Was wäre die christliche Mystik ohne den Anteil der Frauen? Der Pulsschlag fehlte ihr, das empfindende, das liebende und das leidensfähige Herz! Aber Mystikerinnen und Mystiker leben gefährlich. Die Geschichte ist reich an entsprechenden Belegen. Bedroht und verfolgt, missdeutet und verleumdet, nach peinlichen Verhören gewaltsam getötet werden sie in der Regel nicht etwa von Gottesleugnern oder von erklärten Gegnern des Christentums. Paradoxerweise geht die Verunglimpfung durchwegs von den Hütern der sogenannten Rechtgläubigkeit aus. Sie befürchten, das kirchliche Dogma werde durch enthusiasmierte Christen überall dort verfälscht, wo beispielsweise Eigenerlebtes über kirchenamtlich sanktionierte Wortlaute gestellt wird. Aber hat alles Offenbarungsgeschehen und aller Erkenntnisdurchbruch etwa nicht ursprünglich im Seeleninnern von jeweils Einzelnen seinen Anfang genommen?