Zartrosa Mandelblüten, klatschroter Mohn und unverschämt blaues Wasser: Mallorca. Zusammen mit dem Schäfer Alejo erkundet Tilman Spengler das beliebteste Reiseziel der Deutschen einmal abseits der ausgetretenen Touristenpfade und spürt Geschichten und Orte auf, die nicht jeder kennt. Und abends wird aufgetischt: "calderata de langostino", "sobrasada", "arrós negre" und zum Abschluss "flam" und ein "cafe cortado" - die zahlreichen nachkochbaren Rezepte bringen auch den Leser auf den Geschmack.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 29.04.2004Flugzeuge machen Lärm
Der Schäfer Alejo, der kaum lesen und schreiben, aber denken kann, hat eine Idee: Man könnte auf dem Gras zwischen den Landebahnen des Flughafens von Palma de Mallorca taube Schafe weiden lassen. Er wisse, wovon er rede, jedes Jahr habe er in seiner Herde mindestens zwei taube Lämmer, die gebe er zum Schlachten weg. Aber man könnte sie auch dort weiden lassen, das Gras sei gut, und nichts würde die Tiere erschrecken. Der schlaue Schäfer ist einer der vier Hauptdarsteller in diesem schmalen, lapidaren Bändchen über Mallorca, in dem nichts steht, was üblicherweise in den Hunderttausenden Mallorca-Büchern steht; nichts über Touristen oder Sehenswürdigkeiten, keine Schwärmereien von der Ursprünglichkeit der Insel oder ihrer Schönheit. Eigentlich steht fast nichts in dem Büchlein, und genau deswegen ist es so entzückend. Der Autor, der sonst Romane schreibt, das "Kursbuch" herausgibt und manchmal auf Mallorca lebt, erzählt mit der Ironie eines Lakonikers Anekdoten aus dem Inneren der Insel, die ihm und seinen Freunden widerfahren, dem weisen Schäfer Alejo, dem faulen Gärtner Tomeu und der schönen Apothekerin Catalina. Die vier hocken in einem Haus im Hinterland zusammen und fragen sich, ob eine Flasche Rotwein länger hält, wenn man beim Trinken weint oder lacht, oder woran der Hund das Alter eines Schafes erkennt oder ob die Zeit wirklich nicht größer als eine Erbse ist, wie der Gärtner glaubt. Sie plappern über den "Quijote" und über Ramón Llull, den größten mallorquinischen Gelehrten des Mittelalters, oder über zwei atheistische Tankwarte, die beide Raúl heißen und Karfreitag auf der Trabrennbahn verbringen. Dabei sagt die Apothekerin dauernd "joder" und "jolín", was man - anders geht es beim besten Willen nicht - nur mit "ficken" übersetzen kann, was wiederum den Autor über die freimütige Verwendung derbster Schimpfwörter durch attraktive Akademikerinnen im alltäglichen Sprachgebrauch Spaniens nachdenken läßt. Das Quartett fährt auch über die Insel, sieht schwarze Schweine, die sich mit fermentierten Orangen betrinken, hört singendem Sand zu, riecht den Regen. Aufgelockert werden all diese Beiläufigkeiten mit Rezepten aus der kräftigen mallorquinischen Bauernküche wie Wildkaninchen mit Oliven, Reissuppe mit Meeresfrüchten oder Schweinelende mit Feigenfüllung. So flattert das Buch vor sich hin, scheinbar ohne Sinn und Zweck und Richtung, und erst wenn man es nach zwei, drei Stunden zuschlägt, versteht man es endlich. Denn man hat Sehnsucht nach der Insel Mallorca bekommen.
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"Mallorca - Von schwarzen Schweinen und Madonnen" von Tilman Spengler. Sanssouci im Carl Hanser Verlag, München 2003. 126 Seiten, einige Zeichnungen, eine Karte. Gebunden, 13,90 Euro. ISBN 3-7254-1233-2.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Der Schäfer Alejo, der kaum lesen und schreiben, aber denken kann, hat eine Idee: Man könnte auf dem Gras zwischen den Landebahnen des Flughafens von Palma de Mallorca taube Schafe weiden lassen. Er wisse, wovon er rede, jedes Jahr habe er in seiner Herde mindestens zwei taube Lämmer, die gebe er zum Schlachten weg. Aber man könnte sie auch dort weiden lassen, das Gras sei gut, und nichts würde die Tiere erschrecken. Der schlaue Schäfer ist einer der vier Hauptdarsteller in diesem schmalen, lapidaren Bändchen über Mallorca, in dem nichts steht, was üblicherweise in den Hunderttausenden Mallorca-Büchern steht; nichts über Touristen oder Sehenswürdigkeiten, keine Schwärmereien von der Ursprünglichkeit der Insel oder ihrer Schönheit. Eigentlich steht fast nichts in dem Büchlein, und genau deswegen ist es so entzückend. Der Autor, der sonst Romane schreibt, das "Kursbuch" herausgibt und manchmal auf Mallorca lebt, erzählt mit der Ironie eines Lakonikers Anekdoten aus dem Inneren der Insel, die ihm und seinen Freunden widerfahren, dem weisen Schäfer Alejo, dem faulen Gärtner Tomeu und der schönen Apothekerin Catalina. Die vier hocken in einem Haus im Hinterland zusammen und fragen sich, ob eine Flasche Rotwein länger hält, wenn man beim Trinken weint oder lacht, oder woran der Hund das Alter eines Schafes erkennt oder ob die Zeit wirklich nicht größer als eine Erbse ist, wie der Gärtner glaubt. Sie plappern über den "Quijote" und über Ramón Llull, den größten mallorquinischen Gelehrten des Mittelalters, oder über zwei atheistische Tankwarte, die beide Raúl heißen und Karfreitag auf der Trabrennbahn verbringen. Dabei sagt die Apothekerin dauernd "joder" und "jolín", was man - anders geht es beim besten Willen nicht - nur mit "ficken" übersetzen kann, was wiederum den Autor über die freimütige Verwendung derbster Schimpfwörter durch attraktive Akademikerinnen im alltäglichen Sprachgebrauch Spaniens nachdenken läßt. Das Quartett fährt auch über die Insel, sieht schwarze Schweine, die sich mit fermentierten Orangen betrinken, hört singendem Sand zu, riecht den Regen. Aufgelockert werden all diese Beiläufigkeiten mit Rezepten aus der kräftigen mallorquinischen Bauernküche wie Wildkaninchen mit Oliven, Reissuppe mit Meeresfrüchten oder Schweinelende mit Feigenfüllung. So flattert das Buch vor sich hin, scheinbar ohne Sinn und Zweck und Richtung, und erst wenn man es nach zwei, drei Stunden zuschlägt, versteht man es endlich. Denn man hat Sehnsucht nach der Insel Mallorca bekommen.
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"Mallorca - Von schwarzen Schweinen und Madonnen" von Tilman Spengler. Sanssouci im Carl Hanser Verlag, München 2003. 126 Seiten, einige Zeichnungen, eine Karte. Gebunden, 13,90 Euro. ISBN 3-7254-1233-2.
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Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension
Steffen Richter hat sich vom Charme dieses Buches über Mallorca bezirzen lassen, auch wenn sein Gebrauchswert eher gering sei- als Reiseführer ist das Buch nicht zu gebrauchen, warnt Richter. Eher schon als Kochbuch, denn zwischen all den Anekdoten, die Tilman Spengler hier zum Besten gibt, finden sich auch einige Kochrezepte. Doch Spaß macht die Lektüre nach Richters Meinung vor allem deshalb, weil man an einer Menge abseitige Szenerien teil hat. Die hohe Apothekendichte auf Mallorca und deren Gründe interessieren Spengler ebenso wie "Vorträge vor deutschen Wertpapieranlegern in Palma". Und weil das alles so beiläufig dahergeplaudert wird, ist es nach Meinung des Rezensenten am günstigsten, wenn man sich dem Buch mit "interesselosem Wohlgefallen" nähert.
© Perlentaucher Medien GmbH
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