Margarete Heymann-Loebenstein ist vor allem als Begründerin der Hael-Werkstätten für künstlerische Keramik in Marwitz bekannt. Ihre vom Bauhaus beeinflussten Formen und Dekore waren modern und gleichzeitig auf eine halbindustrielle Serienproduktion optimiert, was die kostengünstige Herstellung
ermöglichte. Die Produkte waren anfangs äußerst erfolgreich, aber 1932 musste der Betrieb als Folge der…mehrMargarete Heymann-Loebenstein ist vor allem als Begründerin der Hael-Werkstätten für künstlerische Keramik in Marwitz bekannt. Ihre vom Bauhaus beeinflussten Formen und Dekore waren modern und gleichzeitig auf eine halbindustrielle Serienproduktion optimiert, was die kostengünstige Herstellung ermöglichte. Die Produkte waren anfangs äußerst erfolgreich, aber 1932 musste der Betrieb als Folge der Weltwirtschaftskrise schließen.
Die Monografie ist herausgegeben von Tobias Hoffmann und Anna Grosskopf vom Bröhan Museum und dem Sammler und Immobilienmakler Erhard Gerwien, die auch einige Einzelbeiträge liefern.
Beleuchtet wird die wechselhafte Biografie Margarete Heymann-Loebensteins insbesondere vor dem Hintergrund ihrer Ausbildung am Bauhaus und der Machtübernahme durch die Nazis, die sie 1936 zur Auswanderung zwangen. Den Rest ihres Lebens verbrachte sie in Großbritannien, wo sie allerdings wirtschaftlich nicht mehr an alte Erfolge anknüpfen konnte.
Die Quellenlage ist bemerkenswert umfangreich und wurde von den Autoren mit detektivischer Akribie recherchiert, wobei auch zahlreiche Zeugnisse Dritter einfließen. Die künstlerische Entwicklung wird detailliert aufgearbeitet und die exzellenten Fotos zeigen nicht nur ihre ikonischen Keramiken (z. B. die Tassen mit Scheibenhenkeln oder das stilbildende Dekor 144), sondern Objekte, Zeichnungen und Entwürfe aus allen Schaffensphasen. Durch die tiefgehende Recherche wird insbesondere ihre Zeit am Bauhaus, die Einflüsse einzelner Lehrer und der Eklat ihres Weggangs nach nur einem Jahr begreifbar, aber auch die Bedeutung wichtiger Mitarbeiter in den Hael-Werkstätten wird gewürdigt. Ein ganzes Kapitel widmet sich dem virtuosen Glasurmeister Franz Eggert, der hochinnovative Glasuren entwickelte, die Standards bis in unsere Gegenwart legten. Ein sehr interessantes Nebenthema ist der erst kürzlich entdeckte und hier erstmals in Teilen publizierte dritte Produktkatalog der Hael-Werkstätten. Er verwendet Produktfotografien ganz im Stil des „Neuen Sehens“, der von avantgardistischen Fotografen in den Zwanzigerjahren entwickelt wurde.
Es gibt auch einen deutlichen Kritikpunkt und das ist der Beitrag von Erhard Gerwien, der sich der Frage widmet, ob der Verkauf der Hael-Werkstätten an Hedwig Bollhagen im Jahr 1934 eine Zwangsarisierung war oder nicht. Hier scheint das Ergebnis vorher festgestanden zu haben. Der anklagende Grundton und die offensichtliche Parteinahme sind ein deutliches Signal, dass hier eine vorgefasste Meinung transportiert wird, denn die Hael-Werkstätten sind bereits ein Jahr vor der Machtergreifung geschlossen worden und waren wirtschaftlich schon länger defizitär. Das wird nicht oder nur am Rande thematisiert und Hedwig Bollhagen als ahnungslose Strohfrau dargestellt, die im Auftrag eines Nazis den Betrieb zu einem Spottpreis übernahm. So einfach ist die Sachlage eben nicht.
Diese Mängel haben die anderen Beiträge nicht. Sie sind ausgesprochen sachlich und ergehen sich niemals in Spekulationen, auch was Zuschreibungen und mögliche (aber eben nicht nachweisbare) Zusammenhänge angeht. Emotionalität darf bei wissenschaftlichem Vorgehen eben nicht die Fakten überlagern. Inhaltlich kommt es durch die zahlreichen Autoren teilweise zu Dopplungen, auch sind nicht alle Autoren stilistisch gleich begabt, aber die Fülle an Informationen liefern ein sehr lebendiges und dem Anschein nach vollständiges Bild von Margarete Heymann-Loebensteins Biografie. Der einzige Aspekt, der mir etwas zu kurz kam, ist ihre Persönlichkeitsstruktur, die nur selten thematisiert wird, aber aus meiner Sicht wichtig wäre.
Das ausgesprochen elegante Layout ist ebenfalls erwähnenswert. Es setzt die Kreationen ins rechte Licht, ist grafisch wunderbar aufgeräumt, übersichtlich und frisch. Bis auf die genannte Ausnahme ein rundum gelungener Band.
(Dieses Buch wurde mir vom Verlag kostenfrei zur Verfügung gestellt. Auf meine Rezension wurde kein Einfluss genommen, der Inhalt stellt meine persönliche Meinung dar.)