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Als Urbild einer glaubenden, schönen und mütterlichen Frau hat Maria die Frömmigkeit, Kultur und Politik des alten Europa und der neuen Welt maßgeblich beeinflußt. Dieses Buch stellt dar, was die Verfasser der Evangelien und spätantiken Apokryphen sowie legendäre "Marienleben", theologische Traktate und chronikalische Berichte des Mittelalters und der Neuzeit von Maria erzählen - ein ebenso umfassender wie faszinierender Überblick über Geschichte und Gegenwart der Marienfrömmigkeit.

Produktbeschreibung
Als Urbild einer glaubenden, schönen und mütterlichen Frau hat Maria die Frömmigkeit, Kultur und Politik des alten Europa und der neuen Welt maßgeblich beeinflußt. Dieses Buch stellt dar, was die Verfasser der Evangelien und spätantiken Apokryphen sowie legendäre "Marienleben", theologische Traktate und chronikalische Berichte des Mittelalters und der Neuzeit von Maria erzählen - ein ebenso umfassender wie faszinierender Überblick über Geschichte und Gegenwart der Marienfrömmigkeit.
Autorenporträt
Klaus Schreiner ist Professor em. für Mittelalterliche Geschichte.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 03.07.2003

Liebfrauenmilch
Reichtum allenthalben: Klaus Schreiner entdeckt Maria ganz

In Europa macht sich eine Götterdämmerung breit - doch Maria, die Gottesmutter, ist lebendig und wohlauf. Für viele ist sie so etwas wie das "weibliche Antlitz Gottes". In den Leiden der Frauen und Mütter und besonders auf dem Weg des Sterbens ist sie seit mehr als anderthalb Jahrtausenden die größte Trösterin. Und noch in meiner Lutherbibel von 1776 sind Bibeltexte inklusive Predigtvorgaben zu den großen Marienfesten wie Lichtmeß, Verkündigung und Heimsuchung aufgeführt.

Der Bielefelder Mediävist Klaus Schreiner hat in einem instruktiven Bändchen eine Übersicht über die kunstgeschichtliche, soziologische und politische Seite der Marienverehrung vor allem im westeuropäischen Mittelalter vorgelegt. Das Buch ist gemäßigt marienfreundlich und weist auf die hohe Bedeutung Mariens als Identifikationsfigur. Die nüchterne Darstellung läßt vor allem die wichtige Rolle Mariens in der Kulturgeschichte des Gefühls und der Emotionalität erkennen und vermittelt geradezu ein Stück davon. Viele interessante Details helfen dabei, keine museale Atmosphäre aufkommen zu lassen. Und weil gerade die politischen Linien bis in die Gegenwart gezogen werden, steht am Ende Marienverehrung als lebendige Frömmigkeit mit ungeheurem Potential an Vitalität vor uns. Dieses reicht von der Rolle Mariens als "subversiver Sympathisantin" bei der Zersetzung der Macht der Herrschenden (Dorothee Sölle) bis zur dunkelhäutigen Madonna von Guadeloupe, die eine mütterliche Zentralfigur für ganz Lateinamerika ist. Bei den Azteken heißt sie "Maria Tonantzin", weil sie mit einer altamerikanischen Fruchtbarkeitsgöttin gleichgesetzt wurde.

Wen so etwas stört, der versteht nichts von der Dynamik und den Winkelzügen der Religionsgeschichte. Und daß die stillende Madonna an die Bildvorlagen der den Horus stillenden Isis angelehnt ist, gehört bei uns schon zum Allgemeinwissen. Was tut es da schon, wenn Luther sich kritisch gegen Darstellungen wendet, in denen Maria ihrem Sohn im Endgericht die entblößten Brüste zeigt, um mit diesem Reizmittel für die Sünden einzutreten? Wie schön katholisch war und ist der Gedanke, eine Weinsorte "Liebfrauenmilch" zu nennen, denn man (besonders der heilige Bernhard) wußte ganz genau, daß Mariens Milch süßer als Honig war. Und zwei Säfte, Christi Blut und Mariens Milch, helfen armen Seelen. Daß Maria auch herzlich gelacht hat, wissen Dominikaner und Franziskaner. Bisweilen huscht ein spitzbübisches Lächeln über die Züge von Madonnenfiguren, besonders wenn Maria das Kind auf dem Arm, soweit es technisch möglich ist, tunlichst weit von sich wegstemmt, ein Hauch von Emanzipation.

Eindrücklich schildert das Büchlein die Frömmigkeit der Vesperbilder, in der Marien- und Passionsfrömmigkeit ineinanderlaufen. Viel ist auch von den unblutigen und blutigen Tränen Mariens die Rede. Das Stabat mater ("Christi Mutter stand mit Schmerzen . . .") des Jacoponi da Todi (gestorben 1306), eine der ganz großen Sequenzen des Mittelalters, leider der konzilaren Liturgiereform zum Opfer gefallen, wird nebst seinen Analogien gebührend erwähnt. Schon um 1194 hatte Maria nach dem Hymnus des Gottfried von St. Viktor zu dem am Kreuz hängenden Jesus gesagt: "Mein Sohn, du einzige Liebe, meine ganze Freude, schau auf deine weinende Mutter, schenke ihr Trost."

Instruktiv auch in sozialgeschichtlicher Hinsicht ist das Kapitel über die lesende Madonna. Als der Engel der Verkündigung zu ihr kommt, liest Maria gerade im Psalter. Oder sie wird mit Schriftrolle in der rechten Hand abgebildet, während sie das Kind in der linken hält. Die Schrift steht dabei für das Wort Gottes. Weil sie Gottes Wort geboren hat, wird sie auch mit Schreibgerät dargestellt, wie in der schönen Tintenfaßmadonna des Hildesheimer Domes. Als Lesende oder Schreibende ist sie Vorbild für adlige Damen bezüglich des angemessenen Zeitvertreibs in der Kemenate.

Theologie ist eher nicht die Stärke des Verfassers. Daß sich katholische Marienfrömmigkeit aus der Aufbereitung und Umsetzung lehramtlich verkündeter Glaubenssätze speise, tut wohl dem Lehramt zuviel Ehre an. Denn das Lehramt verkündet ja manches: Oft genug geht die Verehrung einer entsprechenden Lehrdefinition jahrhundertelang voraus, wie bei der Unbefleckten Empfängnis und bei der Himmelfahrt Mariens. Und wenn Jesus am Kreuz zu Maria über den Lieblingsjünger sagt: "Siehe da, dein Sohn" (Johannes 19,26), dann meint er doch wohl nicht sich selbst, sondern fädelt die Adoption des Lieblingsjüngers durch Maria ein. Und daß "nicht der historische Jesus", "sondern" der nachösterliche Christus zum Begründer einer Weltreligion wurde, riecht theologisch ebenso altmodisch wie die Übertragung dieses Schemas auf Maria. Nicht die Frau aus Nazareth, die sich zu ihrer sozialen Niedrigkeit bekannte, sondern Maria als symbolische Gestalt habe theologisch Karriere gemacht. Außerdem ist die "Niedrigkeit seiner Magd" nach dem Magnificat (Lukas 1,48) sicher nicht die Armut Mariens, sondern ihre zuvor erkennbare Demut, die Gott lohnt, indem er Großes an ihr tut. Hände weg also von Sozialromantik. Nach dem Neuen Testament sind Maria und Josef nicht bettelarm, auch nicht bei der Geburt in Bethlehem. Ein beliebtes Fehlmotiv der Weihnachtspredigten, man müsse Geld spenden, weil auch schon der Heiland arm war, entfällt daher.

Angesichts des Titels des Buches kommen Dogmengeschichte, Liturgiegeschichte und besonders die differenzierte Marienfrömmigkeit der Ostkirche zu kurz. Denn schließlich gilt für die monastische Frömmigkeit im Westen: Je strenger und kontemplativer ein Orden, desto ähnlicher dem ostkirchlichen Mönchtum, desto mehr Marienverehrung. Doch jenseits der Einwände kann man dem Verfasser für all den Reichtum, der sich in diesem Buch findet, durchaus danken.

KLAUS BERGER

Klaus Schreiner: "Maria". Leben, Legenden, Symbole. Verlag C. H. Beck, München 2003. 128 S., br., 7,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Gemäßigt marienfreundlich", findet Rezensent Klaus Berger das Buch des Bielefelder Mediävisten Klaus Schreiner. Auch verweist es seiner Ansicht nach auf die hohe Bedeutung "Mariens als Identifikationsfigur". Schreiners nüchterne Darstellung lasse vor allem "die wichtige Rolle Mariens in der Kulturgeschichte des Gefühls und der Emotionalität erkennen und vermittelt geradezu ein Stück davon", findet der Rezensent. Viele interessante Details helfen seiner Ansicht nach dabei, dass in der Studie keine museale Atmosphäre aufkommt. Weil das Buch seine politischen Linien bis in die Gegenwart zieht, steht am Ende die Marienverehrung "als lebendige Frömmigkeit mit ungeheurem Potential" vor dem ergriffenen Rezensenten. Diese Frömmigkeit sieht er von Marias Rolle als "subversive Sympathisantin bei der Zersetzung der Macht der Herrschenden" bis zur lateinamerikanischen "Madonna von Guadeloupe" reichen, die einer aztekischen Fruchtbarkeitsgöttin gleichgesetzt worden sei. Kritisch merkt Berger allerdings an, dass die Theologie nicht zu den Stärken des Verfassers gehört. Auch kommen für seinen Geschmack Dogmen- und Liturgiegeschichte und "differenzierte Marienfreundlichkeit" der Ostkirchen zu kurz.

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