14,00 €
inkl. MwSt.
Versandkostenfrei*
Sofort lieferbar
  • Broschiertes Buch

1 Kundenbewertung

»Wer war dieser Andrew Marbot, dessen Name kein Lexikon verzeichnet? Er war, so wird uns mitgeteilt, ein englischer Adliger aus dem frühen 19. Jahrhundert, 1801-1830, Ästhetiker und Kunst-Psychologe, der auf erstaunliche Weise Kunsteinsichten Freuds und der Moderne vorwegnahm. Er bereiste Frankreich, Italien und Deutschland, besuchte Goethe in Weimar, kannte Byron und Shelley, Turner und Delacroix, Leopardi, Platen und Schopenhauer. Postum 1834, erschien sein Buch Art and Life, das auch ins Deutsche übersetzt wurde. Bald fand Marbot seinen ersten Biographen, Hadley-Chase - und wurde dann…mehr

Produktbeschreibung
»Wer war dieser Andrew Marbot, dessen Name kein Lexikon verzeichnet? Er war, so wird uns mitgeteilt, ein englischer Adliger aus dem frühen 19. Jahrhundert, 1801-1830, Ästhetiker und Kunst-Psychologe, der auf erstaunliche Weise Kunsteinsichten Freuds und der Moderne vorwegnahm. Er bereiste Frankreich, Italien und Deutschland, besuchte Goethe in Weimar, kannte Byron und Shelley, Turner und Delacroix, Leopardi, Platen und Schopenhauer. Postum 1834, erschien sein Buch Art and Life, das auch ins Deutsche übersetzt wurde. Bald fand Marbot seinen ersten Biographen, Hadley-Chase - und wurde dann gründlich vergessen. Zu Unrecht, wie Hildesheimer zeigt. Denn Marbot war auch ein interessanter Charakter, nicht zuletzt durch die inzestuöse Beziehung, die er zu seiner Mutter, Lady Catherine Marbot, unterhielt.« Hanjo Kesting, Frankfurter Rundschau
Autorenporträt
Wolfgang Hildesheimer wurde am 9. Dezember 1916 als Sohn jüdischer Eltern in Hamburg geboren und starb am 21. August 1991 in Poschiavo in der Schweiz. 1933 emigrierte er über England nach Palästina, wo er eine Schreinerlehre absolvierte. 1937 begann er an der Central School of Arts and Crafts (London) Malerei, Textilentwurf und Bühnenbildnerei zu studieren und nahm von London aus am Sommerkurs für Bühnenbild bei Emil Pirchan in Salzburg teil. Anfang 1939 gestaltete er in London am Tavistock Little Theatre sein erstes Bühnenbild. Nach dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs kehrte er nach Palästina zurück, arbeitete als Information Officer, war Englisch-Lehrer am British Institute und leitete zusammen mit einem Freund einige Zeit die Werbeagentur 'HW'. Er beteiligte sich an Kunstausstellungen und veröffentlichte einige Gedichte, Essays und Kritiken. 1946 kehrte er nach London zurück, um Bühnenbildner zu werden, wurde aber für die Nürnberger Prozesse engagiert. Im Januar 1947 reiste er nach Nürnberg, dolmetschte für die amerikanische Besatzungsmacht und beteiligte sich wieder an Kunstausstellungen. 1949 zog er nach Ambach am Starnberger See, um als freier Maler und Grafiker zu arbeiten, schrieb im Januar 1950 aber eine Geschichte für Kinder - der Beginn seiner literarischen Karriere. Bereits 1951 wurde er zur Gruppe 47 eingeladen, 1955 erhielt er den Hörspielpreis der Kriegsblinden und im selben Jahr wurde zudem sein erstes Theaterstück von Gustav Gründgens uraufgeführt; ebenfalls in diesem Jahr begann er auch wieder zu malen. Nachdem er 1953 nach München gezogen war, übersiedelte er 1957 nach Poschiavo und widmete sich einer neuen Art von Theaterstücken, deren Besonderheiten er 1960 mit der Rede Über das absurde Theater fundierte. Anlässlich der Internationalen Theaterwoche der Studentenbühnen in Erlangen gehalten, sorgte diese für Aufsehen. Sein Prosabuch Tynset wurde 1966 mit dem Georg-Büchner-Preis und dem Bremer Literaturpreis ausgezeichnet. Sein Bestseller Mozart (1977) beeinflusste das Theaterstück und den Film Amadeus. Seit 1961 beteiligte er sich wieder an Ausstellungen, seit 1965 wurde sein bildkünstlerisches Werk in rund fünfzig Einzelausstellungen gezeigt. 1980 hielt Hildesheimer die Eröffnungsrede der Salzburger Festspiele Was sagt Musik aus. Neben seinen literarischen Werken verfertigte Hildesheimer auch Collagen, die er in mehreren Bänden sammelte. Spektakulär war 1984 seine Ankündigung, angesichts der drohenden Umweltkatastrophe nicht mehr zu schreiben, sondern zur bildenden Kunst zurückzukehren.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 15.12.2007

Die Wirklichkeit erfinden
Wolfgang Hildesheimer: „Marbot. Eine Biographie”
Wie es von gewissen klugen Leuten heißt, dass sie nie geistvoller argumentieren, als wenn sie im Unrecht sind, so hat Wolfgang Hildesheimer nie brillanter, reaktionssicherer, spannungsvoll origineller geschrieben als in „Marbot”, wo er etwas eigentlich Unmögliches versuchte.
Er wollte nämlich eine Biographie erfinden, die den Anspruch erfüllt, „Wirklichkeit” zu sein. Er selbst war erstaunlich überzeugt davon, sein 1801 als privilegierter, reicher englischer Großgrundbesitzersohn geborener Held Andrew Marbot habe tatsächlich gelebt, sei vom Kaplan der Familie, dem holländischen Jesuitenpater Gerardus van Rolsum vielsprachig und vielseitig erzogen worden und dann auf seinen Reisen mit Goethe, Schopenhauer, Leopardi mit zahlreichen zeitgenössischen Künstlern und Malern zusammengetroffen. Hildesheimer lässt bei alledem nicht die geringste historische Unwahrscheinlichkeit zu. Jede Begebenheit könnte genauso passiert sein.
Marbot gewinnt blutjung ein leidenschaftliches Interesse vor allem an bildender Kunst und Künstlern. Da er zu seinem Kummer feststellen muss, selbst kein kreatives Talent zu besitzen, wird er zum umso sensibleren Kunst-Betrachter, Bild-Interpreten, Ästhetik-Theoretiker. Seine Kunst-Schriften machen Marbot unter Kennern berühmt - 1888 erscheint über ihn die erste Biographie.
Da ist er allerdings längst tot. In eine unselige, skandalschwangere Inzestaffäre mit seiner schönen Mutter verstrickt, nahm er sich 29-jährig das Leben.
Die heitere, nie im mindesten parodistische Originalität, mit welcher Hildesheimer hier Reaktionen Goethes, Thomas de Quincey’s, Schopenhauers, Byrons und vieler anderer erfindet, die Interpretationen berühmter Gemälde zwischen Giorgione, Tintoretto, Rembrandt, Delacroix – alle diese genialen Kunst-Stücke machen verständlich, dass Hildesheimer, auf seine fiktive „Biographie” angesprochen, ernsthaft glaubte, damit das Wirkliche bereichert zu haben. Es war alles andere als ein „Scherz” für ihn – nie schrieb er besser, reicher, und dichter. Und das will wahrlich etwas heißen bei einem Autor, der bereits in seinem Erstling, den „Lieblosen Legenden”, meisterhaft mit der Sprache zu spielen und doch zurechtzukommen wusste, der nie stehen blieb bei dem, was er perfekt konnte, sondern immer neue Herausforderungen suchte in „Tynset”, „Masante” und einer Mozart-Biographie, welche ihm die Schwierigkeit hinreichender Durchdringung eines genialen Lebens derart eindringlich vor Augen führte, dass er sich als Antwort darauf eben „Marbot” erwählte. Und zwar mit der Begründung, es sei leichter, einem Talent gerecht zu werden als einem Genie.
Zu den Köstlichkeiten gehören auch mannigfache (fiktive) englische Zitate, die mitgeteilt sowie vom Autor hilfreich übersetzt werden. Sie machen fühlbar, dass Hildesheimer nicht nur wunderbares Deutsch zu schreiben vermochte, sondern auch ein faszinierend anmutiges Englisch. JOACHIM KAISER
Wolfgang Hildesheimer Foto: Brigitte Friedrich
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
…mehr