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"Nach meinem Tod", sagte Maarten 't Harts Mutter oft, "kannst du über mich schreiben, was du willst, aber verschone mich, solange ich lebe." Der Sohn, einer der berühmtesten europäischen Romanciers, hat sich daran gehalten. Er hat bislang nicht davon erzählt, wie ausgerechnet ein kaputter Hosenträger die Liebe zwischen seinen Eltern stiftete, hat verschwiegen, dass sein Vater im Grunde der Überzeugung war, man könne ein Pferd mehr lieben als eine Frau. Nun aber, drei Jahre nach dem Tod der Mutter, erscheint "Magdalena": ein Buch über das große Geheimnis, das sich Kindern hinter dem…mehr

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Produktbeschreibung
"Nach meinem Tod", sagte Maarten 't Harts Mutter oft, "kannst du über mich schreiben, was du willst, aber verschone mich, solange ich lebe." Der Sohn, einer der berühmtesten europäischen Romanciers, hat sich daran gehalten. Er hat bislang nicht davon erzählt, wie ausgerechnet ein kaputter Hosenträger die Liebe zwischen seinen Eltern stiftete, hat verschwiegen, dass sein Vater im Grunde der Überzeugung war, man könne ein Pferd mehr lieben als eine Frau. Nun aber, drei Jahre nach dem Tod der Mutter, erscheint "Magdalena": ein Buch über das große Geheimnis, das sich Kindern hinter dem Zusammenhalt der Eltern zu verbergen scheint, ein ungeschminktes Zeugnis dessen, was der begnadete Erzähler 't Hart bislang alles nicht erzählt hat, und ein schmerzvoll schönes Buch über Mutter und Sohn.
Autorenporträt
Maarten 't Hart, geboren 1944 in Maassluis, studierte Verhaltensbiologie, bevor er sich als Schriftsteller niederließ. 1997 erschien auf Deutsch sein Roman "Das Wüten der ganzen Welt", der zu einem überragenden Erfolg wurde. Nicht zuletzt seine autobiografischen Bücher machten ihn zu einem der renommiertesten europäischen Gegenwartsautoren, dessen Bücher sich allein im deutschsprachigen Raum über 2 Millionen Mal verkauft haben.
Rezensionen
"Fesselnd", Freundin, 16.11.2016

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Mit gemischten Gefühlen bespricht Oliver Jungen Maarten 't Haarts neuen Roman "Magdalena", der sein großes autobiografisches Projekt abschließt. Einmal mehr bewundert der Kritiker den forschenden, authentischen und gänzlich unsentimentalen Blick des Autors auf das eigene Leben, liest entsprechend fasziniert nach, wie sich der Sohn von den protestantischen Werten der frommen und unnahbaren Mutter löst, um sich ihr schließlich doch anzunähern und dabei eine untergegangene Epoche wieder aufleben lässt. Zugleich muss Jungen aber feststellen, dass einige Episoden des Romans nicht nur allzu kraft- und pointenlos wirken, sondern auch den Kern der Erzählung aus den Augen verlieren. Nichtsdestotrotz lohnt die Lektüre dieses Buches, schon allein wegen des grandiosen Beerdigungskapitels, das eine scharfsinnige und wissenschaftliche Reflexion über das Apostolische Glaubensbekenntnis enthält, schließt der Rezensent.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 14.11.2015

Heikle Pause vom Nichtsein

Muttermal: Der niederländische Schriftsteller Maarten 't Hart schließt mit seiner Familiengeschichte "Magdalena" die letzte Lücke in seinem großen autobiographischen Projekt.

Ob es wohl sündhaft ist, wenn man in einem Roman, der erkennbar nah am eigenen Leben entlangführt und in Ich-Form verfasst ist, die Mutter sterben lässt? Der Niederländer Maarten't Hart hat genau das 1978 getan. Erschwerend kommt hinzu, dass "Ein Schwarm Regenbrachvögel" ein großer Erfolg war, den Durchbruch des ausgebildeten Verhaltensbiologen als Schriftsteller bedeutete. Nach und nach entstand nun ein umfassendes, ob seines Plaudertons gerne unterschätztes OEuvre. Man kann dieses Werk als lebenslange Beschäftigung eines klugen Rationalisten mit der das Verhalten der eigenen Spezies prägenden Vernunftwidrigkeit des Glaubens (in den Spielarten des niederländischen Protestantismus) lesen, ebenso als phantasiereiche Improvisation eines Sinnenmenschen, der sich zum hochbegabten Außenseiter stilisiert und immer wieder, einer Droge gleich, der Übergewalt klassischer Musik ausliefert. Das wichtigste Kennzeichen dieses Werks aber ist seine autobiographische Dimension.

Das eigene Leben als Stoffgrundlage zu nutzen, ist zwar alles andere als außergewöhnlich, aber 't Hart nähert sich der eigenen Biographie als Forscher, nicht als Befindlichkeitspoet. Wiederkehrende Grundsituationen behandelt er wie Versuchsreihen, leitet Thesen über die Gesellschaft daraus ab. Diese Ehrlichkeit, die auch den heiligen Abwehrkampf gegen die Intelligenz nicht höflich verschweigt oder bescheiden ironisiert, verleiht seinen Büchern einen hohen Grad an Authentizität.

In den Niederlanden gehören die Umschwünge in 't Harts Leben inzwischen zum Allgemeinwissen. Den Tod des Vaters hat der Autor bereits vor drei Jahrzehnten verarbeitet ("Gott fährt Fahrrad"), doch die - wirkliche - Mutter schien bislang weitgehend ausgespart. Der Grund war schlicht: Trotz Parkinson-Erkrankung und Abneigung gegen alles Gesunde wurde Magdalena van den Giessen, spätere 't Hart und Lock, steinalt. Erst nach ihrem Tod im Jahre 2012 war für 't Hart eine von falschen Rücksichten freie Betrachtung der Bedeutung dieses Zentralgestirns im Universum der eigenen Biographie möglich. Der Autor hat dabei der Versuchung widerstanden, seine Heldin zu überhöhen. Aus vielen Erinnerungsbildern setzt sich das Porträt einer penetrant frommen, unnahbaren, furchtsamen sowie hochgradig eifersüchtigen Frau zusammen. Freilich war sie auch die erste Liebe des jungen Maarten: "Nie hat sie gegen meinen andächtigen Voyeurismus protestiert."

Mehr noch als der Vater repräsentiert Mutter Magdalena in ihrer Psalmengläubigkeit für 't Hart eine untergegangene Epoche. Obwohl selbst einst Klassenbeste, lehnte sie es strikt ab, dass ihre Kinder die weiterführende Schule besuchten ("das ist zu nichts nutze") oder sich auch nur die Zähne putzten ("das ist doch idiotisch"). Stummes Erdulden hieß ihre Maxime. Stets fand ihr Sohn aber doch einen Weg, das Gewünschte zu erreichen. Das Buch ist mithin kein Epitaph, sondern die oft komische Geschichte einer Annäherung an die Mutter, die nur über eine Ablösung von den Werten, für die sie stand, funktionieren konnte. Früh musste der Erzähler sich entscheiden zwischen Folgsamkeit und kritischer Vernunft, und er wählte Letztere, bewies etwa anhand detaillierter Rechnungen, dass Noahs Arche niemals so schnell hat befüllt werden können, wie die Heilige Schrift angibt. Oder er hinterfragte den göttlichen Heilsplan angesichts des Holocaust. Kaum ein Buch 't Harts kommt ohne diese Schelmenperspektive aus. Hier aber findet der Zweifelnde über diesen Umweg zu seiner Mutter, deutet sich ein geheimes, alle Lehrsätze untergrabendes Einverständnis an.

Und doch fehlt der vorliegenden "Familiengeschichte" die Zugkraft der früheren Erzählungen. Das liegt weniger daran, dass der Autor einige der Begebenheiten bereits an anderer Stelle erzählt hat, als daran, dass die im Stile eines Fotoalbums durchblätterten Episoden an sich eher unspektakulär scheinen. Mal lesen wir Kindheitsanekdoten, dann wird ohne rechte Pointe von den Aphthen im mütterlichen Mund gehandelt, von Magdalenas Nähereien oder den Erlebnissen mit ihrem zweiten, an Alzheimer leidenden Ehemann. Spannend ist daran vielleicht die Frage nach dem Verhältnis von Demenz und Glaube, die hier aber eine Frage bleibt. Desolat oft wird wiederholt, dass die Heldin dem Vater des Erzählers, einem harmlosen Pferdenarren, ein Leben lang unterstellte, heimlich "Miezen" zu vernaschen. Das alles liest sich nett, wirkt aber wenig fokussiert. Am ehesten kann noch der wohlmeinende Betrug, der auf vielen Ebenen begegnet, als leitthematische Rahmung gelten.

Im Beerdigungskapitel läuft der Autor freilich zu alter Form auf, schaltet eine zeilengenaue, wissenschaftlich abgefederte Reflexion über das Apostolische Glaubensbekenntnis ein. Mit gespielter Naivität und herrlichem Sarkasmus rückt er "diesem bizarren, hoffnungslosen, stark überschätzten, dämlichen Unsinnsgebet" zu Leibe. Und er endet anlässlich Magdalenas Tod mit einer Frage, die wohl kaum zu beantworten ist, aber ein weiteres Buch durchaus rechtfertigt, nämlich die, "wozu es in Gottes Namen gut war, diesen vollkommenen, unantastbaren, reinen Zustand des Nichtseins für so etwas zeitlich Befristetes und Heikles wie das Dasein zu unterbrechen".

Eine mögliche Antwort wird immerhin angedeutet: "um Bach zu hören". Und wenn man weiß, welche Sünde dieser Komponist dem Autor wert ist, kann man darin vielleicht die schönste, verdrehteste Liebeserklärung an die Mutter erkennen, die schließlich das Eingangstor darstellte in diese heikle Zwischenwelt, in der so etwas Göttliches wie "das ,Air' aus der Dritten Suite" existiert.

OLIVER JUNGEN.

Maarten 't Hart: "Magdalena". Eine Familiengeschichte.

Piper Verlag, München 2015. 316 S., geb., 22,- [Euro].

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