The most authoritative life of Mao ever written, by the bestselling author of Wild Swans and her husband ...
Wild Swans von Jung Chang war ein internationaler Bestseller. Nun haben sie und ihr Ehemann Jon Halliday eine bahnbrechende Biographie über Mao verfasst, die einen völlig neuen, schonungslosen Blick auf dessen bewegtes Leben und die Zeit, die er prägte, wirft.
Wild Swans von Jung Chang war ein internationaler Bestseller. Nun haben sie und ihr Ehemann Jon Halliday eine bahnbrechende Biographie über Mao verfasst, die einen völlig neuen, schonungslosen Blick auf dessen bewegtes Leben und die Zeit, die er prägte, wirft.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 24.05.2006Der unbekannte Mao
Legenden vom Bruderkrieg: War Japan der Hauptfeind der chinesischen Kommunisten?
Ein neues Buch von Jung Chang und John Halliday, bekannt durch "Wild Swans", sorgt in Japan, besonders unter Historikern, für einiges Aufsehen (Jung Chang und John Halliday: "Mao. The unknown story", New York 2005). Es könnte durch die Charakterzeichnung nicht nur die finsteren Partien im Bild Maos vertiefen, sondern in manchen Abschnitten über die chinesisch-japanischen Beziehungen zu einer Revision der Standardgeschichtsschreibung führen. Besonders das neunzehnte von insgesamt 58 Kapiteln mit dem Titel "Der rote Maulwurf löst den chinesisch-japanischen Krieg aus" wird manche Historiker erfreuen, weil es Japan von dem Vorwurf der Kriegsschuld teilweise freispricht, andere wird es ärgern, weil sie dahinter Revisionismus sehen. Überraschen wird die neue Sicht in jedem Fall.
Natürlich betrifft dieses Kapitel nur einen kurzen Abschnitt der Biographie Maos. Aber hier geht es um eine für ganz Ostasien entscheidende Frage: den Begriff des Krieges zwischen China und Japan und seine Verantwortung. Seit dem "Mukdenzwischenfall" 1931, der Besetzung der Mandschurei und der Deklaration des Königreiches Mandschukuo befanden sich japanische Truppen auf dem chinesischen Festland. Schon das hatte gravierende Folgen. Das Mandschukuo-Regime wurde nicht international anerkannt, und Japan trat daraufhin aus dem Völkerbund aus. Der Bruch mit den Vereinigten Staaten bahnte sich an. Aber noch gab es keinen offenen Krieg mit der Republik China unter Tschiang Kai-schek.
Weder China noch Japan waren an einem solchen Krieg interessiert. Für Japan war China zu groß, für die Nationalchinesen waren Maos Kommunisten der schlimmere Feind, zumindest auf lange Sicht. Nach dem "Zwischenfall an der Marco-Polo-Brücke" vor den Toren Pekings kam es wohl zu Kampfhandlungen, aber nicht zu einem erklärten Krieg. Auch Mao mit seiner Roten Armee wollte die Auseinandersetzung mit den Japanern nicht. Sein Hauptfeind war Tschiang Kai-schek. So jedenfalls die neue Sicht von Jung und Halliday.
Nach bisheriger Standardgeschichtsschreibung gilt, daß seit Dezember 1935 der Beschluß einer "nationalen Einheitsfront (von Kuomintang und Kommunisten) zum Widerstand gegen Japan" die Strategie der KP Chinas bestimmte. Nach der neuen Sicht sah aber Mao seinen Hauptfeind nicht in den Japanern. Er bekennt sogar nach 1945 japanischen Besuchern, die sich bei ihm entschuldigen wollen, daß er froh war über die japanische Invasion und die Schwächung Tschiangs: "Sonst säßen wir jetzt noch im Gebirge." Er widersetzt sich dem eigenen Politbüro und den Anweisungen des Komintern in Moskau zum offenen Angriff auf die japanische Armee. Das daraus resultierende Mißtrauen in Moskau ging so weit, in ihm einen Trotzkisten zu sehen, und Trotzkisten galten als Agenten Japans.
Wie kam es also 1937 zum großen, zum eigentlichen japanisch-chinesischen Krieg? Durch einen Maulwurf, durch einen Agenten Stalins. Natürlich nicht durch einen kleinen Informanten, sondern durch den größten Agenten der Geschichte, sagen die Autoren, in dem Sinne, daß von ihm die größte Wirkung in ganzen Ostasien ausging. Stalin sah von Anfang an in Japan den Feind Nummer eins in Ostasien. Er schickte seine Abgesandten mehrmals in das rote Hauptquartier nach Yenan, stattete sie mit großen Geldsummen aus und ließ durch sie Mao auffordern, gegen Japan loszuschlagen. Mao hat dies über Jahre verhindert. Jetzt setzte Stalin den General Zhang Zhi Zhong ein, Kommandeur der nationalen Nanking-Schanghai-Armee, der besten und schlagkräftigsten Truppe Tschiangs. Zhang Zhi Zhong, im Buch ZZZ genannt, war in der russischen Militärakademie in Kanton ausgebildet worden und dort als Lehrer tätig.
In seinen Memoiren schildert er sich als überzeugten Kommunisten, dem Tschou En-lai riet, im Lager der Nationalen zu bleiben und als Agent für die Roten zu arbeiten. Während er bei den Nationalen zum Kommandierenden General aufstieg, blieb er in Kontakt mit der sowjetischen Botschaft. Nach dem Zwischenfall an der Marco-Polo-Brücke drängte er den Oberkommandierenden Tschiang Kai-schek mehrmals zum Angriff gegen Japan. Der lehnte jedes Mal ab. Am 9. April provozierte ZZZ selbst einen Zwischenfall. Ein japanischer Offizier wurde erschossen. Die Japaner versuchten Ruhe zu bewahren. Am 14. April bombardierten chinesische Flugzeuge japanische Schiffe im Hafen von Schanghai, und ZZZ startete gegen den ausdrücklichen Befehl Tschiangs eine Offensive.
Der große Krieg begann. In der Presse mußte man jetzt natürlich gemeinsam erklären, die Japaner hätten angegriffen. Stalin unterstützte von nun an die Nationalen mit Geld, Waffen und militärischen Beratern, unter ihnen war der spätere Marschall Schukow. Der sowjetische Außenminister Litwinow erklärte in Gesprächen mit dem französischen Minister Leon Blum, daß die Sowjetunion entzückt sei darüber, daß Japan China angegriffen habe, er hoffe, daß der Krieg zwischen China und Japan so lange dauere wie möglich. Als die Nationalen später nach Taiwan fliehen mußten, blieb ZZZ bei den Roten auf dem Festland.
Stalins Absicht war klar: Japan, auf lange Sicht der Hauptfeind, mußte seine Truppen von der sibirischen Front ans Chinesische Meer verlegen. Seit der Besetzung der Mandschurei hatte Stalin die Gefahr eines japanischen Angriffs am Ussuri gesehen. Mit dem Krieg Japans im Süden gegen Tschiang Kai-schek war diese Gefahr ausgeräumt. Sie sollte später in anderer Form wiederauftauchen, als Maos Truppen am Ussuri standen. Jetzt aber hatte er Mao gegen dessen Willen in den Krieg mit Japan hineingezogen. Wie groß Stalins Angst vor Japan war, geht daraus hervor, daß er dem Kaisertum weit entgegenzukommen versuchte. Als einziger Staat außer dem Vatikan und El Salvador anerkannte die Sowjetunion 1935 den Vasallenstaat Mandschukuo.
Nachdem der große Krieg begonnen hatte, war er auch für Mao gut. Er schwächte Tschiang Kai-schek, während er selbst sich mit Angriffen auf die Japaner weiter zurückhielt, und er lieferte ihm, was er langfristig wollte: großes, leeres Hinterland hinter beiden Fronten für seine Partisanenbasen. Übrigens hatte Stalin noch drei weitere Maulwürfe im Lager der Nationalen. Shao Li-tsu lieferte den Sohn Tschiangs an Moskau aus, wo er für ein Jahrzehnt als Geisel in den Händen Stalins war. Um ihn schließlich freizubekommen, ließ der Vater die Rote Armee auf ihrem Marsch nach Norden entkommen. Das kratzt etwas am Mythos vom "Langen Marsch". Die Kuomintanggeneräle Hu Tsung-nan und Wie Li-huang lieferten später ganze Armeen an Mao aus. Nur so erklärt sich der schnelle und totale Zusammenbruch von 1948 trotz amerikanischer Hilfe.
Das Werk Jungs und Hallidays ist voll neuen Quellenmaterials, leider im Register schwer auffindbar. Manches durch Anführungsstriche Zitierte findet man hinten nicht. Die Darstellung folgt, leicht verwirrend, teils dem Sachzusammenhang, teils dem Zeitablauf. Sie ist überall, bis in die Details, interessant: Mao empfahl 1949 Ulbricht, eine Mauer zu bauen. Stalin beschützte den entführten Tschiang Kai-schek vor der Hinrichtung durch Mao. Auch die Fotos zeigen seltene Gesichter und Örtlichkeiten. Sympathischer ist dieser unbekannte Mao, der viele Millionen Chinesen in Friedenszeiten auf dem Gewissen hat, durch das neue Buch nicht geworden.
GERHARD KNAUSS
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Legenden vom Bruderkrieg: War Japan der Hauptfeind der chinesischen Kommunisten?
Ein neues Buch von Jung Chang und John Halliday, bekannt durch "Wild Swans", sorgt in Japan, besonders unter Historikern, für einiges Aufsehen (Jung Chang und John Halliday: "Mao. The unknown story", New York 2005). Es könnte durch die Charakterzeichnung nicht nur die finsteren Partien im Bild Maos vertiefen, sondern in manchen Abschnitten über die chinesisch-japanischen Beziehungen zu einer Revision der Standardgeschichtsschreibung führen. Besonders das neunzehnte von insgesamt 58 Kapiteln mit dem Titel "Der rote Maulwurf löst den chinesisch-japanischen Krieg aus" wird manche Historiker erfreuen, weil es Japan von dem Vorwurf der Kriegsschuld teilweise freispricht, andere wird es ärgern, weil sie dahinter Revisionismus sehen. Überraschen wird die neue Sicht in jedem Fall.
Natürlich betrifft dieses Kapitel nur einen kurzen Abschnitt der Biographie Maos. Aber hier geht es um eine für ganz Ostasien entscheidende Frage: den Begriff des Krieges zwischen China und Japan und seine Verantwortung. Seit dem "Mukdenzwischenfall" 1931, der Besetzung der Mandschurei und der Deklaration des Königreiches Mandschukuo befanden sich japanische Truppen auf dem chinesischen Festland. Schon das hatte gravierende Folgen. Das Mandschukuo-Regime wurde nicht international anerkannt, und Japan trat daraufhin aus dem Völkerbund aus. Der Bruch mit den Vereinigten Staaten bahnte sich an. Aber noch gab es keinen offenen Krieg mit der Republik China unter Tschiang Kai-schek.
Weder China noch Japan waren an einem solchen Krieg interessiert. Für Japan war China zu groß, für die Nationalchinesen waren Maos Kommunisten der schlimmere Feind, zumindest auf lange Sicht. Nach dem "Zwischenfall an der Marco-Polo-Brücke" vor den Toren Pekings kam es wohl zu Kampfhandlungen, aber nicht zu einem erklärten Krieg. Auch Mao mit seiner Roten Armee wollte die Auseinandersetzung mit den Japanern nicht. Sein Hauptfeind war Tschiang Kai-schek. So jedenfalls die neue Sicht von Jung und Halliday.
Nach bisheriger Standardgeschichtsschreibung gilt, daß seit Dezember 1935 der Beschluß einer "nationalen Einheitsfront (von Kuomintang und Kommunisten) zum Widerstand gegen Japan" die Strategie der KP Chinas bestimmte. Nach der neuen Sicht sah aber Mao seinen Hauptfeind nicht in den Japanern. Er bekennt sogar nach 1945 japanischen Besuchern, die sich bei ihm entschuldigen wollen, daß er froh war über die japanische Invasion und die Schwächung Tschiangs: "Sonst säßen wir jetzt noch im Gebirge." Er widersetzt sich dem eigenen Politbüro und den Anweisungen des Komintern in Moskau zum offenen Angriff auf die japanische Armee. Das daraus resultierende Mißtrauen in Moskau ging so weit, in ihm einen Trotzkisten zu sehen, und Trotzkisten galten als Agenten Japans.
Wie kam es also 1937 zum großen, zum eigentlichen japanisch-chinesischen Krieg? Durch einen Maulwurf, durch einen Agenten Stalins. Natürlich nicht durch einen kleinen Informanten, sondern durch den größten Agenten der Geschichte, sagen die Autoren, in dem Sinne, daß von ihm die größte Wirkung in ganzen Ostasien ausging. Stalin sah von Anfang an in Japan den Feind Nummer eins in Ostasien. Er schickte seine Abgesandten mehrmals in das rote Hauptquartier nach Yenan, stattete sie mit großen Geldsummen aus und ließ durch sie Mao auffordern, gegen Japan loszuschlagen. Mao hat dies über Jahre verhindert. Jetzt setzte Stalin den General Zhang Zhi Zhong ein, Kommandeur der nationalen Nanking-Schanghai-Armee, der besten und schlagkräftigsten Truppe Tschiangs. Zhang Zhi Zhong, im Buch ZZZ genannt, war in der russischen Militärakademie in Kanton ausgebildet worden und dort als Lehrer tätig.
In seinen Memoiren schildert er sich als überzeugten Kommunisten, dem Tschou En-lai riet, im Lager der Nationalen zu bleiben und als Agent für die Roten zu arbeiten. Während er bei den Nationalen zum Kommandierenden General aufstieg, blieb er in Kontakt mit der sowjetischen Botschaft. Nach dem Zwischenfall an der Marco-Polo-Brücke drängte er den Oberkommandierenden Tschiang Kai-schek mehrmals zum Angriff gegen Japan. Der lehnte jedes Mal ab. Am 9. April provozierte ZZZ selbst einen Zwischenfall. Ein japanischer Offizier wurde erschossen. Die Japaner versuchten Ruhe zu bewahren. Am 14. April bombardierten chinesische Flugzeuge japanische Schiffe im Hafen von Schanghai, und ZZZ startete gegen den ausdrücklichen Befehl Tschiangs eine Offensive.
Der große Krieg begann. In der Presse mußte man jetzt natürlich gemeinsam erklären, die Japaner hätten angegriffen. Stalin unterstützte von nun an die Nationalen mit Geld, Waffen und militärischen Beratern, unter ihnen war der spätere Marschall Schukow. Der sowjetische Außenminister Litwinow erklärte in Gesprächen mit dem französischen Minister Leon Blum, daß die Sowjetunion entzückt sei darüber, daß Japan China angegriffen habe, er hoffe, daß der Krieg zwischen China und Japan so lange dauere wie möglich. Als die Nationalen später nach Taiwan fliehen mußten, blieb ZZZ bei den Roten auf dem Festland.
Stalins Absicht war klar: Japan, auf lange Sicht der Hauptfeind, mußte seine Truppen von der sibirischen Front ans Chinesische Meer verlegen. Seit der Besetzung der Mandschurei hatte Stalin die Gefahr eines japanischen Angriffs am Ussuri gesehen. Mit dem Krieg Japans im Süden gegen Tschiang Kai-schek war diese Gefahr ausgeräumt. Sie sollte später in anderer Form wiederauftauchen, als Maos Truppen am Ussuri standen. Jetzt aber hatte er Mao gegen dessen Willen in den Krieg mit Japan hineingezogen. Wie groß Stalins Angst vor Japan war, geht daraus hervor, daß er dem Kaisertum weit entgegenzukommen versuchte. Als einziger Staat außer dem Vatikan und El Salvador anerkannte die Sowjetunion 1935 den Vasallenstaat Mandschukuo.
Nachdem der große Krieg begonnen hatte, war er auch für Mao gut. Er schwächte Tschiang Kai-schek, während er selbst sich mit Angriffen auf die Japaner weiter zurückhielt, und er lieferte ihm, was er langfristig wollte: großes, leeres Hinterland hinter beiden Fronten für seine Partisanenbasen. Übrigens hatte Stalin noch drei weitere Maulwürfe im Lager der Nationalen. Shao Li-tsu lieferte den Sohn Tschiangs an Moskau aus, wo er für ein Jahrzehnt als Geisel in den Händen Stalins war. Um ihn schließlich freizubekommen, ließ der Vater die Rote Armee auf ihrem Marsch nach Norden entkommen. Das kratzt etwas am Mythos vom "Langen Marsch". Die Kuomintanggeneräle Hu Tsung-nan und Wie Li-huang lieferten später ganze Armeen an Mao aus. Nur so erklärt sich der schnelle und totale Zusammenbruch von 1948 trotz amerikanischer Hilfe.
Das Werk Jungs und Hallidays ist voll neuen Quellenmaterials, leider im Register schwer auffindbar. Manches durch Anführungsstriche Zitierte findet man hinten nicht. Die Darstellung folgt, leicht verwirrend, teils dem Sachzusammenhang, teils dem Zeitablauf. Sie ist überall, bis in die Details, interessant: Mao empfahl 1949 Ulbricht, eine Mauer zu bauen. Stalin beschützte den entführten Tschiang Kai-schek vor der Hinrichtung durch Mao. Auch die Fotos zeigen seltene Gesichter und Örtlichkeiten. Sympathischer ist dieser unbekannte Mao, der viele Millionen Chinesen in Friedenszeiten auf dem Gewissen hat, durch das neue Buch nicht geworden.
GERHARD KNAUSS
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