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Ist es leichter glücklich oder unglücklich zu sein?Von Griechenland bis Niedersachsen, von den Fünfzigerjahren bis in die Gegenwart: In ihrem neuen Roman erzählt Vea Kaiser in ihrem einzigartigen Ton von der Glückssuche einer Familie und deren folgenreichen Katastrophen, von Möchtegern-Helden und Herzensbrechern. Und von der großen Liebe, die man mehrmals trifft. In einer niedersächsischen Kleinstadt wird die Erotik der deutschen Sprache entdeckt. In der österreichischen Provinz sehnt sich ein skurriler Schlagerstar nach einer Frau, die er vor 40 Jahren verlor. In einer Schweizer Metropole…mehr

Produktbeschreibung
Ist es leichter glücklich oder unglücklich zu sein?Von Griechenland bis Niedersachsen, von den Fünfzigerjahren bis in die Gegenwart: In ihrem neuen Roman erzählt Vea Kaiser in ihrem einzigartigen Ton von der Glückssuche einer Familie und deren folgenreichen Katastrophen, von Möchtegern-Helden und Herzensbrechern. Und von der großen Liebe, die man mehrmals trifft. In einer niedersächsischen Kleinstadt wird die Erotik der deutschen Sprache entdeckt. In der österreichischen Provinz sehnt sich ein skurriler Schlagerstar nach einer Frau, die er vor 40 Jahren verlor. In einer Schweizer Metropole macht ein liebeskranker Koch dank pürierter Ameisen Karriere. Und auf einer griechischen Insel sucht ein arbeitsloser Gewerkschafter verzweifelt seinen Ehering, um dem Tod ein Schnippchen zu schlagen. Doch alles beginnt in einem vom Krieg entzweiten Dorf an der albanisch-griechischen Grenze. Mit einer Großmutter und Kupplerin par excellence, die keine Intrige scheut, um den Fortbestand ihrer Familie zu sichern. Und mit der klugen, sturen, streitbaren Eleni und ihrem Cousin Lefti, der sich nichts sehnlicher wünscht als Frieden. Als Kinder unzertrennlich, entzweien sich die beiden umso stärker als Erwachsene. Und kommen doch nie voneinander los. Mit hinreißender Tragikomik, einem liebevollen Blick für Details und furioser Fabulierlust folgt Vea Kaiser der Geschichte einer unvergesslichen Familie, die auseinandergerissen werden musste, um zusammenzufinden. Ein Roman über das Aushalten von Sehnsucht und Einsamkeit, über Neuanfänge, Sandburgen für die Ewigkeit und die Schönheit des Lebens als Postkartenmotiv.
Autorenporträt
Kaiser, Vea§
Vea Kaiser wurde 1988 geboren und lebt in Wien, wo sie Altgriechisch, Latein und Germanistik studierte. Mit 23 Jahren veröffentlichte sie ihren Debütroman »Blasmusikpop oder Wie die Wissenschaft in die Berge kam«, der ebenso wie ihr Zweitling »Makarionissi oder Die Insel der Seligen« zum Bestseller avancierte und in mehrere Sprachen übersetzt wurde. »Rückwärtswalzer« ist ihr dritter Roman.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 09.05.2015

Solang dein Herz noch für mich schlägt
Weibliches Schutzbedürfnis: In ihrem neuen Roman erweist sich Vea Kaiser als Autorin für die ganze Familie

Während im Jahr 2012 die literaturbetrieblichen Reaktionen auf Vea Kaisers Debütroman zwischen Entsetzen (Sigrid Löffler) und Euphorie (Denis Scheck) schillerten, orchestrierten die Freudenstürme von Bloggern, Buchhändlern und Frauenzeitschriften eine 160 Stationen umfassende Lesereise und rekordverdächtige Umsätze: "Blasmusikpop oder Wie die Wissenschaft in die Berge kam" wurde 90 000 Mal verkauft. Knapp drei Jahre später erscheint nun "Makarionissi oder Die Insel der Seligen" und spielt das bewährte Erfolgsrezept wieder aus: opulenter Titel, opulentes Cover, eine Handlung, die in den fünfziger Jahren einsetzt und in die Gegenwart mündet, und eine jugendliche Hauptfigur, die mit ihrem heimischen Bergdorf hadert.

Das fiktive Bergdorf in Kaisers Erstling hieß St. Peter am Anger und trug unverkennbar österreichische Züge; sein Nachfolger heißt Varitsi und liegt nahe der albanisch-griechischen Grenze. Die kleine Eleni ist schon vor ihrer Geburt ihrem Cousin Lefti versprochen worden, damit das Familienerbe gesichert werden kann. Dass die Achtjährige jedoch nicht heiraten, sondern lieber als alleinstehende Heldin durch die Welt ziehen und Bestien bekämpfen will, nimmt man ihr übel: In Varitsi sind eigenständige Entscheidungen nicht gern gesehen.

Wie schon in Kaisers Debütroman werden auch in "Makarionissi" verstockten Dorfbewohnern Herzen aus Gold angedichtet, leuchtend gute Absichten, die aufwiegen sollen, dass Kinder geschlagen und letztlich entmündigt werden. Kaiser lässt ihre Protagonistin zwar rebellieren, präsentiert diese Auflehnung aber letztlich als zu überwindende Charakterschwäche. Auf die Idee, dass sie eine Heldin sei, hat sie ohnehin erst Cousin Lefti gebracht; die Vorstellung, dass sie Rechte habe und Frauen nicht weniger wert seien als Männer, flüstern ihr kommunistische Freunde ein - da kann es kaum verwundern, dass Elenis Emanzipationsversuche sich in lautstarken Beschimpfungen etwaiger "faschistischer Schweine" und im Werfen überreifer Tomaten erschöpfen.

Da Kommunismus in Varitsi als ähnlich unangenehm und ansteckend wie Tuberkulose gilt, lässt Kaiser ihre Protagonistin kurzerhand verhaften und straft sie mit einem niederschmetternden Szenario ab: Nach ein paar Tagen Gefängnis sind Elenis Locken "keine lustigen Spiralen mehr". Der zornige Generalinspektor brummt Eleni zudem eine Heirat als Bewährungsstrafenäquivalent auf; entgegen aller Überzeugung gibt sie Lefti das Jawort und zieht mit ihm nach Deutschland, ins verschlafene Hildesheim der siebziger Jahre, welches dem heutigen betrüblich ähnlich sieht: vergebliche Bemühungen, mit Hilfe eines Betongroßaufgebots nach Großstadt auszusehen, grimmig-verbohrte Einwohner und Busse, die so selten fahren, dass man lieber gleich zu Fuß geht.

Ausgerechnet in Hildesheim finden Eleni und Lefti ihr Glück: Eleni verliebt sich in den Sänger Otto, Lefti bändelt mit Deutschlehrerin Trudi an. Bis zum Happy End wird es allerdings noch diverse Geburten, Hochzeiten und Todesfälle in St. Pölten und Chicago sowie auf Makarionissi brauchen - doch all diese Schauplätze nehmen sich letztlich nur wie Varianten des Bergdorfs Varitsi aus; die Handlung erschöpft sich in immer wiederkehrenden Beziehungskonstellationen und -motiven, die auch nach der x-ten Wiederholung noch akribisch auserklärt werden. Dieser Roman will einfach nicht aufhören, obwohl schon auf halber Strecke alles gesagt und verstanden ist: Eleni ist bockig und muss gezähmt werden. Lefti hat ein gutes Herz. Ein "echter Mann" muss dominieren, darf fremdgehender "Schlingel" und "um die Mitte des Leibes überaus gut gebaut" sein. Eine "echte Frau" ist schutzbedürftig und achtet auf ihre Linie, lächelt zart und schüchtern, statt beim Lachen den Mund aufzureißen, "als wäre sie beim Zahnarzt".

Kaiser reproduziert in ihren Büchern veraltete Geschlechtskonzepte und erschafft Heimeligkeitsszenarien wie Johanna Spyri. Während ihr Debütroman ganz literarischer Heimatfilm war, dessen Protagonist Herodot predigte und sich gleichzeitig von der Wirklichkeit außerhalb seines Dorfes abwandte, widmet sich der neue, wenngleich maximal wattiert, einem politisch relevanten Thema: Am Beispiel des fiktiven griechischen Bergdorfs erzählt Vea Kaiser vom Kampf zwischen Royalisten und Kommunisten, der auch die Bürger Varitsis entzweit, arbeitet sich von Obristenputsch und Militärdiktatur über den studentischen Aufstand im Athener Polytechnikum im Jahr 1975 bis zur gegenwärtigen Krise Griechenlands vor. Während des Schreibprozesses, rekapituliert sie etwas ungeschickt in einem Interview, habe sie stets befürchtet, dass vor Abschluss ihres Romans "das alles wieder passé" sei und es in Griechenland wieder aufwärtsgehe.

Die Ausschmückung mit historischen Ereignissen erweist sich bei belletristischen Werken traditionsgemäß als Bestseller- oder Literaturpreisgarantie; eine konkrete, streitbare Haltung jedoch nimmt Kaiser nicht ein. "Makarionissi" schneidet ernste Themen an, nur um sie kurz darauf im Klamauk oder hinter Scheuklappen verschwinden zu lassen: Differenzen politischer Gegner werden mit Hilfe eines schunkeligen Tanzabends ausgeräumt, und Sympathieträger Lefti betont im Laufe des Romans immer wieder, dass Politik nur Feindseligkeiten bedeute und daher zu vermeiden sei. Der Roman setzt den Rückzug ins Private mit Heldentum gleich und macht kompensatorisch den stagnationsgeprägten Alltag zum Märchen: Während in "Blasmusikpop" Johannes Irrweins im Herodotschen Gestus verfasste Dorfchronik eine zweite Erzählebene konstituierte, sind es in "Makarionissi" wiedererzählte Mythen, eingeführt von Sätzen wie: "Ordne folgenden Mythos in den Kosmos der bereits gelernten Mythen ein." So verkommt der politische Hintergrund schnell zum inhaltsarmen Relevanzmarker und wird von zwischenmenschlichen Konflikten überstrahlt.

In ihren engmaschig aufgefädelten bösen Omen und humoristischen Einschüben (ein Betrunkener radelt frontal in einen Esel; eine Jungfrau hält den Penis ihres Mannes für einen dämonisch verlängerten Darm) scheint Kaisers Vorbild John Irving mit seinen skurrilitätsdurchsetzten Handlungskonstruktionen auf; während bei Irving jedoch niedliche Zuckrigkeiten nur die Brutalität des Lebens abmildern sollen, steht bei Kaiser die beschauliche Putzigkeit ganz im Vordergrund und mündet im literarischen Schlager.

Die Sechsundzwanzigjährige schickt sich an, die Helene Fischer der Literatur zu werden, eine Autorin für die ganze Familie, die im österreichischen Küchenradio Mama Juttas Heringssalat zubereitet, in Frauenzeitschriften den Wert des Glücks betont und auf ihrer Facebook-Fanpage unermüdlich ihre liebevolle Aufnahme in Kleinstädten lobt, kurz: die zahllose Leser für sich einnimmt, die sich vom hundertsten Berlin-Roman nicht gesehen fühlen.

DANA BUCHZIK

Vea Kaiser: "Makarionissi oder Die Insel der Seligen". Roman.

Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln 2015. 464 S., geb., 19,99 [Euro].

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»Da ist Vea Kaiser ganz nah bei den Wahrheiten der alten Mythen.« Die Rheinpfalz 20151023