer unter Strom
Nach Wilfried Gottschalch ist die Geburt der Anfang der Aggression
"Männlichkeit und Gewalt": Wie sehr haben wir auf dieses Thema gewartet. Die Gewaltdebatte, ob in der Wissenschaft oder in der Öffentlichkeit geführt, leidet unter einem seltsamen Skotom - sie ist geschlechtsneutral. Die Erforschung der Unterschiede im Aggressionsverhalten bei Männern und Frauen steht erst am Anfang. Der Minimalkonsens lautet bisher: Männer leben ihre Gewalt als Rivalitätsaggression oder sadistisch nach außen; Frauen verarbeiten Aggressionen eher masochistisch, sie richten sie gegen sich selbst oder äußern sie verdeckt als List, Eifersucht und Neid.
Der feministischen Sprachregelung zufolge hat das Patriarchat dem Mann die Dominanz, der Frau nur die Unterwerfung zugebilligt. Stillschweigend unterstellen alle Aggressionstheorien, daß das Reservoir an aggressiver Energie bei beiden Geschlechtern gleich sei. Ein Blick in die Geschichte sollte uns eines Besseren belehren. Die Gewalt war schon immer eine Domäne des Mannes und wird es auf Grund seiner Triebausstattung immer bleiben. Der Ausgang des ewigen Konfliktes zwischen seiner primären Natur und deren kultureller Überformung steht ständig auf Messers Schneide.
Endlich scheint jemand dieses Tabu brechen zu wollen. So wenigstens liest sich der Buchtitel des renommierten Gesellschaftswissenschaftlers Wilfried Gottschalch. Er verspricht, das phylogenetische Erbe bis "in die Abgründe der Männlichkeit" auszuloten. Leider tut er das dann aber nicht. Im Vorwort formuliert der Autor zwei Hypothesen. "Erstens: der Hintergrund der Männlichkeit ist weiblich; zweitens: geschlechtsbezogen gedacht, hat die Gewalt ein Janusgesicht, mal zeigt sie männliche, mal weibliche Aspekte." Man steht wieder am Anfang. Die weitere Lektüre bestätigt das gängige Muster. Zur Begründung seiner Hypothesen rekapituliert Gottschalch die psychoanalytische Entwicklungspsychologie anhand ausführlicher Zitate von Abraham über Freud bis Zulliger. Dabei erfährt man über weibliche Gewalt ebensoviel wie über männliche, wobei der Gewaltbegriff verschwommen bleibt.
Wo liegen für den Autor die Wurzeln der Gewalt? Sie beginne als "Urhaß" auf die Mutter, weil diese das Kind aus der uterinen Geborgenheit in die Welt hinausgestoßen hat, wird in der Geschwisterrivalität verstärkt und gipfelt im ödipalen Vater-Sohn-Konflikt. Die Gewalt des Mannes habe mit seinem Gebärneid zu tun, die der Frau mit ihrem Penisneid. Die Grundlage der Aggression sieht Gottschalch in dem von Freud postulierten Todestrieb. Bestimmte Gesellschaftsstrukturen und die Bedingungen der Arbeitswelt können die Gewaltbereitschaft verstärken oder mildern. Das eigentliche Drama der männlichen Gewalt kommt nicht zur Aufführung. Anregend ist die Szenenfolge über die Entstehung von Wut-, Haß-, Scham- und Schuldaffekten dennoch ausgefallen. Sympathisch ist die Art, wie Gottschalch autobiographische Erfahrungen prüft. HORST PETRI
Wilfried Gottschalch: "Männlichkeit und Gewalt". Eine psychoanalytisch und historisch soziologische Reise in die Abgründe der Männlichkeit. Juventa Verlag, Weinheim 1997. 260 S., br., 36,80 DM.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Nach Wilfried Gottschalch ist die Geburt der Anfang der Aggression
"Männlichkeit und Gewalt": Wie sehr haben wir auf dieses Thema gewartet. Die Gewaltdebatte, ob in der Wissenschaft oder in der Öffentlichkeit geführt, leidet unter einem seltsamen Skotom - sie ist geschlechtsneutral. Die Erforschung der Unterschiede im Aggressionsverhalten bei Männern und Frauen steht erst am Anfang. Der Minimalkonsens lautet bisher: Männer leben ihre Gewalt als Rivalitätsaggression oder sadistisch nach außen; Frauen verarbeiten Aggressionen eher masochistisch, sie richten sie gegen sich selbst oder äußern sie verdeckt als List, Eifersucht und Neid.
Der feministischen Sprachregelung zufolge hat das Patriarchat dem Mann die Dominanz, der Frau nur die Unterwerfung zugebilligt. Stillschweigend unterstellen alle Aggressionstheorien, daß das Reservoir an aggressiver Energie bei beiden Geschlechtern gleich sei. Ein Blick in die Geschichte sollte uns eines Besseren belehren. Die Gewalt war schon immer eine Domäne des Mannes und wird es auf Grund seiner Triebausstattung immer bleiben. Der Ausgang des ewigen Konfliktes zwischen seiner primären Natur und deren kultureller Überformung steht ständig auf Messers Schneide.
Endlich scheint jemand dieses Tabu brechen zu wollen. So wenigstens liest sich der Buchtitel des renommierten Gesellschaftswissenschaftlers Wilfried Gottschalch. Er verspricht, das phylogenetische Erbe bis "in die Abgründe der Männlichkeit" auszuloten. Leider tut er das dann aber nicht. Im Vorwort formuliert der Autor zwei Hypothesen. "Erstens: der Hintergrund der Männlichkeit ist weiblich; zweitens: geschlechtsbezogen gedacht, hat die Gewalt ein Janusgesicht, mal zeigt sie männliche, mal weibliche Aspekte." Man steht wieder am Anfang. Die weitere Lektüre bestätigt das gängige Muster. Zur Begründung seiner Hypothesen rekapituliert Gottschalch die psychoanalytische Entwicklungspsychologie anhand ausführlicher Zitate von Abraham über Freud bis Zulliger. Dabei erfährt man über weibliche Gewalt ebensoviel wie über männliche, wobei der Gewaltbegriff verschwommen bleibt.
Wo liegen für den Autor die Wurzeln der Gewalt? Sie beginne als "Urhaß" auf die Mutter, weil diese das Kind aus der uterinen Geborgenheit in die Welt hinausgestoßen hat, wird in der Geschwisterrivalität verstärkt und gipfelt im ödipalen Vater-Sohn-Konflikt. Die Gewalt des Mannes habe mit seinem Gebärneid zu tun, die der Frau mit ihrem Penisneid. Die Grundlage der Aggression sieht Gottschalch in dem von Freud postulierten Todestrieb. Bestimmte Gesellschaftsstrukturen und die Bedingungen der Arbeitswelt können die Gewaltbereitschaft verstärken oder mildern. Das eigentliche Drama der männlichen Gewalt kommt nicht zur Aufführung. Anregend ist die Szenenfolge über die Entstehung von Wut-, Haß-, Scham- und Schuldaffekten dennoch ausgefallen. Sympathisch ist die Art, wie Gottschalch autobiographische Erfahrungen prüft. HORST PETRI
Wilfried Gottschalch: "Männlichkeit und Gewalt". Eine psychoanalytisch und historisch soziologische Reise in die Abgründe der Männlichkeit. Juventa Verlag, Weinheim 1997. 260 S., br., 36,80 DM.
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