Der zwölfjährige Frido erzählt seiner kleinen Schwester Chiara eine aufwühlende Gutenachtgeschichte. Sie handelt von einem alten Mann, der ein Baby stiehlt. Als Chiara kurz darauf ihrer Mutter davon berichtet, reagiert diese schockiert. Im Affekt schlägt sie ihre Tochter. Ein Geheimnis, ein Tabu ist greifbar.Von diesem Moment an gerät die kleine Familie aus dem Gleichgewicht. Veronika Kelber reibt sich auf zwischen ihrem Anspruch, gleichzeitig eine gute, alleinerziehende Mutter zu sein, einen neuen Partner zu finden, die Ablehnung ihres Ex-Mannes zu ertragen und jenes Wundmal zu heilen, das sie unablässig an ihr furchtbares Versagen als Mutter, Frau und Mensch erinnert. Als sie schließlich die Kontrolle über ihr Leben verliert, reißt sie ihre drei Kinder mit in einen Strudel von Ereignissen, die alles verändern werden. Steven Uhlys neuer Roman MARIE ist ein meisterhaft komponiertesDrama, das an seinen Erfolgsroman Glückskind anknüpft. Wieder lockt Uhly den Leser auf unwiderstehliche Weise in das Labyrinth menschlicher Gefühle und lässt ihn nicht mehr los. Und doch geht er überraschend neue Wege. Mit unnachahmlichem Gespür für die unsichtbaren Wunden, die uns allen nicht fremd sind, zeichnet er Figuren in Not, mit Abgründen und Träumen, die so nachvollziehbar und klar geschildert sind, dass sie denLeser tief berühren.
Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension
Anna Grieben behält zwar bis zur letzten Seite des Buches von Steven Uhly die Hoffnung, dass alles gut wird, doch so richtig überzeugt scheint sie nicht, dass die Figuren noch die Kurve kriegen hin zu einem besseren Leben, denn der Autor erzählt ziemlich gnadenlos vom Schicksal einer alleinerziehenden Mutter und ihren drei Kindern, erklärt Grieben. Die Handlung des Familienromans dreht sich laut Grieben um die Schuldgefühle der Mutter, die ein Geheimnis hütet. Wie Uhly vom Kampf gegen die Wahrheit und gegen das Aufbrechen von Verletzungen erzählt, in knappen Kapiteln und sprachlich genau zwischen dem Wollen und dem Tun der Figuren unterscheidend, findet die Rezensentin stark, auch wenn das Ende nicht gut aussieht.
© Perlentaucher Medien GmbH
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