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Anna Lanyon ist in Mexiko den Spuren dieses faszinierenden Mythos Malinche gefolgt und unternimmt in ihrem glänzend recherchierten Buch den Versuch, die wirkliche Person hinter der Legende freizulegen. Jeder, der Mexiko, alte Legenden und hervorragende Prosa liebt, sollte dieses Buch lesen.

Produktbeschreibung
Anna Lanyon ist in Mexiko den Spuren dieses faszinierenden Mythos Malinche gefolgt und unternimmt in ihrem glänzend recherchierten Buch den Versuch, die wirkliche Person hinter der Legende freizulegen. Jeder, der Mexiko, alte Legenden und hervorragende Prosa liebt, sollte dieses Buch lesen.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 05.03.2001

Historischer Mutterschaftsurlaub
Anna Lanyon bereist einen mexikanischen Mythos

Die USS Malinche ist mit über vierhundert Metern Länge sozusagen die größere Schwester des Raumschiffs Enterprise. In der StarTrek-Welt sind Frauennamen für Raumschiffe eigentlich nicht üblich. Wie kommt also die mexikanische Sklavin Malinche zu der Ehre, daß über siebenhundert Jahre nach ihrer Geburt ein Schiff der Föderation mit ihrem Namenszug an futuristischem Bug und Heck durch den Weltraum rast?

Schuld ist vermutlich der mexikanische Philosoph und Politiker José Vasconcelos, der die mexikanischen Mestizen als raza cósmica (kosmische Rasse) bezeichnete, weil sie aus dem gigantischen Zusammenprall kosmischer Gewalten geboren seien. Die Mutter dieser neuen Rasse war die polyglotte Sklavin Malinche, die auf der Straße nach Tenochtitlán als Übersetzerin zwischen dem Eroberer Hernán Cortés und dem Gewaltherrscher Montezuma gestanden hatte. Mit Cortés zeugte sie einen der ersten - in der Mythologie überhaupt den ersten - Mestizen. Ihre Kindheit und die letzten Jahre ihres kurzen Lebens liegen im dunkeln. Nur für wenige Monate stand Malinche im blendenden Licht der Weltgeschichte, und nur ein einziger Augenzeuge, der Chronist Bernal Díaz del Castillo, überliefert Einzelheiten über Doña Marina, wie die Spanier sie nannten.

Die australische Philologin Anna Lanyon hatte auf ihrer ersten Mexiko-Reise in den siebziger Jahren vom Malinche-Mythos gehört und dabei aufgeschnappt, wie verhaßt der Name nationalistischen Mexikanern war, die ihn bis heute als Synonym für Landes- und Kulturverrat benutzen. Doch sogar die nationalistisch-propagandistische Wandmalerei von Diego Rivera und José Clemente Orozco, von der Lanyon beeindruckt war, zeigt ein komplexeres und tragisches Bild von Malinche.

Das Thema Malinche nahm die Touristin gefangen und beschäftigte sie über Jahre. Es veranlaßte sie auch zu einer zweiten Mexiko-Reise, deren Geschichte Lanyon in ihrem Buch erzählt. Wenn man über Malinche keinen blumig-exotischen historischen Roman schreiben will, aber auch keine dröge Diskursanalyse über ihre breitgefächerte Rezeption, wenn es einem schließlich an der Wortgewalt eines Octavio Paz fehlt, der Malinche mit seinem zackigen Essay vom "Labyrinth der Einsamkeit" in die Mitte des modernen Mexiko geholt hat, dann ist es keine schlechte Idee, das Wenige, was man sicher von Malinche wissen kann, in einen subjektiv-expressiven Reisebericht einzubetten. Anna Lanyon ist damit ein Stück leichte Lektüre über ein schweres Thema gelungen.

Der deutsche Titel "Malinche - Die andere Geschichte der Eroberung Mexikos" verspricht allerdings zuviel. In seiner schönen Doppeldeutigkeit ist der Originaltitel "Malinche's Conquest" zugleich bescheidener und ausdrucksvoller. Auf steinigen Wegen eroberte sich Lanyon auch ihre Malinche. Die australische Touristin fand die mexikanische Provinz unbequem und die Hauptstadt dreckig. Sie hat typische Touristenerfahrungen gemacht, von denen sie kurz und treffend zu schreiben weiß. Über Malinche schreibt sie informiert, einfühlsam und verhalten feministisch. Undeutlich und schemenhaft spiegeln sich die Konturen der Eroberung Australiens und des tödlichen Rassismus gegen die Aborigines in den kräftigen epischen Szenen, die Lanyon aus der mexikanischen Mythologie zitiert.

Wenn die Autorin dann, wie es sich für eine stimmungsvollen Reisebericht gehört, beim Abheben in Richtung Heimat noch einmal aus dem Fenster des Flugzeugs auf Mexiko hinabschaut, dann sieht sie ein Stück von sich selbst, ein Stück von dem Land, in dem die geheimnisvolle, starke Malinche lebte, und ein Stückchen von der unermeßlichen Weite des Kosmos.

GEORG EICKHOFF.

Anna Lanyon: "Malinche". Die andere Geschichte der Eroberung Mexikos. Aus dem Englischen übersetzt von Christa Krüger. Ammann Verlag, Zürich 2001. 239 S., geb., 37,- DM.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Die Quellenlage sei nun mal spärlich (wie die Autorin zum Leidwesen des Rezensenten auch nicht müde wird zu betonen), und so hätten die Forschungen der Verfasserin "nichts wirklich Neues zutage" gebracht über Malinche. Das wenige Bekannte aber ruft uns Kersten Knipp noch mal in Erinnerung, bevor er die tatsächlich spärlich plätschernden Quellen der vorliegenden Arbeit aufzählt. Neben der aktuellen Forschungsliteratur sind das Augenzeugen wie Bernal Diaz, Historiker wie Frei Bernardino de Sahagun und schließlich Cortes selbst. In ihren besten Momenten, so Knipp, komponiere die Autorin daraus "ein überaus lebendiges Bild ihrer Heldin". Aber, ach, apropos Heldin, "ein weiblich- allzuweiblicher Lobgesang durchzieht das Buch vom Anfang bis zum Ende" und teilt dem Leser nicht nur die Geschichte Malinches, sondern leider auch die weltanschauliche Position der Autorin mit. Wäre das nicht, meint Knipp, wäre es schön gewesen.

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