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"Josyane Savigneau legt mit dieser monumentalen Lebensbeschreibung ein Musterbeispiel kritisch motivierter Einfühlung vor. Ihre Schilderung kann sich an Farbigkeit und Komplexität durchaus mit den Epopöen der Yourcenar messen. Auch die analytische Dimension kommt nicht zu kurz, denn was die Biographin besonders interessiert, sind die Strategien von Selbstschutz und Heimsuchungsvermeidung, auf die sie den großen Anteil des Fiktiven an dieser Existenz zurückführt." (F.A.Z.)

Produktbeschreibung
"Josyane Savigneau legt mit dieser monumentalen Lebensbeschreibung ein Musterbeispiel kritisch motivierter Einfühlung vor. Ihre Schilderung kann sich an Farbigkeit und Komplexität durchaus mit den Epopöen der Yourcenar messen. Auch die analytische Dimension kommt nicht zu kurz, denn was die Biographin besonders interessiert, sind die Strategien von Selbstschutz und Heimsuchungsvermeidung, auf die sie den großen Anteil des Fiktiven an dieser Existenz zurückführt." (F.A.Z.)
Autorenporträt
Josyane Savigneau, geboren 1951 in Poitou/Frankreich, studierte Literaturwissenschaft, Kunstgeschichte und Journalistik. Seit 1982 arbeitet sie bei 'Le Monde', wo sie das Feuilleton leitet.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 07.06.2003

Die schwarze Flamme
Zum hundertsten Geburtstag von Marguerite Yourcenar: Eine Werkauswahl und die Neuauflage der Biographie von Josyane Savigneau
Ein paradoxer und doch verführerisch einleuchtender Satz aus den Tagebüchern André Gides besagt, der Künstler solle „nicht sein Leben so erzählen, wie er es gelebt hat, sondern es so leben, wie er es erzählen wird”. Das Kind, das am 8. Juni des Jahres 1903 als Tochter des nordfranzösischen Gutsbesitzers Michel de Crayencour und seiner belgischen Frau Fernande zur Welt kam, muss mit der Einübung in diese „kopf stehende Aufrichtigkeit” (Gide) unverzüglich begonnen haben. Marguerite Yourcenar hat die Szene ihrer Geburt so eindringlich und zugleich distanziert geschildert, als sei sie in der Rolle der Beobachterin und Chronistin ihres eigenen Lebenslaufs von Anfang an zugegen gewesen.
Über das Neugeborene, „dieses Kind weiblichen Geschlechts, das bereits fest in das Bezugssystem des christlichen Zeitalters und des europäischen 20. Jahrhunderts eingefügt ist”, mutmaßt sie: „Vielleicht hat es schon einmal, in einem anderen Teil der Zeit, die gleichen Erfahrungen gemacht; in diesem kleinen, noch schlecht vernahteten Schädel treiben vielleicht Erinnerungsfetzen, die beim Erwachsenen ins Dunkel versunken sind.” Dem Memoirenband „Gedenkbilder”, in dem die höchstdekorierte Dichterin Frankreichs die Geschichte ihrer Vorfahren rekonstruiert hat, ist ein Zen-Koan als Epigraph beigegeben: „Was war dein Gesicht, ehe dein Vater und deine Mutter einander begegneten?”
Auch von dieser Begegnung und dem ihr folgenden, nur drei Jahre währenden „Beinaheglück” hat Marguerite Yourcenar wie eine Augenzeugin berichtet. Die Mutter stirbt am Kindbettfieber; von ihr ist das Diktum überliefert: „Wenn die Kleine jemals den Wunsch äußert, ins Kloster zu gehen, dann sollte man sie nicht daran hindern.” Dafür, dass dieser Wunsch nie virulent wird, sorgt der Vater, ein hochgebildeter Kosmopolit, Nonkonformist und Glücksspieler mit literarischen Ambitionen. „Monsieur de C.”, bei der Geburt der Tochter ein Mann von fünfzig Jahren, gewöhnt sie früh an ein Nomadenleben und weckt in ihr die ins Extreme tendierenden Kräfte, die ihr Dasein bis zum Ende prägen werden: Freiheitsdrang, Wissensdurst und die Überzeugung, dass „die wahre geistige Nahrung aus der Lektüre kommt”, aber auch unbändige Genusssucht und die Neigung zu verzehrenden Leidenschaften.
Michel de Crayencour lässt auf eigene Kosten die ersten Gedichte Marguerites veröffentlichen und bastelt mit ihr zusammen das Pseudonym „Yourcenar” als Anagramm aus den Buchstaben des Familiennamens. Die lyrische Stilübung der Achtzehnjährigen unter dem Titel „Le Jardin des Chimères” wird noch kaum beachtet, aber der verehrte Rabindranath Tagore, dem sie ein Exemplar schickt, bedankt sich mit einer Einladung nach Indien, die sie zwar nicht wahrnehmen kann, die jedoch vorausweist auf die Bedeutung, die der Geisteswelt des Orients für ihr Denken und Schaffen zukommen wird.
Im Labyrinth der Welt
Welche Auswirkungen die intellektuelle Vater-Tochter-Symbiose auf das private Leben der Dichterin gehabt haben mag, zumal auf ihr Verhältnis zum anderen und zum eigenen Geschlecht, mögen Psychoanalytiker ergründen. Jedenfalls bildeten sich in der jungen Marguerite Fähigkeiten und Eigenarten aus, die zumindest nach den Kriterien ihrer Epoche als eher „männlich” galten. Dazu gehörten die unbeirrbare Zielstrebigkeit im Schöpferischen und der Entschluss, um jeden Preis die Unabhängigkeit, auch die des Denkens, zu bewahren. So entstand in einer Zeit, in der die Welt trotz des ersten großen Kriegsschocks noch zwischen den Verhaltensregeln des 19. und des 20. Jahrhunderts schwankt, was die Schriftstellerin „die Projekte meines zwanzigsten Jahres” genannt hat und was, obwohl nie publiziert und großenteils vernichtet, als Grundsubstanz ihres Œuvres betrachtet werden darf: ein umfangreiches Romanfragment, das die ineinander verwobenen Schicksale mehrerer Familien durch vier Jahrhunderte verfolgt.
Einige gerettete Texte tauchten später als Novellen auf, andere bildeten den Keim zu Yourcenars dreibändiger Familiengeschichte „Das Labyrinth der Welt'. In den „Projekten” hat die Autorin, deren Hang zum Verwerfen, Wiederaufgreifen und Umändern notorisch wurde, vermutlich jene produktive Monomanie trainiert, die ihre Biographin Josyane Savigneau in den Satz fasst: „Wirklich interessiert hat sie an ihrem Leben nur, was einen Vorwand zu literarischer Umformung liefern konnte.” An ihrem Leben – und ebenso am Leben anderer.
Seit 1926 war Marguerite Yourcenar regelmäßig mit Essays, Erzählungen und anderen Beiträgen in Zeitschriften präsent, mied jedoch die französische Literaturszene. Als sie 1929 ihren ersten Roman veröffentlichte, hatte sie – so ihr Kommentar – ein „für die damalige Zeit aus der Feder einer jungen Frau anstößiges Sujet” aus dem Vorrat privater Erinnerungen gewählt. „Alexis oder der vergebliche Kampf”, die Beichte eines Ehemannes, der sich zu seiner Homosexualität bekennt, wurde vom Publikum ignoriert, vom Kritikerpapst Edmond Jaloux indes als „Offenbarung eines großen neuen Talents” gefeiert, als Debüt einer Stimme, „die sich vom Getöse der zeitgenössischen Literatur abhebt mit der Sicherheit eines sehr reinen und trotz seiner Klangfülle wie von fernher kommenden Tons”. Ein Ton, der bis heute ihre Leser in zwei Lager spaltet: solche, die sie inbrünstig verehren, und andere, die ihr Preziosität, Gespreiztheit oder gar Schwulst vorwerfen. Manche ihrer Texte kehren in der Tat nach Art von Vexierbildern bald die eine, bald die andere Seite hervor. Unangreifbar bleibt ihre sprachliche Disziplin, und ihre gedankliche Strenge hat etwas Unerbittliches, das zuweilen an Grimmigkeit grenzt.
Selbst die schärfsten Kritiker der Yourcenar sind geneigt, den unmittelbar vor dem Zweiten Weltkrieg entstandenen Kurzroman „Der Fangschuss” für seine glasklare Schnörkel- und Gnadenlosigkeit zu loben. Er beendet einen Abschnitt dramatischer emotionaler Verstrickungen im Leben der Autorin und trägt deutliche autobiographische Spuren. Der Durchbruch zum Ruhm aber erfolgte erst 1951, nach der „schwarzen” Phase fast vollständiger literarischer Abstinenz im Anschluss an die Emigration in die USA und die Entscheidung, mit der amerikanischen Intellektuellen Grace Frick eine Lebenspartnerschaft einzugehen. Die fiktiven Erinnerungen des Kaisers Hadrian, auf deutsch unter dem Titel „Ich zähmte die Wölfin” erschienen, wurden unerwartet zu einem Publikumserfolg: die Utopie eines klugen, kunstsinnigen Staatsmannes, dem die Dichterin ihr ökologisches Gewissen und ihre unstillbare Liebessehnsucht lieh. Jahre später flossen in den Roman „Die schwarze Flamme” (1968), dessen Held Zenon ein erfundener Philosoph, Arzt und Alchimist des 16. Jahrhunderts ist, ihr Kulturpessimismus und eine immer stärker werdende Erfahrung ein, die sie als „grundlegendes Grauen des menschlichen Abenteuers” umschrieb.
Anschwellende Berühmtheit
Reisen über Reisen, amerikanische Staatsbürgerschaft ohne Heimatgefühle, unermüdliche Tätigkeit als Essayistin und Übersetzerin, Arbeit am Memoiren-Koloss, Hypochondrie, anschwellende Berühmtheit, Ehrungen und Preise, 1979 der aufsehenerregende Beschluss der Académie francaise, sie als erste Frau in den Jahrhunderte alten Herrenclub aufzunehmen, danach Symptome eines Yourcenar-Kultes in Frankreich, mit allen Licht- und Schattenseiten.
Josyane Savigneau, Feuilletonchefin von „Le Monde”, hat in ihrer 1990 veröffentlichten Biographie den außergewöhnlichen Weg dieser „Partisanin der Freiheitsliebe” aus dem Blickwinkel respektvoller Vertrautheit nachgezeichnet, bis zur letzten Passion, die einem um fünfzig Jahre jüngeren Homosexuellen galt, und bis zum Todestag im Jahre 1987, in dessen Erwartung die große alte Dame geäußert hatte: „Es muss wohl irgendwo ein Paradies geben.” Zu ihrem hundertsten Geburtstag hat der Deutsche Taschenbuch Verlag dieses Buch und eine Auswahl der Werke Marguerite Yourcenars neu herausgebracht.
KRISTINA
MAIDT-ZINKE
JOSYANE SAVIGNEAU: Marguerite Yourcenar. Die Erfindung eines Lebens. Aus dem Französischen von Rolf und Hedda Soellner. Dtv, München 2003. 615 Seiten, 15 Euro.
Marguerite Yourcenar.
Foto: Lutfi Özkök
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"Savigneau hat eine sorgfältige Biographie dieser außergewöhnlichen Frau vorgelegt, die sicher zum Besten gehört, das in der französischen Sprache in den vergangenen Jahrzehnten geschrieben worden ist." Edmund White in 'Die Woche'

Savigneaus Biographie wird "auf lange Zeit hin sicherlich grundlegend und unhintergehbar sein. [...] die Biographin präsentiert ein facettenreiches, teilweise ambivalentes, jederzeit kurzweiliges Bild von Marguerite Yourcenar." Thomas Laux in der 'Neuen Zürcher Zeitung'

"Die Dichte der Dokumentation schafft ein differenziertes Nahbild von Marguerite Yourcenars persönlicher Existenz und von ihrer literarischen Entwicklung. [...] Savigneaus 'Marguerite Yourcenar' ist ein herausragendes Beispiel dafür, daß beim Schreiben einer Biographie Genauigkeit und Taktgefühl einander nicht ausschließen müssen und daß die Person, der sie gilt, desto größere Anziehungskraft gewinnt, je mehr ihr von ihrem Geheimnis gelassen wird." Hanns Grössel in der 'Zeit'

"Savigneau legt mit dieser monumentalen Lebensbeschreibung ein Musterbeispiel kritisch motivierter Einfühlung vor. Ihre Schilderung kann sich an Farbigkeit und Komplexität durchaus mit den Epopöen der Yourcenar messen." Tilman Krause in der 'Frankfurter Allgemeinen Zeitung'

"Savigneau ist beinahe Unmögliches gelungen: Die Biographin der großen Dame der Literatur zerrt nicht einfach an den Schleiern, die jene so sorgsam über ihr Leben dekoriert hat; das würde der Yourcenar zu vieles nehmen. Savigneau begnügt sich damit, einige wenige Nägel gezielt einzuschlagen, einige wenige Stationen fest zu machen, um dem großen Ganzen, das Yourcenars Leben war, gerecht zu werden. [...] " Marianne Sperb in der 'Mittelbayerischen Zeitung'…mehr