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Schamanimus im Land der Päpste! Was der Tübinger Professor für Ethnologie im süditalienischen Ripacandida entdeckte, wird selbst eingefleischte Italienreisende überraschen. Inmitten der allmächtigen Strukturen der katholischen Kirche gibt es einen modernen europäischen Schamanismus.
Anfang der 80er Jahre begann Thomas Hauschild seine ethnologische Feldforschung in Ripacandida / Lukanien. Die "magischen" Strukturen sind so stark, dass sie als elementare Form des religiösen Lebens noch bis heute weiter bestehen. Hauschilds ethnologische Studie wird zur Kirchen- und Kulturgeschichte. Denn die…mehr

Produktbeschreibung
Schamanimus im Land der Päpste!
Was der Tübinger Professor für Ethnologie im süditalienischen Ripacandida entdeckte, wird selbst eingefleischte Italienreisende überraschen. Inmitten der allmächtigen Strukturen der katholischen Kirche gibt es einen modernen europäischen Schamanismus.
Anfang der 80er Jahre begann Thomas Hauschild seine ethnologische Feldforschung in Ripacandida / Lukanien. Die "magischen" Strukturen sind so stark, dass sie als elementare Form des religiösen Lebens noch bis heute weiter bestehen. Hauschilds ethnologische Studie wird zur Kirchen- und Kulturgeschichte. Denn die Kirchenväter müssen sich immer wieder mit den mächtigen traditionellen Riten des Lebens und Sterbens auseinandersetzen. Hauschild deckt auch die Machtstrukturen hinter den Praktiken der Heilerinnen und Heiler auf: Die Eliten beziehen ihre Macht vor allem aus den Anstrengungen der Frauen.
Autorenporträt
THOMAS HAUSCHILD, geb. 1955 in Berlin/West ist Professor für Ethnologie in Tübingen. Er forscht über kulturelle und körperliche Reserven gegen die Globalisierung und spirituelle Bewegungen im euromediterranen Raum. Er ist Autor zahlreicher Bücher wie "Hexen", "Der böse Blick", "Europäische Ethnologie" u. v. a.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 17.01.2003

Geheimrezepte
Thomas Hauschilds Reiseführer in
ein magisches Süditalien
Wunscherfüllungen gehören zur Reiseliteratur dazu – allerdings zerfallen ihre Gegenstände dabei meist wie der mühsam ausgegrabene Schatz, der sich bei Tageslicht als Billigschmuck von nebenan erweist. Um so magischer leuchten jene Momente, in denen eine Reiseroute nach vielen Enttäuschungen tatsächlich ans Ziel ihrer Wünsche gelangt. Thomas Hauschilds Buch über „Macht und Magie in Italien” ist ein solcher unwahrscheinlicher Wurf, der nicht mehr und nicht weniger verspricht, als der deutschen Italiensehnsucht bis an ihre Quellen nachzugehen, bis an jene Orte, an denen sich das italienische Alltagsleben bildet und regeneriert.
Dabei ist der Zielort dieses Versprechens eine Kleinstadt, wie sie jede deutsche Touristenfamilie schon einmal in Süditalien besucht hat. Ein beliebiger und unverwechselbarer Ort im Zentrum der Basilikata: Ripacandida, Stadt des Heiligen Donatus. Und weil Italien die großen Pilgerfahrten der deutschen Literatur auslöste, werden an diesem Ort die klassischen Wünsche ausbuchstabiert, die von deutschen Bildungsreisenden und Touristen mitgebracht wurden. Es geht um das Versprechen einer sinnlichen Erkenntnis, die dem kalten Norden und seinen Kulturprotestanten abgeht, um die Scheu vor einer Sozialkultur, in der einem ständig Gefälligkeiten aufgedrängt und abgeschwatzt werden, aber auch um die Faszination des italienischen Katholizismus, der dem Norden in seinen Reliquienkulten geradewegs aufs Heidentum zurückzugehen schien.
Alle drei Klischees werden ethnographisch auseinandergenommen und wieder zusammengesetzt, auch Heidentum und Christentum tauschen dabei auf furiose und dennoch gut katholische Weise die Plätze. Magische Praktiken der Einweihung, des Bindens und Lösens erweisen sich als jene alltägliche Substanz, ohne die das Leben nicht zum Lebenslauf werden könnte, eine Substanz, auf der jeder ungleiche Tausch zwischen Frauen und Männern, Laien und Priestern, Klienten und Politikern aufbaut.
Aus dem Ei gepellt
Die katholische Kirche – die erfolgreiche „älteste Bürokratie und Zensurbehörde der Welt” – gewinnt ihre Dynamik durch die Macht ihrer magischen Ränder, durch weibliche Heilungen und lokale Heiligenkulte, die sie zugleich ermuntert und zensiert. Die Pflege des Nächsten wird dabei zum Schmiermittel der Macht. Erfolgreiche italienische Politiker wirken „wie aus dem Ei gepellt”, weil die Macht „nur den abnutzt, der sie nicht hat” – wer sich in der Mitte der Macht aufhält, erfährt ihre balsamische Wirkung.
Der genauere Einblick in diese Zusammenhänge verlangt einige Revisionen. Während die deutschen Reisenden in der sinnlichen Erkenntnis Italiens meist schlicht die Freuden des Lebens feierten, quillt hier der Körper mit seinen Auflösungserscheinungen aus den Buchnähten. Ohne einen Schauer über den Rücken kommt niemand davon, denn was Thomas Hauschild im Laufe seiner langjährigen Feldforschung in Ripacandida erlebt hat, ist ein „katholischer Schamanismus”, der mit Toten und Untoten freundschaftlichen Umgang pflegt. Es geht um das Wechselspiel von Verhexung und Besessenheit, um Zittern und Kotzen: elementare Techniken, der Gebrechlichkeit und Unvernunft des Körpers eine eigene experimentelle Vernunft abzuringen. Geistererscheinungen und Familienbeziehungen, Gefühle und Krankheitssymptome werden solange in einander übersetzt, bis die Besserung eines Bereichs auf alle anderen übergreift.
Die bittere Wahrheit dieser sinnlichen Erkenntnisform, die bei gestiegenem Wohlstand zum Hedonismus stilisiert werden kann, heißt „Magie”. Aber auch die anderen deutschen Italienklischees geraten auf ihrer süditalienischen Nachtseite in Mitleidenschaft. Während die Abwehr der italienischen Klientelwirtschaft in den deutschen Medien an der Verflechtung von Politik und Mafia festgemacht wird, befindet sich Ripacandida in einem mafiafreien Raum. Daher lässt sich der Austausch von Gefälligkeiten einmal ohne Kriminalistik beobachten, und der metaphysische Glanz der Patenschaft bricht hier weniger aus Don Corleones Schatten als aus dem alles überwölbenden Heiligenkult von San Donato.
Deutschland ist eine Sehnsucht derer, die Vernunft und Ordnung herrschen sehen wollen, die sich einen Alltag wünschen, der ohne Notbehelfe und Erdbeben funktioniert. Bekanntlich klaffen in der deutschen Geschichte Ordnung und Vernunft immer etwas auseinander, und Störanfälligkeit und Improvisation – von Korruption ganz zu schweigen – sind mittlerweile Schlüsselwörter für den deutschen Alltag geworden. Die jahrhundertelange deutsch-italienische Spiegelung scheint daher – so kann man nach den 700 grandiosen Seiten dieses Buches sagen – an einem unbekannten Umschlagpunkt angelangt.
Es wird Zeit, neue Wünsche zu formulieren für einen deutschen Michel, dessen neuerliches Unwohlsein nicht mehr durch weitere Toskanafreuden, sondern nur noch durch die bitteren süditalienischen Kräuter zu beheben wäre. Der alte Wunsch, das deutsche Wesen durch Italienreisen genesen zu lassen, hat durch Thomas Hauschild ein ethnoliterarisches Zauberhandbuch gefunden.
ERHARD
SCHÜTTPELZ
THOMAS HAUSCHILD: Macht und Magie in Italien. Über Frauenzauber, Kirche und Politik. Merlin Verlag, Gifkendorf 2002. 709 Seiten, 24,80 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 30.12.2002

Das gibt Ärger mit den akademischen Betreuern
Wo Magie und Christentum am selben Holz wachsen: Thomas Hauschild hat mit Italienern gefeiert

Auch wenn Walpurgisnacht und Halloween schon hinter uns liegen, so haben doch Aberglaube und magischer Firlefanz nach wie vor Saison, auch südlich der Alpen, zumal zur Jahreswende. Moderne italienische Hexen hausen in Hütten an den Hängen des Vesuv und trachten danach, aus seltenen Münzen Talismane zu schmelzen. Heilende Frauen und Magier, die etwas mehr auf Tradition achten, finden sich in der ärmlichen, immer wieder von Naturkatastrophen gebeutelten Provinz Basilicata, dem Lukanien der Antike.

Das Zentrum des frühneuzeitlichen Hexenwahns der Apenninenhalbinsel bildete das nahe gelegene Benevent, Hauptort des gleichnamigen frühmittelalterlichen Fürstentums der Langobarden, das vom Jahre 1051 bis zur Einigung Italiens 1860 dem Kirchenstaat angehörte. Den gestreng forschenden Blicken der Inquisition zum Trotz soll der jährliche Hexensabbat genau dort Jahrhunderte hindurch abgehalten worden sein. Über magische Folklore des ausgehenden zwanzigsten Jahrhunderts in Ripacandida, einer kleinen Gemeinde mitten in der Basilicata, hat der in Tübingen lehrende Ethnologe Thomas Hauschild immerhin auch einige Jahre lang Feldforschung betrieben.

Die Provinz am Golf von Tarent, eingekeilt zwischen Kampanien und Apulien, gilt heute als eine der eher traditionell orientierten Regionen Italiens. Wenig erstaunlich, daß sich dort eine besonders bodenverhaftete Form des Katholizismus erhalten hat. Hauschild präsentiert die Bevölkerung freilich nicht als skurrile Sonderlinge oder verstockte Verweigerer, er zeichnet ein fast schon liebevolles Bild eines hart arbeitenden Menschenschlages, der kein rechtes Vertrauen in die sogenannten Segnungen der Moderne fassen mag, weil gerade diese Moderne sich immer nur an den Menschen des Südens bereichert hat.

Drei große thematische Blöcke führt der Autor aufgrund seiner Forschungsergebnisse dazu ins Treffen, und in diese Kapitel ist auch der Hauptteil des Werkes gegliedert: Leben - Magie - Macht. Das Leben wird in der Basilicata offenbar stark vom Tod geprägt. Der Tod ist aber mehr als das Ende des Lebens, die Vorstellung von ruhelosen Geistern beherrscht die Magie der Region, und zu diesen Phantomen zählt auch der Schutzpatron des Volkes. In Ripacandida ist dies Sankt Donatus, ein nicht mehr offiziell von der Kirche anerkannter angeblicher Märtyrerbischof von Arezzo. Aber die zahlreichen Geistheiler des Ortes beziehen sich sowieso auf die Allerheiligste Dreifaltigkeit und die Gottesmutter und das ganze zölestische Personal, wenn sie ihren Hokuspokus aufführen (im buchstäblichen Sinne des Wortes, stammt diese Bezeichnung doch von dem mißverstandenen lateinischen Satz bei der Wandlung, dem Kern der katholischen Eucharistiefeier: "Hoc est corpus meum" - "Das ist mein Leib").

So fügt es sich, daß in dieser mit katholischem Urgestein ausgelegten Lebenswelt auch die vom Christentum eigentlich überwundene Magie ihren festen Platz einnehmen kann. Tatsächlich zeigt sich, daß dieselben Menschen, die in diesem Landstrich mit der Magie liebäugeln, auch regelmäßig in die Kirche gehen und bei den zahlreichen Prozessionen tief in den Geldbeutel greifen, um zu spenden - allerdings für den inoffiziellen Heiligen "direkt"; der Anspruch des Pfarrers, auf dieses Spendengeld zugreifen zu dürfen, wird hartnäckig und erfolgreich bestritten.

Komplexer verhält es sich mit dem paradoxen Fortbestehen einiger schamanistischer Bräuche, die sich in grauen Vorzeiten wohl überall gefunden haben, aber meistens irgendwann verschwunden sind. Unter Heranziehung der einflußreichen Studien des italienischen Volkskundlers Ernesto de Martini aus den fünfziger Jahren rekonstruiert Thomas Hauschild neben Belegen für die Thesen der longue durée sogar einige Stammbäume von zwei Magierdynastien. Die Heilerinnen nutzen von Kräutern bis Körpersekreten vielerlei, um ihren zauberischen Formeln Wirkmächtigkeit zu verleihen, die männlichen Magier hingegen bieten bisweilen ein schon fast psychologisch zu nennendes Repertoire an. Auf die Hilfe der Totengeister oder auch auf den Kampf gegen sie mögen beide nicht verzichten.

Die Kirche sieht dieses Treiben vielleicht nicht gerne, doch Tatsache ist, daß sie auch daraus ein Netz zum Seelenfang zu weben versteht, gelingt es ihr doch, selbst den Hexen und Hexern einen Platz im Gefüge des christlichen Kosmos zuzuweisen, oder besser gesagt, ordnen sich diese selbst da hinein. Schließlich hat die Kirche über Jahrhunderte hinweg erfolgreich das Patenschaftssystem ausgebaut und benutzt, eine Strategie, derer sich - freilich unter anderen Vorzeichen - auch einige andere ehrenwerte Gesellschaften bedienten, gerade im Mezzogiorno und mit den zahlreichen Auswanderern (Wirtschaftsflüchtlingen) von dort dann auch in den Vereinigten Staaten von Amerika.

Das Buch verschweigt diese Verbindungen nicht: "Magie und Religion in Süditalien sind Prozesse der Entscheidung darüber, von wem man sich trösten läßt und auf wessen Macht man sich einläßt und wen man wieder austreibt aus der Familie."Die ganze katholische Gemeinde wird auch als Patenschaft verstanden, alle sind gleichsam Patenkinder der Heiligen. Wenn diese Paten nicht mehr unter den Lebenden weilen, um so besser stellt es sich für Pfarrer und Geisterheiler dar. In den Bereich der Macht gehört auch, daß Frauen zwar offenbar die erfolgreicheren Heiler sind, die Männer aber die besseren Geschäfte machen. Sobald richtiges Geld und damit Wirtschaftskraft ins Spiel kommt, übernehmen die Herren der Schöpfung.

Das Problem des Werkes kann man in zwei Hauptpunkten zusammenfassen. Erstens ist es die Methode der teilnehmenden Ethnologie selbst, die Kritik hervorrufen mag. Der Autor hat mit Unterbrechungen etwa dreizehn Jahre am Ort der Forschung gelebt (mit genauen Daten wird äußerst sparsam hantiert), und die Trennung zwischen Beobachtung und Erlebtem fällt für den Leser of schwer, auch schon rein vom Schriftbild: Werden doch sowohl Zitate als auch persönliche Bemerkungen durch Kursivierung hervorgehoben, und da durchaus nicht alle Zitate mit Fußnoten belegt sind, weiß man oft nicht, ob einen Gedanken nun der Magier Onkel Vito oder der Ethnologe Thomas Hauschild geäußert hat.

Zweitens erweckt die Arbeit den Eindruck eines Zwischenberichts ("Schon wenige Wochen später werde ich Ärger mit den akademischen Betreuern in Deutschland bekommen"), der recht ungeordnet abgedruckt wird. Die drei Blöcke Leben - Magie - Macht finden sich im Inhaltsverzeichnis, im Text selbst wird diese Trennung nicht aufrechterhalten, es geht durcheinander, vieles wird mehrfach berichtet, und die Geister der Toten lugen hinter jeder Ecke hervor. Dies ist ein interessanter Beitrag zur Bedeutung von Text als Gewebe, als Intertextualität, aber ein wenig mühsam zu lesen. Dafür dient das beigelegte Heiligenbildchen von Sankt Donatus als praktisches Lesezeichen.

MARTIN LHOTZKY

Thomas Hauschild: "Magie und Macht in Italien". Über Frauenzauber, Kirche und Politik. Merlin's Bibliothek der geheimen Wissenschaften und magischen Künste, Band 13. Merlin Verlag, Gifkendorf 2002. 709 S., 64 Abb., 1 Heiligenbildchen, geb., 24,50 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Viel Interessantes kann Martin Lhotzky diesem Buch über Magie und Christentum in der süditalienischen Provinz Basilicata abgewinnen. Hier arbeiten die Menschen hart, beten viel und mögen kein besonderes Vertrauen in die Moderne fassen, die sich an ihnen immer nur bereichert hat. So nehme es nicht wirklich Wunder, dass in diesem katholischen Urgestein sich zugleich äußerst lebhafte Formen der Magie und des Schamanismus erhalten haben. Ruhelose Geister der Verstorbenen, Hexen und Hexer fügen sich problemlos in das Gefüge des christlichen Kosmos. Die Kirche sehe dem Treiben zwar nicht gerne zu, so Lhotzky, verstehe aber durchaus, "ein Netz zum Seelenfang zu weben". Dies alles, meint Lhotzky, stelle der Tübinger Ethnologe Thomas Hauschild, der immerhin dreizehn Jahre am Ort der Forschung gelebt hat, durchaus überzeugend dar. Allein zwei Probleme an der Arbeit moniert der Rezensent doch arg: Die Methode der teilnehmenden Beobachtung, die eine Trennung zwischen Erlebtem und Beobachtetem erschwere. Und ordentliche Bearbeitung des Textes.

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