Kurz bevor sie ihren 17. Geburtstag feiern kann, kommt Mirjam bei einem Verkehrsunfall ums Leben. Ihrem Vater, Joop Koopman, ist es nicht vergönnt, sich seiner Trauer hinzugeben. Sein Freund Philip verwickelt ihn in einen Spionagefall für den israelischen Geheimdienst, seine Cousine Linda in ihre buddhistische Wiedergeburtstheorie.
Tragödie, Politspionage und metaphysischer Thriller in einem - Leon de Winters kühnster Roman.
Tragödie, Politspionage und metaphysischer Thriller in einem - Leon de Winters kühnster Roman.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 17.03.2003Verzweiflung als Prophylaxe
Spannungsfunken sprühen, Leon de Winter hört den Urknall
Ohne Urknall, Kontinentaldrift und San-Andreas-Graben wäre das alles nicht passiert. Dann hätte es 1996 in Kalifornien kein Erdbeben gegeben. Ohne Erdbeben hätte der Transporter der Bäckerei in Marina del Rey kein Leck in der Ölwanne bekommen. Der Fitneßtrainer mit dem schicksalhaften Spitznamen "God" wäre nicht mit dem Motorrad auf der Ölspur weggerutscht, und seine Begleiterin Mirjam, Tochter des Hollywood-Drehbuchautors Joop Koopman, wäre nicht tödlich verunglückt.
In seinem Roman "Malibu" zieht Leon de Winter alle Register der Kausalforschung, um zunächst eine persönliche Tragödie, dann einen Politthriller auf der Höhe des Weltgeschehens in Gang zu setzen. George W. Bush, Saddam Hussein, ein arabischer Terrorist und ein israelischer Geheimdienstmann erhalten darin ihre Auftritte, denn auch deren hektisches Agieren ist eine unvermeidliche Folge des Urknalls. Für Joop Koopman aber, verstrickt in die unterschiedlichsten Interessen, die er nicht durchschaut, ist das alles uninteressant. Er trauert um seine über alles geliebte Tochter. Diese Emotionen - Liebe und Trauer - stehen im Mittelpunkt seines Universums, das nach Mirjams Tod zum Stillstand gekommen zu sein scheint. Nur "God", ein hünenhafter Schwarzer, drängt sich in seine Nähe und will von Stund an nur noch Joops Diener sein, um so seine Schuld zu tragen.
Joop Koopman, als Lohnschreiber der Filmindustrie mäßig erfolgreich, ist eine Art Alter ego des Autors. Er ist Jude, ohne religiös zu sein, ein Zweifler, der an nichts glaubt, was sich nicht auch wissenschaftlich beweisen ließe. Der Schicksalsschlag, den er zu erleiden hat, ist so unerträglich, weil er sinnlos ist. Auf der Suche nach einer Erklärung findet er nichts als die eigene Schuld: Am Morgen des Unfalls hatte Joop seine Tochter im Bad beobachtet, ihre Schönheit bewundert und sein sexuelles Begehren nur mühsam unterdrücken können. Mirjam wurde an diesem Tag siebzehn. Die Küsse, die gewechselt werden, sind so züchtig und verhalten, wie es sich zwischen Vater und Tochter gehört, doch die inzestuöse Bedrohung ist als Irritation spürbar, bevor Mirjam zum letzten Mal das Haus verläßt. Stunden später sitzt Joop im Krankenhaus neben ihrem Körper, der nur noch von Maschinen am Leben gehalten wird. In seiner Verstörung willigt er ein, ihr Herz für eine Transplantation freizugeben. Erst Wochen später beginnt er, über diese Entscheidung nachzudenken und sich zu fragen, ob er ein Recht dazu hatte. Nun will er herausbekommen, in welchem Körper das Herz seiner Tochter weiterschlägt. Ist nicht das Herz der Sitz der Seele? Kann es sein, daß mit dem Herzen auch Charaktereigenschaften transplantiert werden?
Joops Verunsicherung wächst, als seine Jugendliebe Linda plötzlich vor der Tür steht, was seinen Rationalismus auf eine weitere, ernste Probe stellt. Linda wird von einem buddhistischen Mönch begleitet, ist aber immer noch ziemlich sexy. Im Bett klappt es jedenfalls erneut hervorragend, auch wenn Lindas Reinkarnationsthesen nerven. Der Mönch nämlich behauptet, mit Erinnerungen von Joops in Auschwitz ermordetem Großvater ausgestattet zu sein, ja er sei der wiedergeborene Großvater höchstpersönlich. Am Ende stellt er sich allerdings als Betrüger heraus, Linda als seine Komplizin, und die reinkarnierten Erinnerungen zielen bloß auf den Zugang zu einem Nummernkonto in der Schweiz.
Leon de Winter scheint ein eher sentimentaler Mensch zu sein, hat er doch in einem Interview bekannt, die ersten hundert Seiten von "Malibu" weinend geschrieben zu haben. Er habe sich das Schlimmstmögliche vorgestellt, um es damit zu bannen, sagte er. Was beschrieben ist, ist bereits da, kann also nicht mehr geschehen. Denn dann wäre es nur noch eine banale Wiederholung, auf die sich das originalitätssüchtige Schicksal nicht einlassen würde. De Winter weiß, daß dies ein Aberglaube ist, aber er nutzt ihn für sich aus, weil er zum Schreiben führt. Das Schreiben wird so zu einem intimen Ritual, um mit dem Skandalon des Todes fertig zu werden. Es ist eine Art Gebet, eine Bitte um Verschonung aus prophylaktischer Verzweiflung. Gegen diese Lebenshaltung wäre nichts zu sagen, wenn sie privat bliebe. De Winter aber reduziert die ganze Weltpolitik auf ein Gefühl diffuser Bedrohung, wo jede Handlung beliebig, weil im kosmischen Rahmen unergründlich, erscheint. So ein tränenumflorter Blick trübt die Wahrnehmung.
Ein alter Schulfreund Joops taucht als Agent des Mossad bei ihm auf - ausgerechnet in der Todesstunde der Tochter. Er setzt Joop auf die Spur eines Marokkaners, der ein gefährlicher Terrorist sein soll. Joop freundet sich jedoch mit dem vermeintlichen Terroristen an, der ganz und gar unverdächtig erscheint. Er glaubt nach Terroristenart an Gott und die Vorsehung. Doch bleibt bis zum Schluß offen, ob der Verdacht, er plane etwas Schreckliches, mehr ist als staatliche Paranoia. Daß er ein paar Bücher über die Golden Gate Bridge im Kofferraum mit sich führt, scheint als konkreter Hinweis schließlich auch dem Autor zu genügen. Damit verliert de Winter schlagartig das Interesse an dieser Figur - als ob es ihm nur darum gegangen sei, den Verdacht am Leben zu halten. Und schon ein Verdacht begründet bekanntlich in der Ära Bush die Notwendigkeit politischen Handelns. De Winter gibt ihm Futter. Die Konsequenzen, die sich daraus ergeben, liegen außerhalb seiner Sichtweite. George W. Bush übernimmt im Verlauf des Romangeschehens gerade erst das Präsidentenamt. Er betritt eine Welt voller versteckter Bedrohungen, und man kann nach der Lektüre von "Malibu" nur sagen: Gut, daß es ihn gibt.
Viel wird er allerdings nicht ausrichten, auch das ist klar. Ein Autor, der sein Buch mit einem Blick auf die Erde vom Weltraum aus vor dreihundert Millionen Jahren beginnt, macht es sich schwer, die Bedeutung einer kleinen, alltäglichen Geschichte zu begründen. Was ist schon ein Terrorist gegenüber der Kontinentaldrift? De Winter schlägt gerade aus dieser Diskrepanz seine Spannungsfunken. Er ist ein versierter Handwerker und weiß, wie sich Spannung und Sentimentalität erzeugen lassen. Viele Kapitel beginnen mit technischen Hinweisen auf Wetter und Höchsttemperatur des Tages, als ob sich gerade daraus Rückschlüsse auf den Fortgang der Geschichte ziehen ließen. Die Trauer des Vaters um die Tochter wird auch angesichts der grenzenlosen kosmischen Gleichgültigkeit nicht kleiner. Das Unergründliche leuchtet erst im Kontrast zu wissenschaftlicher Exaktheit. Und Zufall und Schicksal sind sowieso immer unlösbar aneinandergekettet. Das ist letztlich banal, aber immerhin flott erzählt.
JÖRG MAGENAU
Leon de Winter: "Malibu". Roman. Aus dem Niederländischen übersetzt von Hanni Ehlers. Diogenes Verlag, Zürich 2003. 418 S., geb., 22,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Spannungsfunken sprühen, Leon de Winter hört den Urknall
Ohne Urknall, Kontinentaldrift und San-Andreas-Graben wäre das alles nicht passiert. Dann hätte es 1996 in Kalifornien kein Erdbeben gegeben. Ohne Erdbeben hätte der Transporter der Bäckerei in Marina del Rey kein Leck in der Ölwanne bekommen. Der Fitneßtrainer mit dem schicksalhaften Spitznamen "God" wäre nicht mit dem Motorrad auf der Ölspur weggerutscht, und seine Begleiterin Mirjam, Tochter des Hollywood-Drehbuchautors Joop Koopman, wäre nicht tödlich verunglückt.
In seinem Roman "Malibu" zieht Leon de Winter alle Register der Kausalforschung, um zunächst eine persönliche Tragödie, dann einen Politthriller auf der Höhe des Weltgeschehens in Gang zu setzen. George W. Bush, Saddam Hussein, ein arabischer Terrorist und ein israelischer Geheimdienstmann erhalten darin ihre Auftritte, denn auch deren hektisches Agieren ist eine unvermeidliche Folge des Urknalls. Für Joop Koopman aber, verstrickt in die unterschiedlichsten Interessen, die er nicht durchschaut, ist das alles uninteressant. Er trauert um seine über alles geliebte Tochter. Diese Emotionen - Liebe und Trauer - stehen im Mittelpunkt seines Universums, das nach Mirjams Tod zum Stillstand gekommen zu sein scheint. Nur "God", ein hünenhafter Schwarzer, drängt sich in seine Nähe und will von Stund an nur noch Joops Diener sein, um so seine Schuld zu tragen.
Joop Koopman, als Lohnschreiber der Filmindustrie mäßig erfolgreich, ist eine Art Alter ego des Autors. Er ist Jude, ohne religiös zu sein, ein Zweifler, der an nichts glaubt, was sich nicht auch wissenschaftlich beweisen ließe. Der Schicksalsschlag, den er zu erleiden hat, ist so unerträglich, weil er sinnlos ist. Auf der Suche nach einer Erklärung findet er nichts als die eigene Schuld: Am Morgen des Unfalls hatte Joop seine Tochter im Bad beobachtet, ihre Schönheit bewundert und sein sexuelles Begehren nur mühsam unterdrücken können. Mirjam wurde an diesem Tag siebzehn. Die Küsse, die gewechselt werden, sind so züchtig und verhalten, wie es sich zwischen Vater und Tochter gehört, doch die inzestuöse Bedrohung ist als Irritation spürbar, bevor Mirjam zum letzten Mal das Haus verläßt. Stunden später sitzt Joop im Krankenhaus neben ihrem Körper, der nur noch von Maschinen am Leben gehalten wird. In seiner Verstörung willigt er ein, ihr Herz für eine Transplantation freizugeben. Erst Wochen später beginnt er, über diese Entscheidung nachzudenken und sich zu fragen, ob er ein Recht dazu hatte. Nun will er herausbekommen, in welchem Körper das Herz seiner Tochter weiterschlägt. Ist nicht das Herz der Sitz der Seele? Kann es sein, daß mit dem Herzen auch Charaktereigenschaften transplantiert werden?
Joops Verunsicherung wächst, als seine Jugendliebe Linda plötzlich vor der Tür steht, was seinen Rationalismus auf eine weitere, ernste Probe stellt. Linda wird von einem buddhistischen Mönch begleitet, ist aber immer noch ziemlich sexy. Im Bett klappt es jedenfalls erneut hervorragend, auch wenn Lindas Reinkarnationsthesen nerven. Der Mönch nämlich behauptet, mit Erinnerungen von Joops in Auschwitz ermordetem Großvater ausgestattet zu sein, ja er sei der wiedergeborene Großvater höchstpersönlich. Am Ende stellt er sich allerdings als Betrüger heraus, Linda als seine Komplizin, und die reinkarnierten Erinnerungen zielen bloß auf den Zugang zu einem Nummernkonto in der Schweiz.
Leon de Winter scheint ein eher sentimentaler Mensch zu sein, hat er doch in einem Interview bekannt, die ersten hundert Seiten von "Malibu" weinend geschrieben zu haben. Er habe sich das Schlimmstmögliche vorgestellt, um es damit zu bannen, sagte er. Was beschrieben ist, ist bereits da, kann also nicht mehr geschehen. Denn dann wäre es nur noch eine banale Wiederholung, auf die sich das originalitätssüchtige Schicksal nicht einlassen würde. De Winter weiß, daß dies ein Aberglaube ist, aber er nutzt ihn für sich aus, weil er zum Schreiben führt. Das Schreiben wird so zu einem intimen Ritual, um mit dem Skandalon des Todes fertig zu werden. Es ist eine Art Gebet, eine Bitte um Verschonung aus prophylaktischer Verzweiflung. Gegen diese Lebenshaltung wäre nichts zu sagen, wenn sie privat bliebe. De Winter aber reduziert die ganze Weltpolitik auf ein Gefühl diffuser Bedrohung, wo jede Handlung beliebig, weil im kosmischen Rahmen unergründlich, erscheint. So ein tränenumflorter Blick trübt die Wahrnehmung.
Ein alter Schulfreund Joops taucht als Agent des Mossad bei ihm auf - ausgerechnet in der Todesstunde der Tochter. Er setzt Joop auf die Spur eines Marokkaners, der ein gefährlicher Terrorist sein soll. Joop freundet sich jedoch mit dem vermeintlichen Terroristen an, der ganz und gar unverdächtig erscheint. Er glaubt nach Terroristenart an Gott und die Vorsehung. Doch bleibt bis zum Schluß offen, ob der Verdacht, er plane etwas Schreckliches, mehr ist als staatliche Paranoia. Daß er ein paar Bücher über die Golden Gate Bridge im Kofferraum mit sich führt, scheint als konkreter Hinweis schließlich auch dem Autor zu genügen. Damit verliert de Winter schlagartig das Interesse an dieser Figur - als ob es ihm nur darum gegangen sei, den Verdacht am Leben zu halten. Und schon ein Verdacht begründet bekanntlich in der Ära Bush die Notwendigkeit politischen Handelns. De Winter gibt ihm Futter. Die Konsequenzen, die sich daraus ergeben, liegen außerhalb seiner Sichtweite. George W. Bush übernimmt im Verlauf des Romangeschehens gerade erst das Präsidentenamt. Er betritt eine Welt voller versteckter Bedrohungen, und man kann nach der Lektüre von "Malibu" nur sagen: Gut, daß es ihn gibt.
Viel wird er allerdings nicht ausrichten, auch das ist klar. Ein Autor, der sein Buch mit einem Blick auf die Erde vom Weltraum aus vor dreihundert Millionen Jahren beginnt, macht es sich schwer, die Bedeutung einer kleinen, alltäglichen Geschichte zu begründen. Was ist schon ein Terrorist gegenüber der Kontinentaldrift? De Winter schlägt gerade aus dieser Diskrepanz seine Spannungsfunken. Er ist ein versierter Handwerker und weiß, wie sich Spannung und Sentimentalität erzeugen lassen. Viele Kapitel beginnen mit technischen Hinweisen auf Wetter und Höchsttemperatur des Tages, als ob sich gerade daraus Rückschlüsse auf den Fortgang der Geschichte ziehen ließen. Die Trauer des Vaters um die Tochter wird auch angesichts der grenzenlosen kosmischen Gleichgültigkeit nicht kleiner. Das Unergründliche leuchtet erst im Kontrast zu wissenschaftlicher Exaktheit. Und Zufall und Schicksal sind sowieso immer unlösbar aneinandergekettet. Das ist letztlich banal, aber immerhin flott erzählt.
JÖRG MAGENAU
Leon de Winter: "Malibu". Roman. Aus dem Niederländischen übersetzt von Hanni Ehlers. Diogenes Verlag, Zürich 2003. 418 S., geb., 22,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Joop verliert eine Tochter und gewinnt einen Freund
Eine Kette unglücklicher Zufälle beendet Mirjam Koopmanns kurzes Leben: ein falsch geparktes Auto, eine Ölspur - Mirjams Trainer Erroll verliert die Kontrolle über sein Motorrad und statt auf ihrer eigenen Geburtstagsparty in Malibu landet Mirjam auf der Intensivstation des Krankenhauses, in dem sie wenige Stunden später stirbt. Ihr Vater Joop, gebürtiger Niederländer, der seit 18 Jahren in Los Angeles lebt, kann es nicht fassen - morgens hatte er ihr noch Frühstück gemacht und mittags ahnungslos mit seinem alten Schulfreund Philip van Gelder geluncht, als der schreckliche Anruf aus dem Krankenhaus kam. Noch völlig unter Schock stehend, gibt er seine Einwilligung, Mirjams Herz als Organspende freizugeben, dann vergräbt er sich in seinem Haus. Erroll, genannt God(zilla) fühlt sich mitschuldig an dem Unfall und versucht, Joop aus seiner Lethargie zu reißen. Joops anfänglicher Hass schwindet allmählich und langsam entsteht so etwas wie Freundschaft zwischen dem schwarzen Sportler und dem jüdischen Drehbuchautor.
Auf der Suche nach dem eigenen Ich
Gleichzeitig gelingt es Philip, der für den israelischen Geheimdienst Mossad arbeitet, Joop zur Beschattung des niederländischen Marokkaners Omar van Lieshout zu überreden, der angeblich Verbindung zu terroristischen Gruppen unterhält. Politik interessiert Joop nur am Rande, ihm geht es vor allem um Omars Kontakte zur Hacker-Szene, über die er den anonymen Empfänger von Mirjams Herz ermitteln will. Er ist von der fixen Idee besessen, ein Stück von Mirjam zurückzugewinnen, wenn er den Menschen mit eigenen Augen sehen könnte, in dessen Brust Mirjams Herz weiterschlägt. Den Wiedergeburtstheorien seiner buddhistisch gewordenen Jugendliebe Linda kann er trotzdem nichts abgewinnen, was ihn aber nicht daran hindert, in ihrem Bett Trost zu suchen. Dass Linda ihm die ganze Zeit nur etwas vormacht, begreift er erst, als es schon zu spät ist ...
Ein spannender Roman über den Umgang mit menschlichen Tragödien
In Leon de Winters Roman Malibu geht es um eine menschliche Tragödie, die eigentlich nur das Ergebnis einer Reihe unglücklicher Zufälle ist und dennoch das Leben der Betroffenen nachdrücklich verändert. In beeindruckender Weise schildert der niederländische Bestsellerautor die grenzenlose Trauer des hinterbliebenen Vaters, der mit der plötzlichen Stille im Haus und den schmerzlichen Erinnerungen an die einzige Tochter fertig werden muss. Die Spionagegeschichte sowie die erneute Liebesbeziehung zu seiner Jugendliebe Linda sind dabei nur Beiwerk, wie in de Winters früherem Roman SuperTex wird der Unglücksfall zum Auslöser, die eigene Existenz als Jude und als Mensch zu hinterfragen. Ohne respektlos zu werden, gelingt es de Winter dank seines einzigartigen Erzählstils, diesem an sich ernsten Thema auch heitere Momente abzugewinnen. Trotz der etwas irritierenden metaphysischen Spekulationen und Exkursen in die Welt der Physik ist Malibu ein spannender und unterhaltsamer Roman, der zum Nachdenken anregt. (Dr. Erika Weigele-Ismael)
Eine Kette unglücklicher Zufälle beendet Mirjam Koopmanns kurzes Leben: ein falsch geparktes Auto, eine Ölspur - Mirjams Trainer Erroll verliert die Kontrolle über sein Motorrad und statt auf ihrer eigenen Geburtstagsparty in Malibu landet Mirjam auf der Intensivstation des Krankenhauses, in dem sie wenige Stunden später stirbt. Ihr Vater Joop, gebürtiger Niederländer, der seit 18 Jahren in Los Angeles lebt, kann es nicht fassen - morgens hatte er ihr noch Frühstück gemacht und mittags ahnungslos mit seinem alten Schulfreund Philip van Gelder geluncht, als der schreckliche Anruf aus dem Krankenhaus kam. Noch völlig unter Schock stehend, gibt er seine Einwilligung, Mirjams Herz als Organspende freizugeben, dann vergräbt er sich in seinem Haus. Erroll, genannt God(zilla) fühlt sich mitschuldig an dem Unfall und versucht, Joop aus seiner Lethargie zu reißen. Joops anfänglicher Hass schwindet allmählich und langsam entsteht so etwas wie Freundschaft zwischen dem schwarzen Sportler und dem jüdischen Drehbuchautor.
Auf der Suche nach dem eigenen Ich
Gleichzeitig gelingt es Philip, der für den israelischen Geheimdienst Mossad arbeitet, Joop zur Beschattung des niederländischen Marokkaners Omar van Lieshout zu überreden, der angeblich Verbindung zu terroristischen Gruppen unterhält. Politik interessiert Joop nur am Rande, ihm geht es vor allem um Omars Kontakte zur Hacker-Szene, über die er den anonymen Empfänger von Mirjams Herz ermitteln will. Er ist von der fixen Idee besessen, ein Stück von Mirjam zurückzugewinnen, wenn er den Menschen mit eigenen Augen sehen könnte, in dessen Brust Mirjams Herz weiterschlägt. Den Wiedergeburtstheorien seiner buddhistisch gewordenen Jugendliebe Linda kann er trotzdem nichts abgewinnen, was ihn aber nicht daran hindert, in ihrem Bett Trost zu suchen. Dass Linda ihm die ganze Zeit nur etwas vormacht, begreift er erst, als es schon zu spät ist ...
Ein spannender Roman über den Umgang mit menschlichen Tragödien
In Leon de Winters Roman Malibu geht es um eine menschliche Tragödie, die eigentlich nur das Ergebnis einer Reihe unglücklicher Zufälle ist und dennoch das Leben der Betroffenen nachdrücklich verändert. In beeindruckender Weise schildert der niederländische Bestsellerautor die grenzenlose Trauer des hinterbliebenen Vaters, der mit der plötzlichen Stille im Haus und den schmerzlichen Erinnerungen an die einzige Tochter fertig werden muss. Die Spionagegeschichte sowie die erneute Liebesbeziehung zu seiner Jugendliebe Linda sind dabei nur Beiwerk, wie in de Winters früherem Roman SuperTex wird der Unglücksfall zum Auslöser, die eigene Existenz als Jude und als Mensch zu hinterfragen. Ohne respektlos zu werden, gelingt es de Winter dank seines einzigartigen Erzählstils, diesem an sich ernsten Thema auch heitere Momente abzugewinnen. Trotz der etwas irritierenden metaphysischen Spekulationen und Exkursen in die Welt der Physik ist Malibu ein spannender und unterhaltsamer Roman, der zum Nachdenken anregt. (Dr. Erika Weigele-Ismael)
Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension
Zu einem schweren Fall von Persönlichkeitsspaltung scheint dieser Roman bei Ulrich Greiner geführt zu haben. Unentschieden, ob er zugeben darf, dass er den Roman in einem Zug durchgelesen hat, führt der arme Mann schon Selbstgespräche. Die "Freundin A." in ihm findet den Roman rasant geschrieben, hat begriffen, was Kontingenz bedeutet und findet den Autor wirklich sympathisch (immerhin nicht "süß"). Der Kritiker in ihm hält das Ganze dagegen für einen "gigantischen Bluff". Zum einen, da Leon de Winter gar nicht wirklich schreiben könne, höchstens wie ein Drehbuchautor die Dramaturgie der Szenerie beherrsche, und da all die spektakulären Wendungen, die die Geschichte nimmt, offenbar nur dazu da sind, das Tempo zu halten. Suspekt ist Greiners zerrissenen Seele ebenfalls die Mischung aus Geld, Auschwitz, Sex und Mossad, die ihm "irgendwie antisemitisch" vorkommt. Oder seiner Freundin?
© Perlentaucher Medien GmbH
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»Leon de Winter hat etwas zu erzählen, und er tut es so gut, daß man nicht genug davon bekommen kann.« Rolf Brockschmidt / Der Tagesspiegel Der Tagesspiegel