Eine Liebe in New York
Zwei Glücksritter in der Weltmetropole New York. Sie: eine junge tschechische Fotografin, er: Ramid, der vor 20 Jahren irgendwo im Nahen Osten nach Amerika aufgebrochen und in der Bronx gelandet ist. Als sie sich durch einen völlig unwahrscheinlichen Zufall auf einer Parkbank in Manhattan begegnen, hält er sie für die ihm von seiner Mutter geweissagte große Liebe. Es beginnt ein gemeinsames Leben inmitten der großstädtischen Wildnis, ein Liebesreigen zwischen den Verpflichtungen der Herkunft und den Hoffnungen und Gefährdungen der flirrenden neuen Welt.
Zwei Glücksritter in der Weltmetropole New York. Sie: eine junge tschechische Fotografin, er: Ramid, der vor 20 Jahren irgendwo im Nahen Osten nach Amerika aufgebrochen und in der Bronx gelandet ist. Als sie sich durch einen völlig unwahrscheinlichen Zufall auf einer Parkbank in Manhattan begegnen, hält er sie für die ihm von seiner Mutter geweissagte große Liebe. Es beginnt ein gemeinsames Leben inmitten der großstädtischen Wildnis, ein Liebesreigen zwischen den Verpflichtungen der Herkunft und den Hoffnungen und Gefährdungen der flirrenden neuen Welt.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 22.09.2009Das Lama im Central Park
Zirkus der Erinnerung: Die tschechische Autorin Petra Hulová erzählt in ihrem New Yorker Emigrantenroman von den Folgen des Lebens in der Fremde und der Entwurzelung.
In der jüngeren und jüngsten Generation tschechischer Schriftsteller finden sich ungewöhnlich viele Frauen. Allerdings hat sich dieser an sich erfreuliche Umstand nicht unbedingt auf die Themenwahl ausgewirkt. Diese ist bei der jungen Literatur dieses Landes vor allem darauf aus, die politischen Themen der Vätergeneration, die vor allem vom Prager Frühling geprägt war, zu vermeiden. Selbst Tereza Baouckova, die Tochter der Schriftstellers Pavel Kohout, porträtiert in ihrem Buch "Indianerlauf" den Vater, ohne sich mit dessen politischer Rolle auseinanderzusetzen. In ihrem neuen, gerade in Prag erschienenen Buch erzählt sie autobiographisch von dem fehlgeschlagenen Versuch einer Adoption von Zigeunerkindern.
Auch ihre jüngere Kollegin Petra Hulová vermeidet in ihren Romanen jeden Hinweis auf jene bewegte Vergangenheit ihres Landes, die sie ohnehin nicht aus eigenem Erleben kennt. Sie und viele ihrer Kolleginnen sind somit Schriftsteller, die in ihren Büchern die Stimmung reflektieren, die heute unter der Jugend in Tschechien weit verbreitet ist. Es ist eine Abkehr von allen politischen Illusionen und ein generelles Desinteresse an den Schicksalen ihrer Mütter und Väter. Aber man kann diese Befindlichkeit auch anders deuten, nämlich als eine Flucht vor der Geschichte, eine Abneigung, sich mit dem Staat und seiner politischen Kultur zu identifizieren und sich aktiv in der neuen Demokratie zu engagieren.
Petra Hulovás Roman "Manches wird geschehen" handelt zwar von einer tschechischen Fotografin, aber diese hat Prag verlassen und sucht ihr Glück in New York, wo, wie sie schnell feststellen muss, "niemand auf sie gewartet" hat. Wer nun gehofft hatte, in dem immerhin mehr als dreihundert Seiten langen Roman die Geschichte dieser Tereza erzählt zu bekommen, sieht sich getäuscht. Tereza trifft nämlich in New York auf einer Parkbank den ebenfalls nach Amerika emigrierten Ramid, von dem nicht genau gesagt wird, aus welchem Land er stammt, aber aus dessen Lebensgeschichte man unschwer seine Herkunft aus einer Gegend im Nahen Osten herauslesen kann.
Ramid nun erzählt Tereza ebendiese Lebensgeschichte und die Geschichte seiner Familie in aller Breite. Im Tschechischen heißt der Roman "Circus Les Mémoires", und dieser Titel ist auch bei weitem passender als der deutsche "Manches wird geschehen". Denn im Mittelpunkt der Erzählung von Ramid steht ebendieser Zirkus. Von zwei Franzosen, die als Helfer des Roten Kreuzes in seinem Heimatdorf tätig waren, wird sein Onkel für deren Zirkusprojekt angeworben, weil er sich als Zauberer bereits einen Namen gemacht hat. Die beiden Prinzipale wollen mit ihrem Zirkus nach Amerika auswandern, und um an Staatsgelder in Paris zu gelangen, nehmen sie "verfolgte Künstler" aus Ländern der Dritten Welt in ihr Ensemble auf, neben dem Onkel von Ramid auch eine kubanische Schlangenbeschwörerin. Der Zirkus strandet nach nur wenigen Vorstellungen in der New Yorker Bronx, und die Artisten werden zerstreut.
Ramid kommt nach seiner eigenen Emigration bei jenem Onkel unter, der sich eine bescheidene Existenz aufgebaut hat. Aber er ist ein innerlich Getriebener und reist durch Amerika, immer wieder Frauen verlassend, nirgendwo sesshaft werdend. Das alles erzählt er Tereza in New York, wohin er zurückgekehrt ist. Von ihr erfährt man nur wenig, allenfalls, dass auch sie nach der Emigration entwurzelt und einsam ist, auf der Suche nach einer Existenz, einem Partner und nach ihrer Identität.
Das Buch ist eigentlich ein Emigrantenroman, eine Beschreibung der Fremde und der Entwurzelung. Kunstvoll benutzt Hulová die Schnitttechnik von Filmen, indem sie die einzelnen Erzählstränge immer wieder unterbricht, dann abermals zusammenführt und so ein Netz spinnt, das all diese so verschiedenen Aspekte der Geschichte aufnimmt.
Das Problem des Buches liegt in seiner thematischen Fülle und der nie versiegenden Fabulierlust der Autorin. Sie weiß ebenso kenntnisreich über die Heimat ihres Freundes Ramid, die irgendwo im Nahen Osten liegt, zu erzählen, wie sie ihre Beobachtungen aus Amerika, nicht nur New York, in die Romanhandlung einwebt. Dadurch erhält das Buch viele Facetten und Nebenhandlungen, die allerdings für den Leser oft schwer zu entwirren sind. Insofern ist der Titel der deutschen Ausgabe wiederum treffend, nur: Es geschieht einfach zu viel.
Der Zirkus, der eigentliche Kern des Buches, weil aus ihm die wichtigsten Protagonisten in der Erzählung Ramids hervorgehen, wird immer wieder beleuchtet und entwickelt sich zum Symbol des Scheiterns, zur Denunziation von Illusionen und Hoffnungen. Die beiden Prinzipale treffen wir später mit den verbliebenen Lamas als Gärtner und Reinigungskräfte im New Yorker Central Park wieder. Aber auch die Lebensgeschichten der Artisten werden nur bruchstückhaft erzählt, und man ertappt sich dabei, dass man gerne eine Lebensgeschichte oder einen Erzählstrang verfolgen würde ohne die der Form geschuldeten Einschübe und Abschweifungen.
Dennoch, die Autorin hat eine scharfe Beobachtungsgabe, die sie in die Lage versetzt, sowohl ein stimmiges Bild der unteren Gesellschaftsschichten in Amerika, in denen sich nicht nur Ramid, sondern auch sein Onkel und die Artisten wiederfinden, zu zeichnen, als auch die Anpassungsschwierigkeiten einer fremden Kultur eindrucksvoll zu schildern. Dass eine solche Geschichte nicht in einem Happy End enden kann, versteht sich ebenso von selbst wie der Effekt, dass dem Leser nach einiger Zeit der Kopf schwirrt vor all den Details und angeschnittenen Biographien aus verschiedenen Ländern.
Ob Ramids Mutter, die zu Hause eine gefeierte Wahrsagerin ist, schließlich recht behält, da sie ihm eine ideale Frau vorausgesagt hat, die in der Neuen Welt auf ihn warte, lässt die Autorin klugerweise offen. So bleibt die Beziehung zwischen Ramid und Tereza am Ende in der Schwebe. Mit der Autorin Petra Hulová gibt es in der tschechischen Literatur zwar wieder eine Emigrantin, allerdings von anderer Art als die politischen Emigranten nach dem schicksalhaften Jahr 1968.
HANS-PETER RIESE
Petra Hulová: "Manches wird geschehen". Roman. Aus dem Tschechischen von Michael Stavaric. Luchterhand Literaturverlag, München 2009., br., 9,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Zirkus der Erinnerung: Die tschechische Autorin Petra Hulová erzählt in ihrem New Yorker Emigrantenroman von den Folgen des Lebens in der Fremde und der Entwurzelung.
In der jüngeren und jüngsten Generation tschechischer Schriftsteller finden sich ungewöhnlich viele Frauen. Allerdings hat sich dieser an sich erfreuliche Umstand nicht unbedingt auf die Themenwahl ausgewirkt. Diese ist bei der jungen Literatur dieses Landes vor allem darauf aus, die politischen Themen der Vätergeneration, die vor allem vom Prager Frühling geprägt war, zu vermeiden. Selbst Tereza Baouckova, die Tochter der Schriftstellers Pavel Kohout, porträtiert in ihrem Buch "Indianerlauf" den Vater, ohne sich mit dessen politischer Rolle auseinanderzusetzen. In ihrem neuen, gerade in Prag erschienenen Buch erzählt sie autobiographisch von dem fehlgeschlagenen Versuch einer Adoption von Zigeunerkindern.
Auch ihre jüngere Kollegin Petra Hulová vermeidet in ihren Romanen jeden Hinweis auf jene bewegte Vergangenheit ihres Landes, die sie ohnehin nicht aus eigenem Erleben kennt. Sie und viele ihrer Kolleginnen sind somit Schriftsteller, die in ihren Büchern die Stimmung reflektieren, die heute unter der Jugend in Tschechien weit verbreitet ist. Es ist eine Abkehr von allen politischen Illusionen und ein generelles Desinteresse an den Schicksalen ihrer Mütter und Väter. Aber man kann diese Befindlichkeit auch anders deuten, nämlich als eine Flucht vor der Geschichte, eine Abneigung, sich mit dem Staat und seiner politischen Kultur zu identifizieren und sich aktiv in der neuen Demokratie zu engagieren.
Petra Hulovás Roman "Manches wird geschehen" handelt zwar von einer tschechischen Fotografin, aber diese hat Prag verlassen und sucht ihr Glück in New York, wo, wie sie schnell feststellen muss, "niemand auf sie gewartet" hat. Wer nun gehofft hatte, in dem immerhin mehr als dreihundert Seiten langen Roman die Geschichte dieser Tereza erzählt zu bekommen, sieht sich getäuscht. Tereza trifft nämlich in New York auf einer Parkbank den ebenfalls nach Amerika emigrierten Ramid, von dem nicht genau gesagt wird, aus welchem Land er stammt, aber aus dessen Lebensgeschichte man unschwer seine Herkunft aus einer Gegend im Nahen Osten herauslesen kann.
Ramid nun erzählt Tereza ebendiese Lebensgeschichte und die Geschichte seiner Familie in aller Breite. Im Tschechischen heißt der Roman "Circus Les Mémoires", und dieser Titel ist auch bei weitem passender als der deutsche "Manches wird geschehen". Denn im Mittelpunkt der Erzählung von Ramid steht ebendieser Zirkus. Von zwei Franzosen, die als Helfer des Roten Kreuzes in seinem Heimatdorf tätig waren, wird sein Onkel für deren Zirkusprojekt angeworben, weil er sich als Zauberer bereits einen Namen gemacht hat. Die beiden Prinzipale wollen mit ihrem Zirkus nach Amerika auswandern, und um an Staatsgelder in Paris zu gelangen, nehmen sie "verfolgte Künstler" aus Ländern der Dritten Welt in ihr Ensemble auf, neben dem Onkel von Ramid auch eine kubanische Schlangenbeschwörerin. Der Zirkus strandet nach nur wenigen Vorstellungen in der New Yorker Bronx, und die Artisten werden zerstreut.
Ramid kommt nach seiner eigenen Emigration bei jenem Onkel unter, der sich eine bescheidene Existenz aufgebaut hat. Aber er ist ein innerlich Getriebener und reist durch Amerika, immer wieder Frauen verlassend, nirgendwo sesshaft werdend. Das alles erzählt er Tereza in New York, wohin er zurückgekehrt ist. Von ihr erfährt man nur wenig, allenfalls, dass auch sie nach der Emigration entwurzelt und einsam ist, auf der Suche nach einer Existenz, einem Partner und nach ihrer Identität.
Das Buch ist eigentlich ein Emigrantenroman, eine Beschreibung der Fremde und der Entwurzelung. Kunstvoll benutzt Hulová die Schnitttechnik von Filmen, indem sie die einzelnen Erzählstränge immer wieder unterbricht, dann abermals zusammenführt und so ein Netz spinnt, das all diese so verschiedenen Aspekte der Geschichte aufnimmt.
Das Problem des Buches liegt in seiner thematischen Fülle und der nie versiegenden Fabulierlust der Autorin. Sie weiß ebenso kenntnisreich über die Heimat ihres Freundes Ramid, die irgendwo im Nahen Osten liegt, zu erzählen, wie sie ihre Beobachtungen aus Amerika, nicht nur New York, in die Romanhandlung einwebt. Dadurch erhält das Buch viele Facetten und Nebenhandlungen, die allerdings für den Leser oft schwer zu entwirren sind. Insofern ist der Titel der deutschen Ausgabe wiederum treffend, nur: Es geschieht einfach zu viel.
Der Zirkus, der eigentliche Kern des Buches, weil aus ihm die wichtigsten Protagonisten in der Erzählung Ramids hervorgehen, wird immer wieder beleuchtet und entwickelt sich zum Symbol des Scheiterns, zur Denunziation von Illusionen und Hoffnungen. Die beiden Prinzipale treffen wir später mit den verbliebenen Lamas als Gärtner und Reinigungskräfte im New Yorker Central Park wieder. Aber auch die Lebensgeschichten der Artisten werden nur bruchstückhaft erzählt, und man ertappt sich dabei, dass man gerne eine Lebensgeschichte oder einen Erzählstrang verfolgen würde ohne die der Form geschuldeten Einschübe und Abschweifungen.
Dennoch, die Autorin hat eine scharfe Beobachtungsgabe, die sie in die Lage versetzt, sowohl ein stimmiges Bild der unteren Gesellschaftsschichten in Amerika, in denen sich nicht nur Ramid, sondern auch sein Onkel und die Artisten wiederfinden, zu zeichnen, als auch die Anpassungsschwierigkeiten einer fremden Kultur eindrucksvoll zu schildern. Dass eine solche Geschichte nicht in einem Happy End enden kann, versteht sich ebenso von selbst wie der Effekt, dass dem Leser nach einiger Zeit der Kopf schwirrt vor all den Details und angeschnittenen Biographien aus verschiedenen Ländern.
Ob Ramids Mutter, die zu Hause eine gefeierte Wahrsagerin ist, schließlich recht behält, da sie ihm eine ideale Frau vorausgesagt hat, die in der Neuen Welt auf ihn warte, lässt die Autorin klugerweise offen. So bleibt die Beziehung zwischen Ramid und Tereza am Ende in der Schwebe. Mit der Autorin Petra Hulová gibt es in der tschechischen Literatur zwar wieder eine Emigrantin, allerdings von anderer Art als die politischen Emigranten nach dem schicksalhaften Jahr 1968.
HANS-PETER RIESE
Petra Hulová: "Manches wird geschehen". Roman. Aus dem Tschechischen von Michael Stavaric. Luchterhand Literaturverlag, München 2009., br., 9,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Petra Hulova sieht Hans-Peter Riese als einer jungen Generation tschechischer Autoren und Autorinnen angehörig, die sich wenig für die Geschichte ihres Landes und die Schicksale ihrer Eltern interessiert. Die Geschichte zweier sich in New York treffender Emigranten (einer tschechischen Fotografin und eines aus dem Nahen Osten kommenden Artisten), die der Roman erzählt, besticht laut Riese durch die Beschreibung der Fremde und der Entwurzelung in den unteren Gesellschaftsschichten der USA, die von der Autorin mit großer Beobachtungsgabe und einer kunstvollen Schnitttechnik umgesetzt wird. Allerdings verliert der Rezensent beim Lesen mehr als einmal den Faden. Zu groß, meint er, sei Hulovas Fabulierlust, zu vielfältig die Themen, Biografien, Handlungsstränge und Facetten des Buches. Nur allzu gern hätte Riese eine der vielen Lebensgeschichten über längere Distanz verfolgt.
© Perlentaucher Medien GmbH
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