Aus dem Buch: "Mehr als eine Stunde später saß der Mann der Heilkunde, bereit, mir seine Unheilkunde zu geben, unter der weitschattigen Linde in meinem Garten, mir gegenüber. Wir hatten eine Flasche ehrlichen, reinen Julius-Spital-Weines zwischen uns - der allgemeine und wirksamste Tröster jeglichen Menschenleides ist im Laufe des schwindelhaften Jahrhunderts ein so unsicherer Geselle und arglistig gemischter Charakter geworden, daß man seiner Aufrichtigkeit und Harmlosigkeit erst sicher, wenn man ihn als Spitalgreis ermittelt. Dazu gurrten die Tauben auf dem nahen Dach, die Bienen summten in den Lindenblüten, und einzelne Sonnenstrahlen glitten durch das Laubdach bis in unsere Kelchgläser hinein, um goldene Lichter darin zu entzünden; es war wohl nicht der rechte Ort und die richtige Stunde, um da eine dubiöse Mordgeschichte anders als mit einem absoluten Drange zu mildchristlicher Skepsis aufzunehmen." Levin Schücking (1814-1883) war ein deutscher Schriftsteller und Journalist.