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In seinem meisterhaften biographischen Essay schildert Lucien Febvre das Leben und die Mentalität der Margarete von Navarra, eine der großen Frauen der Renaissance. Der Autor geht der Frage nach, wie Frauen und Männer die Liebe zu Gott und die Liebe zum anderen Geschlecht erlebten. Eine faszinierende Reise ins Innere einer Welt, in der Irdisches und Religiöses nicht weit auseinander lagen.
Margarete von Angouleme (1492-1549), Königin von Navarra, war eine Schlüsselfigur der französischen Reformation und Autorin frommer Gedichte. Aber diese tiefreligiöse Frau war gleichzeitig eine höchst
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Produktbeschreibung
In seinem meisterhaften biographischen Essay schildert Lucien Febvre das Leben und die Mentalität der Margarete von Navarra, eine der großen Frauen der Renaissance. Der Autor geht der Frage nach, wie Frauen und Männer die Liebe zu Gott und die Liebe zum anderen Geschlecht erlebten. Eine faszinierende Reise ins Innere einer Welt, in der Irdisches und Religiöses nicht weit auseinander lagen.

Margarete von Angouleme (1492-1549), Königin von Navarra, war eine Schlüsselfigur der französischen Reformation und Autorin frommer Gedichte. Aber diese tiefreligiöse Frau war gleichzeitig eine höchst weltliche Dame. In den letzten Jahren ihres Lebens verfaßte sie das wohl berühmteste erotische Werk der französischen Renaissance, das "Heptameron", ein direktes Gegenstück zu Boccaccios "Decamerone". Wie paßt das zusammen: die überzeugte Christin und heimliche Protestantin - die weltliche Königin und die raffinierte Schriftstellerin? In seinem biographischen Essay löst Febvre dieses aufregende Epochenrätsel. Er zeigt, wie damals beides, die Liebe zu Gott und die Liebe zum anderen Geschlecht, im Leben einer Person zu vereinbaren waren, und liefert damit einen faszinierenden Einblick in das Fühlen und Denken in dieser Epoche.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 24.03.1998

Die maliziöse Dompteuse und ihre Verehrer
Lucien Febvres Studie über Margarete von Navarra enthält einen geheimen Liebesroman / Von Lorenz Jäger

Das "Heptameron", eine Sammlung von zweiundsiebzig Novellen, gehört zu den glücklichen Werken der Renaissance, um deren kanonische Geltung man auch heute nicht besorgt sein muß. Der frivole Ruf, den die Geschichten aus der Feder der Königin von Navarra genießen, führt ihnen in jeder Generation neue Leser zu. In das Derbe und Schwankhafte eingearbeitet, kündigt sich hier ein neues Selbstbewußtsein der schreibenden Frau an. Kaum eine Novelle, in der nicht weibliche Urteilskraft die Aufdeckung der Wahrheit beförderte, in der nicht weibliche Entschlossenheit in heiklen Lagen die Entscheidung brächte und weibliche Glaubenskraft den geistigen Kosmos im Lot hielte. Als Herr von Roberval von einem Untergebenen verraten wird, befreit ihn seine Frau, und als er später in der von ihm gegründeten kanadischen Kolonie stirbt, "hatte er nichts als die Dienste und die Trostworte seiner Frau, die ihm als Arzt und Beichtvater diente, so daß er fröhlich aus dieser Wüste in die himmlische Heimat einging".

Weltliche Handlungsfähigkeit und geistlicher Trost: das sind die beiden Pole in den Schriften Margaretes von Navarra. Die Schwester von Franz' I., eine eminente Politikerin und Diplomatin, war zugleich die Schutzpatronin der intellektuellen Erneuerung Frankreichs in der kritischen Zeit der Reformation. Schon Christoph Martin Wieland hat die Schriftstellerin hochgeschätzt und ihr in einem Essay gehuldigt, wie er auch, Zeitgenosse erfolgreicher Autorinnen, für Heloise und Christine von Pisan zum deutschen Entdecker eines "Parnasse des Dames" wurde. Ihn mußte der Freimut Margaretes in weltlichen wie in geistlichen Dingen ansprechen. Fand er in ihren biblischen Dichtungen, ganz im Geist des Rokoko, "anmutige Bilder und feine Wendungen", so wurde dem Aufklärer ihre konfessionelle Stellung zwischen den Fronten zum Spiegel: Angefeindet sei sie gewesen, "weil sie zu edel, billig und gut war, um es einer von beiden Parteien völlig recht machen zu können".

Mit dem letzten Satz hätte auch Lucien Febvre sich einverstanden erklären können - die Nähe allerdings, in der noch Wieland sie sah, wird durch die distanzierenden Techniken des Historikers als Illusion erkennbar. Febvres Absicht war es, zur Fernsicht auf eine andere Welt zu erziehen. Sein Buch bildet ein Diptychon. Während der Leser im ersten Teil Margarete als Korrespondentin der französischen Exponenten der Reformation erblickt, als Dichterin mystisch gestimmter religiöser Lyrik, widmet sich der zweite dem "Heptameron". Febvre findet in Margaretes Schriften ist ein paulinisches Christentum der Liebe und der Erlösung, Gemeingut der Reformatoren. Allerdings: Wo sie die Briefe von Guillaume Briçonnet, dem Bischof von Maux, einer Kraftbrühe vergleicht, bemerkt der Leser, daß er sich auch im Zeitalter Gargantuas befindet. Die Liebesunordnung des "Heptameron" mit den mannigfachen Gewalttaten entspricht einer von krassen Gegensätzen durchzogenen Zeit.

So zieht Febvre die Summe von Margaretes Werk: das geistliche wie das profane teilen den Prozeß der Zivilisation unter sich auf, die "langwierige, doppelte Arbeit von Religion und höfischer Erziehung in dem Bemühen, die wilden, ungezähmten Männerherzen zu erweichen, sie gefügiger, gesitteter zu machen". Wo man glaubte, das Werk in Entwicklungsphasen trennen zu müssen, oder gar die Autorschaft Margaretes für das Heptameron ganz verleugnete, da zeigt sich Febvres verfremdendem Blick eine dramatische Schwingungsweite der Person. Daß er "die Menschen zu irrationalen, sprunghaften Wesen degradiere", hat ihm die Kritik vorgeworfen - der heutige Leser sieht eher Febvres eigene Zeit im temperamentvollen Stil dieses Historikers gespiegelt.

Das Heptameron zeigt die Ehegatten oft getrennt und Margarete, so Febvres plötzlich wieder ganz undistanzierter Gedankengang, schreibe "mit dem nachsichtigen Pessimismus einer Frau, die lange gelebt, nicht wenig gelitten" habe. Peter Schöttlers sachkundiges Nachwort deckt in der Widmung des Buches an Febvres Ehefrau Suzanne einen eigenen kleinen Roman auf. In Lucie Varga, der mit dem HistorikerFranz Borkenau verheirateten emigrierten Österreicherin, hatte Febvre eine kongeniale intellektuelle Kraft endeckt; er verliebte sich in sie, eine gemeinsame Buchpublikation über das religiöse Leben im sechzehnten Jahrhundert war geplant. Lucie Varga so Schöttler, "war nicht nur Historikerin. Sie schrieb, sie übersetzte, ja sie erfand sogar, als sie Geld brauchte, selbst einen politischen Liebesroman, der 1938 in einer Pariser Tageszeitung erschien."

Suzanne Febvre bestand auf einer Trennung; Lucie Varga starb 1941 in Toulouse an Diabetes. Just im Mai 1942, als sein Nachruf auf Lucie in den "Annales" erschien, entschloß sich Febvre, seine Vorlesungen über Margarete zu einem Buch umzuarbeiten. Das Motto entnahm er den "Dernières Poésies". Schöttler kann sich nicht entscheiden, ob er es als versöhnende Botschaft an die Ehefrau oder als geheimen Epitaph für die Geliebte lesen soll: "Deux coeur en ung, et chascun content" - "Zwei Herzen in einem, und jedes froh".

Lucien Febvre: "Margarete von Navarra". Eine Königin der Renaissance zwischen Macht, Liebe und Religion. Herausgegeben und mit einem Nachwort von Peter Schöttler. Aus dem Französischen von Grete Osterwald. CampusVerlag, Frankfurtam Main 1998. 384 S., 9 Abb., geb., 68,- DM.

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