Ende der 1980er Jahre. Adi lebt mit ihren Eltern und der älteren Schwester Dina im Diplomatenviertel von Daressalam, Tansania. Ein neues Baby, Mai, ist unterwegs, vier ältere Geschwister in der Heimat Zaire geblieben. Eine weitere Schwester, Tshadi, nach der Adi benannt wurde, ist schon als
Kleinkind gestorben, ein Verlust, der die Familie tief prägt. Adis Eltern sind streng, haben an ihre Kinder…mehrEnde der 1980er Jahre. Adi lebt mit ihren Eltern und der älteren Schwester Dina im Diplomatenviertel von Daressalam, Tansania. Ein neues Baby, Mai, ist unterwegs, vier ältere Geschwister in der Heimat Zaire geblieben. Eine weitere Schwester, Tshadi, nach der Adi benannt wurde, ist schon als Kleinkind gestorben, ein Verlust, der die Familie tief prägt. Adis Eltern sind streng, haben an ihre Kinder hohe, in der Tradition verwurzelte Ansprüche. Die Kinder dagegen, besonders Dina, haben einen moderneren Blick auf die Welt, eine Welt, in der man seinen eigenen Wünschen und Zielen folgen kann. Als zwei der älteren Kinder vor den Zuständen in Zaire zu ihren Eltern flüchten und ihre eigenen Zukunftsideen und Ansichten mitbringen, gerät das Gleichgewicht der Familie endgültig ins Schwanken und sie droht, an diesem Konflikt zu zerbrechen.
Kayo Mpoyi, die, selbst in der Demokratischen Republik Kongo geboren und in Tansania aufgewachsen, mit zehn Jahren nach Schweden kam, erzählt in „Mai bedeutet Wasser“ die Geschichte von Kabongo Mukendi und seiner Familie komplett aus der Sicht der zu Beginn des Buches etwa 5jährigen Adi, einem Kind, in dessen Familie nicht viel kommuniziert wird, und dass darum gezwungen ist, die Ereignisse auf Grund ihres eigenen Wissens und ihrer Beobachtungen zu interpretieren… und der Leser ist es automatisch auch. Wenig wird konkret ausgesprochen, vieles können wir nur erahnen oder auf Grund unseres größeren Erfahrungswertes besser oder zumindest anders einordnen, als Adi es tut. Und gerade dadurch, durch Adis Unschuld gepaart mit unserem Wissen, sind die Geschehnisse oft schwerer zu ertragen, zum Beispiel, wenn Adi wiederholt von einem Nachbarn im Tausch gegen ein paar Bonbons missbraucht wird, ohne wirklich verstehen zu können, was mit ihr passiert. Dabei bedient sich Mpoyi einer Sprache, die, eher poetisch als kindlich, trotzdem auf beeindruckende Weise immer glaubwürdig bleibt.
Wer ein größeres Bild von Daressalam oder gar Tansania erwartet, wird allerdings enttäuscht werden. Das Geschehen beschränkt sich weitestgehend auf das Haus und den Hof der Familie und spart auch dort mit genaueren Beschreibungen, so dass vor meinem inneren Auge keine deutlicheren Bilder entstanden sind. Zwar bieten die Geschichten der Vorfahren, die immer wieder eingeflochten werden, weitere Perspektiven, allerdings ebenfalls eher nebulöser Natur. Generell hat mir eine gewisse Greifbarkeit der Vorgänge gefehlt. Durch den Erzählstil bleibt vieles ungenau, in der Schwebe, was auf der einen Seite sicher so gewollt und gut umgesetzt ist, mir persönlich aber nicht gereicht hat.
In Schweden hat Kayo Mpoyi für „Mai bedeutet Wasser“ den Katapultpriset für das beste Debüt des Jahres 2020 erhalten. Alleine dafür, dass sie gleich in ihrem ersten Roman eine eigene Stimme gefunden hat, verdient. Aber auch die Ambivalenz des Lebens zwischen Moderne und Tradition und was diese mit Familiengefügen macht, fand ich ohne Vorschlaghammer und trotzdem anschaulich umgesetzt. Ich bin, trotz der Kritikpunkte, gespannt auf weitere Werke der Autorin.