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Eigentlich betreibt Cosimo Tumminia eine Fahrradwerkstatt in Calcara, einem erfundenen und vergessenen Dorf auf Sizilien. Doch da hartnäckig das Gerücht umgeht, er bringe Unglück, er sei ein Jettatore, bleiben die Kunden aus. So sitzt er Tag um Tag vor seinem Laden in der Sonne, hört Radio und löst Kreuzworträtsel. Nur seine Mutter, vor der er in ein kleines Haus außerhalb des Dorfes geflüchtet ist, kümmert sich erdrückend um ihn.Eines Tages zwingt ihn eine Gruppe Fremder, ein kleines Kind auf Zeit "in Obhut" zu nehmen. Doch diese Zeit wird Cosimo Tumminia immer länger, die Unbekannten bleiben…mehr

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Produktbeschreibung
Eigentlich betreibt Cosimo Tumminia eine Fahrradwerkstatt in Calcara, einem erfundenen und vergessenen Dorf auf Sizilien. Doch da hartnäckig das Gerücht umgeht, er bringe Unglück, er sei ein Jettatore, bleiben die Kunden aus. So sitzt er Tag um Tag vor seinem Laden in der Sonne, hört Radio und löst Kreuzworträtsel. Nur seine Mutter, vor der er in ein kleines Haus außerhalb des Dorfes geflüchtet ist, kümmert sich erdrückend um ihn.Eines Tages zwingt ihn eine Gruppe Fremder, ein kleines Kind auf Zeit "in Obhut" zu nehmen. Doch diese Zeit wird Cosimo Tumminia immer länger, die Unbekannten bleiben verschwunden; und die Nachrichten vermelden nichts über ein entführtes Kind. Schließlich nimmt seine Mutter die Sache in die Hand - und kommt tatsächlich dem Geheimnis auf die Spur ...Trocken, grotesk und hochbrisant ist dieser Roman, und gleichzeitig eine liebevolle Hommage an Alajmos Heimat Sizilien und die berühmt-berüchtigte Liebe zwischen italienischen Mammas und ihren Söhnen.
Autorenporträt
Roberto Alajmo, geboren 1959 in Palermo, lebt als Schriftsteller auf Sizilien. Für seine Romane, Erzählungen und Theaterstücke wurde er mit vielen Preisen ausgezeichnet.

Kurt Lanthaler, geboren 1960 in Bozen, erste berufliche Tätigkeit in der Filmbranche. Schreibt Romane, Erzählungen, Drehbücher und Theaterstücke. 1996 Staatsstipendium für Literatur der Republik Österreich, 1998 Alfred-Döblin-Stipendium der Akademie der Künste, Berlin, 1999 Deutscher Krimipreis als drittbester Roman für seinen vierten Tschonnie-Tschenett-Roman.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 19.05.2009

Die Töpfe, die Pfannen und die Gewalt
Vom fatalen Doppelsinn des Wortes „Familie” auf Sizilien: Roberto Alajmos erhellender Roman „Mammaherz”
Eigentlich ist dieser Mann gar kein Mann. Er ist eher die Bonsai-Ausgabe eines Mannes. Ein ewiges Mamasöhnchen, ein Prinz, der niemals König werden wird: Cosimo Tumminia, vierzig Jahre alt, eingefleischter Junggeselle, Inhaber einer unrentablen Fahrradwerkstatt in einem Provinznest bei Palermo, unbeliebt im Dorf, vergöttert von seiner Mutter. Der palermitanische Schriftsteller Roberto Alajmo legt die Hauptfigur seines Romans „Mammaherz” als einen klassischen Vertreter der süditalienischen Spezies verhätschelter Erstgeborener an und knüpft damit an einen Heldentypus an, der spätestens seit Brancatis „Don Giovanni in Sizilien” (1941) mit seinem regressionstrunkenen Giovanni Percolla zum sizilianischen Repertoire gehört.
Bei Alajmo, Jahrgang 1959, Verfasser großartiger Kurzgeschichten, lange Zeit Nachrichtensprecher im Regionalprogramm des öffentlich-rechtlichen Fernsehens RAI und immer noch redaktionell bei dem Sender beschäftigt, bekommt die fatale Mutter-Sohn-Symbiose eine neue Schärfe. Eine neutrale Erzählerstimme rückt Cosimo auf den Leib und nimmt ungerührt seine Lage in den Blick. Der unterbeschäftigte Monteur sitzt in seiner Werkstatt herum, löst Rätselhefte, hört Radio und beobachtet die Dorfbewohner, die ihn meiden und behaupten, Cosimo bringe Pech. Am Abend hat er es plötzlich eilig und verkürzt sogar den obligatorischen Feierabendbesuch bei seiner verwitweten Mutter, „weil sie ihm das Kind ins Haus bringen werden, das er verstecken soll”, wie es heißt. Eine Angelegenheit von wenigen Tagen, für die man ihn großzügig entschädigen werde, und Cosimo braucht Geld. Zum ersten Mal hat er allein eine Entscheidung getroffen und sich dabei ausgerechnet an „sie” gewandt, obskure Gestalten, die den gesamten Roman hindurch nur mit dem Personalpronomen bezeichnet werden, mächtig und unangreifbar, eine feste Größe im Dorfleben.
Ein Biss ins Ohr
Ihre Funktion braucht man nicht näher zu erläutern – es sind die ortansässigen Paten. Als Cosimo in seinem kleinen Haus auf dem Land eintrifft, haben „sie” das Kind bereits in sein fensterloses Gästezimmer eingesperrt. Der Hausherr versorgt den zehnjährigen Jungen mit einem von der Mutter gekochten Abendessen, geht am nächsten Tag zur Arbeit, schaut bei der Mutter vorbei und kehrt heim. Irgendwann sucht er Kontakt zu dem Kind und ist verblüfft, als der Junge ihn voller Wut ins Ohr beißt und das Essen verweigert.
Zu allem Überfluss brechen seine Auftraggeber die Abmachung und tauchen nicht wieder auf. Dafür hat seine Mutter längst Lunte gerochen. Als sie das Kind entdeckt, nimmt sie kurzerhand bei ihrem Sohn Quartier. Erleichtert überlässt ihr Cosimo die Regie. Es kommt zu einem Gewaltverbrechen, ausgeführt von der Mutter. Die Zuspitzung besitzt eine atemberaubende Zwangsläufigkeit. Alajmo inszeniert einen wirkungsvollen Kontrast zwischen der lapidaren, knappen Erzählweise und der Grausamkeit der Geschehnisse. Die brutalsten Momente spielen sich im Verborgenen ab; die Zeitspanne vor der Tat wird mit quälender Langsamkeit geschildert.
Da ist vom Tonfall der Mutter die Rede, von ihrem Herumhantieren mit Töpfen und Pfannen, von einem Wortwechsel über ein Zucchini-Gericht, das Cosimo verabscheut. Dieses Hin und Her mündet schließlich in die Frage der Mutter: „Willst du, dass ich mich darum kümmere?” Das Sprechen in vorgestanzten Formeln bestimmt den Kontakt zwischen Mutter und Sohn und vermittelt das Klaustrophobische dieser Beziehung. Die endlosen Bilderketten des fortwährend im Hintergrund murmelnden Fernsehers spiegeln die kreisförmige Dynamik.
Alajmo ist ein Spezialist für erzählerische Ökonomie. Er stattet die Schauplätze seiner Geschichte mit wenigen Attributen aus: wie gestochen scharfe Fotografien wirken die staubige Werkstatt, das Café auf der Piazza, die Wohnung der Mutter mit den heruntergelassenen Rollläden, Cosimos unverputztes Steinhaus und der verwahrloste Garten. Ähnlich verfährt er bei den Figuren. Ihr Wesen kommt in bestimmten Angewohnheiten zum Ausdruck: in der Eigenart der Mutter, jedes benutzte Kochutensil sofort wieder abzuspülen, in Cosimos stumpfsinniger Versessenheit auf Kreuzworträtsel. Kaum kommt er in die Lage, jenseits der gewohnten Schemata agieren zu müssen, streckt er die Waffen – die Mutter ist ja da.
Mit seinem Interesse für Brüche im gesellschaftlichen Gefüge steht Alajmo in der Tradition Leonardo Sciascias, der in seinem Roman „Der Tag der Eule” (1961) zum ersten Mal in der italienischen Literatur von der Mafia erzählte und auch als Erster auf die Schlüsselrolle der Mütter aufmerksam machte. Um die Mafia geht es bei Roberto Alajmo nur am Rande; sein Hauptaugenmerk gilt dem Nährboden derartiger Strukturen.
Das Kind als Störfaktor
Der palermitanische Schriftsteller schildert in „Mammaherz” ein Phänomen, das in Italien bereits Ende der fünfziger Jahre des zwanzigsten Jahrhunderts Gegenstand soziologischer Untersuchungen war und unter dem Schlagwort „familismo amorale ” („amoralischer Familismus”) in die öffentliche Diskussion eingegangen ist. Gemeint ist das Phänomen, dass jenseits der familiären Bindung nichts zählt – weder das Gemeinwohl, noch Bürgerpflichten, noch Kategorien wie Recht oder Unrecht, nicht einmal die Überlegung, ob etwas gut oder böse ist. In Alajmos Geschichte erfüllt das Kind eine gespenstische Doppelfunktion: es stiftet einerseits eine neue Innigkeit zwischen Mutter und Sohn, wird aber im nächsten Moment zu einem Störfaktor, der beseitigt werden muss.
So bemerkenswert dieser in Italien bereits 2003 erschienene Roman ist, so schwach nimmt sich die deutsche Übersetzung aus. Schon der Titel verniedlicht das italienische Original: „Mutterherz” hätte „Cuore di madre” eher entsprochen als „Mammaherz”. Es wimmelt von ungelenken Formulierungen wie „Die Krise zieht sich weiter” oder „Wir sind mitten am offenen Land.” Jemand bewegt seine Hand „hinter” dem Hosenstoff, obwohl er die Hose selbst anhat und sie also „unter” dem Stoff bewegen müsste. Außerdem stolpert man dauernd über Italianismen, wie „Cosimo stellte fest, dass er zu heiß hat”, „das tut dir auch schlecht”, „Ich haue mir gleich selbst die Fäuste an den Kopf”. Bei einer prägnanten, verdichteten Erzählweise, wie sie Roberto Alajmo zu eigen ist, kommt es sehr auf die Sprache an. Deren Charakter aber wird in der deutschen Übertragung leider verschliffen. MAIKE ALBATH
ROBERTO ALAJMO: Mammaherz. Roman. Aus dem Italienischen von Kurt Lanthaler. Haymon Verlag, Innsbruck und Wien 2008. 249 Seiten, 19,90 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.sz-content.de
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Von Roberto Alajmos Roman "Mammaherz" ist Rezensentin Maike Albath sehr angetan, leider trübt die deutsche Übersetzung ihre Begeisterung ganz erheblich. Der sizilianische Autor erzählt die Geschichte eines erfolglosen, von den Menschen in seinem Dorf gemiedenen Muttersöhnchens, der sich mit der Mafia einlässt, erfahren wir. Laut Rezensentin kommt es zu einem von der Mutter des Protagonisten ausgeführten "Gewaltverbrechen", wobei Alajmo es hervorragend gelinge, die fatale "Zwangsläufigkeit" der schrecklichen Entwicklung herauszustellen, wie die Rezensentin preist. In der Tradition Leonardo Sciascias stehend, der erstmals 1961 in seinem Roman "Der Tag der Eule" über die Mafia schrieb, spielt bei Alajmo dennoch nicht die Mafia die Hauptrolle, stellt Albath klar. Vielmehr widme er sich der symbiotischen Mutter-Sohn-Beziehung als Keimzelle für mafiöse Strukturen, so die Rezensentin gefesselt. Begeistert preist sie die erzählerische Ökonomie des Autors, der mit wenigen Strichen Handlungsorte und Charaktere zu zeichnen vermag. Umso ärgerlicher findet sie die Übersetzung ins Deutsche, die von "ungelenken" Wendungen nur so strotzt und die Rezensentin schon im Titel mit einer unzulässigen Verniedlichung der "madre" zur "Mamma" irritiert.

© Perlentaucher Medien GmbH
»Ein Erzähltalent, wie es in Italien heutzutage nur schwer zu finden ist.« Andrea Camilleri La Stampa