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Wahn und Wirklichkeit in einem (nicht ganz) normalen Dorf: "Als visionärer und pataphysischer Erzähler hat Vetri seinen Lesern ein verfremdendes Weitwinkelobjektiv an die Hand gegeben, mit dem sie das Alltägliche betrachten können", schrieb die REPUBBLICA nach Erscheinen von Marcitero. Der Erzähler erlebt den alltäglichen Wahnsinn in einem sizilianischen Dorf. Dessen Bewohner hassen sich und die anderen, sie hassen ihr Dorf und die Welt - wollen aber nur das eine: Unabhängigkeit! Wovon auch immer ... Eine bitterböse und komische Parabel auf Gewalt und Populismus.

Produktbeschreibung
Wahn und Wirklichkeit in einem (nicht ganz) normalen Dorf: "Als visionärer und pataphysischer Erzähler hat Vetri seinen Lesern ein verfremdendes Weitwinkelobjektiv an die Hand gegeben, mit dem sie das Alltägliche betrachten können", schrieb die REPUBBLICA nach Erscheinen von Marcitero. Der Erzähler erlebt den alltäglichen Wahnsinn in einem sizilianischen Dorf. Dessen Bewohner hassen sich und die anderen, sie hassen ihr Dorf und die Welt - wollen aber nur das eine: Unabhängigkeit! Wovon auch immer ... Eine bitterböse und komische Parabel auf Gewalt und Populismus.
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Autorenporträt
Nino Vetri, Schriftsteller, Musiker, Buchhändler, geboren 1964 in Palermo, wo er lebt und arbeitet. In der edition.fotoTAPETA sind bisher vier Bücher mit Prosa von Vetri erschienen: "Die letzten Stunden meiner Brille", "Lume Lume" und "Mamas wunderbares Herz", sowie "Suite für eine viertel Kuh". Vetri reist des Öfteren mit der Musikgruppe Banda di Palermo durch Deutschland und spielt auf.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Als "anthropologischen Reiseführer" würde Rezensentin Christiane Pöhlmann Nino Vetris untypischen Roman "Marcitero" am ehesten charakterisieren. "Marcitero" (von "marcio": faul, verrottet) ist auch der Name des Dorfes, in dem Vetris fabulierte Impressionen spielen, ein kleiner Ort in Süditalien, in dem der Ich-Erzähler zeitweilig strandet. Dessen wenige, offen opportunistische Einwohner:innen erinnern die Rezensentin an ein wohlbekanntes gallisches Dorf, nur dass sie neben der glorreichen Vergangenheit und der in Wahlsprüchen versprochenen Zukunft auch den Dreck und Müll, in dem das Dorf versinkt, preisen. Pöhlmann weiß Vetris Sarkasmus und Ironie, die Andreas Rosteks Übersetzung aus dem Italienischen der deutschen Leserschaft zugänglich macht, zu schätzen und verleiht ihrer Rezension einen ähnlichen Ton; Vetris kurzweiligen, eher unverbundene Miniaturen hat sie mit unverkennbarer Freude gelesen.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 10.04.2024

Im Dorf der Fäulnis mögen sie den Müll
Des allgegenwärtigen Opportunisten Recyclingwunder: Nino Vetris neuer Roman "Marcitero"

Triggerwarnung: Diese Rezension wurde in der Überzeugung geschrieben, Ironie und Sarkasmus seien ehrbare Stilmittel und verständliche obendrein. Diese Rezension wurde ferner nach einer morgendlichen Dusche sowie nach einem vom Klappentext ausgelösten Lachen geschrieben: Die Dorfbewohner in Marcitero "hassen Frauen, die sich zu oft waschen".

Nino Vetri, Jahrgang 1964, macht eine Menge: Er spielt Saxophon bei La Banda di Palermo, verkauft Bücher und schreibt gelegentlich auch welche. Die sind eher schmal und meist so skurril bis bitterböse wie im eingangs zitierten Klappentext. Am anderen Ende des italienischen Stiefels schreibt der etwa eine Generation ältere Stefano Benni in Bologna ähnlich skurril, sarkastisch und phantasievoll, verwebt seine Beobachtungen aber doch stärker zu Geschichten und Romanen.

Bei Vetri dagegen bleiben die Impressionen trotz der Gattungsbezeichnung "Roman" eher unverbunden. Wollte man "Marcitero" irgendwie charakterisieren, träfe wohl "anthropologischer Reiseführer" zu: Das Dorf trägt seinen Namen nach dem Fäulnisgeruch ("marcio" bedeutet faul, verrottet) und gehört zu den besonders öden Orten: "Zweiundneunzig Einwohner, dreiundvierzig von ihnen älter als achtzig", allesamt Opportunisten. Die verschiedenen Varianten soziologisch zu erfassen und vorzuführen ist das verbindende Moment der Fabulierstückchen.

Ob die Leute aus Marcitero nun im Jahre 900 die Muslime mit zweihundertprozentiger Korantreue oder später die Normannen mit pflichtbewusster Bibelkenntnis willkommen heißen, sie halten es immer mit dem Starken. Der Diktator von Nordkorea ist ihr erklärter Held. Prinzip ihres Lebens ist die zuverlässige Prinzipienlosigkeit. Mit ihr infiziert sich nach einer Weile auch der dort gestrandete Icherzähler, einer der wenigen ernsthafteren Momente in diesem schmalen Band.

Der einzige Zeitvertreib, den die Bevölkerung kennt: Sie ist genauso schnell in eine Keilerei verwickelt wie die eines gewissen gallischen Dorfs. Die Blessuren werden wie Orden zur Schau getragen, die Toten an die Schweine verfüttert. Ansonsten bummelt die Einwohnerschaft durch die "Straßen voll Unkraut, Dreck und Müll, der im ganzen Ort gärte und blubberte", preist die Vergangenheit, schmiedet gigantische Pläne für die Zukunft wie eine Umleitung des Meeres - "Wählt mich zum Bürgermeister, und ihr werdet das Meer kriegen!" - und wittert überall Spione. Sie sollen auch dem dorfeigenen Minidiktator berichten, dessen Aufenthalt ein Mysterium darstellt. Als er am Ende zurückkehrt und den anderen vorschreibt, was sie sein müssen: "unnützes Zeug. Den Rest überlasst mir", echot die Menge (und wer denkt da nicht an "Das Leben des Brian"?): "Wir sind alle unnützes Zeug!" Diesmal gibt es jedoch ein paar Sturköpfe, die aufmucken und das Dorf in Schutt und Asche legen - auf dass es aus dem Müll auferstehe. Und wenn sie nicht gestorben sind, wärmen sie noch heute alte Geschichten auf und freuen sich an allem, was dreckig und speckig ist. CHRISTIANE PÖHLMANN

Nino Vetri: "Marcitero". Roman.

Aus dem Italienischen von Andreas Rostek. Edition Fototapeta, Berlin 2024. 112 S., br., 15,- Euro.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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