Motivation im Arbeitsleben wird nicht nur aufgrund monetärer Anreize oder Vorschriften geweckt. Neben extrinsischer Motivation entscheidet vor allem auch die intrinsische Motivation über den (Arbeits-)Einsatz eines Menschen. Intrinsisch motiviert bedeutet in diesem Zusammenhang, dass jemand etwas aus reiner Freude an der Sache unternimmt. Folgende Zusammenhänge zwischen intrinsischer und extrinsischer Motivation stehen im Zentrum des Buches:- Die intrinsische Motivation ist für wirtschaftliches Handeln von großer Bedeutung; eine vollständige Steuerung der Menschen mittels externer Motivation ist undenkbar. - Monetäre Anreize und von außen kommende Eingriffe wie Vorschriften und Kontrollen verdrängen die intrinsische Motivation unter angebbaren und empirisch wichtigen Bedingungen (Verdrängungseffekt).- Externe Eingriffe können unter anderen Bedingungen auch die intrinsische Motivation kräftigen (Verstärkungseffekt).- Änderungen in der intrinsischen Motivation in Folge von Anreiz- oder Regulierungsveränderung in einem Bereich können Auswirkungen auf andere Bereiche haben, in denen die monetären Anreize oder Regulierungen unverändert geblieben sind (Übertragungseffekt). Diese Zusammenhänge werden in dem Buch ausführlich erklärt, in Beziehung zur ökonomischen Theorie und zur Psychologie gesetzt und empirisch belegt. Im Anschluss wird eine große Zahl von Anwendungsbereichen vorgeführt.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 14.04.1998Anreize verdrängen die Moral
Die Bedeutung der inneren Motivation
Bruno S. Frey: Markt und Motivation. Wie ökonomische Anreize die (Arbeits-) Moral verdrängen. Verlag Franz Vahlen, München 1997, 144 Seiten, 48 DM.
Die Lenkung des privatwirtschaftlichen Handelns durch ökonomische Anreize - zum Beispiel die ökologisch motivierte Drosselung des Wasserverbrauchs durch mengenabhängige Steuern - steht auf wackligen Füßen. Das Konzept ist aus der Einsicht geboren, daß Markt und Preis als Koordinierungsmechanismus überlegen sind, daß der Staat selten effiziente Lösungen findet, weil ihm die Kenntnis über Präferenzen und Kosten fehlt - und gleichzeitig entspringt es doch dem paternalistischen Machbarkeitsglauben, der Verteidigung des wirtschaftspolitischen Eingriffs. Auch ökonomische Anreize, Belohnungen ebenso wie Strafen, stellen eine Freiheitsberaubung dar. Immerhin beschränken sie die Entscheidungsfreiheit der Individuen weniger stark als absolute Vorgaben: Wenn jemandem das tägliche Bad unerläßlich erscheint, bleibt ihm das bei der bloßen Besteuerung des Wasserverbrauchs unbenommen - es sei denn, die Kosten überstiegen seine Zahlungsbereitschaft. Bei einer Begrenzung der täglichen Wassermenge bleibt ihm keine Wahl.
Ökonomische Anreize könnten sich freilich auch ganz unerwünscht auswirken, warnt der Zürcher Wirtschaftsforscher Bruno Frey in seinem neuen Buch: Die Menschen würden berechnend. Wenn der Staat sie monetär an die Leine nehme, leide ihre "intrinsische Motivation", die innere Verhaltenslenkung durch Moral und Erziehung. Frey wählt ein einfaches Beispiel: "Ein Junge, der sich gut mit seinen Eltern versteht, mäht freiwillig den Rasen und hilft öfters im Haushalt. Sein Vater bietet ihm daraufhin an, ihn jedesmal zu bezahlen, wenn er den Rasen schneidet. Was wird das Ergebnis sein? Vermutlich wird der Junge nur so lange den Rasen mähen, wie der Vater ihn dafür bezahlt. Er wird aber seltener und nur noch unwillig bei der Hausarbeit helfen." Die Belohnung des Vaters zerstört die intrinsische Motivation des Sohnes, statt sie zu stärken, und verleidet diesem sein freiwilliges Rasenmähen ("Verdrängungseffekt"). Dies überträgt sich sogar auf Nebenbereiche wie die Hausarbeit ("Übertragungseffekt").
Diesem theoretisch reizvollen, bedenkenswerten Verdacht sucht Frey in seinem Buch eine Grundlage zu geben, indem er fragt, wovon es abhängt, ob Moral und Erziehung ausgehebelt werden. So definiert er als Gesetzmäßigkeit: "Externe Effekte verdrängen die intrinsische Motivation, wenn sie als kontrollierend empfunden werden, und erhöhen sie, wenn sie als unterstützend empfunden werden . . . Beide Bedingungen hängen von subjektiven Wahrnehmungen ab." Von diesem banalen Resümee aus bemüht er sich, in die Tiefe vorzudringen. Er mutmaßt, ein extrinsischer Eingriff werde um so stärker als kontrollierend empfunden, je einheitlicher er verschiedene Personen betreffe und je enger eine Belohnung mit der zu erbringenden Leistung verknüpft sei. Und der Übertragungseffekt sei um so größer, je ähnlicher die Bereiche, je ähnlicher die dort handelnden Personen und je mehr Normen für alle Bereiche gültig seien.
Im Anwendungsteil seines Buches widmet sich Frey der Umweltpolitik, dem Arbeitsangebot und der Frage, wie sich eine Verfassung auf die Moral auswirkt. Dabei stellt er sich der herkömmlichen Konstitutionenökonomik entgegen, deren Vertreter für mißbrauchsichere Verfassungen plädieren: "Eine den Bürgern mißtrauende Verfassung birgt die Gefahr in sich, die intrinsische Motivation (den Bürgersinn) zu verdrängen. Eine Verfassung, die ihren Bürgern hohe Mitwirkungsmöglichkeiten mittels Volksabstimmung eröffnet, fördert den Bürgersinn." Was folgt, ist ein Loblied auf die Schweiz. Frey lobt die direktdemokratischen Institutionen seines Landes und sieht in ihnen den Grund für die höhere Steuermoral als in anderen Ländern.
Danach behandelt er noch die schieren Vor- und Nachteile der intrinsischen Motivation: Als Vorzüge nennt er das Wohlbefinden, das eine nicht außengesteuerte Handlung vermitteln kann, die Lernfähigkeit und die geringeren Disziplinierungskosten. Als Nachteile nennt er die schlechte Lenkbarkeit, Selbstbezogenheit sowie die Unkontrolliertheit von Emotionen ("Robespierre und Himmler sind gute Beispiele, welch Übel derartig motivierte Personen anrichten können").
Freys theoretische Faustregeln sind nicht unplausibel; sie sind nie deterministisch, sondern fußen auf einem redlichen Ceteris-paribus-Vergleich. Seine Anwendungsbeispiele überzeugen und erhellen. Der Leser wird dennoch enttäuscht sein. Die Crux des Freyschen Theoretisierens liegt in der Belanglosigkeit und mangelnden Falsifizierbarkeit der Zusammenhänge, die er herstellt - alles ist möglich, alles hängt nur noch von weiteren Bedingungen ab.
Das Buch kommt als Illustration daher; eine Theorie ist das nicht. Frey entwickelt nicht ein einziges halbwegs ausgereiftes Modell, um zu untersuchen, wie die klassischen Preissignale und der von ihm beschriebene Verdrängungseffekt interagieren. Besonders unbefriedigend wird das zum Schluß, wenn Frey fordert, das Modell des Homo oeconomicus durch das Konzept des "Homo oeconomicus maturus" zu ersetzen, der auch intrinsischer Motivation zugänglich sei: Er ergeht sich im reinen Postulat, statt stichhaltig zu begründen, warum das neoklassische Konzept diesen Anspruch nicht erfüllen kann - und statt zu zeigen, wie ein erweitertes Modell auszusehen hätte. KAREN HORN
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Die Bedeutung der inneren Motivation
Bruno S. Frey: Markt und Motivation. Wie ökonomische Anreize die (Arbeits-) Moral verdrängen. Verlag Franz Vahlen, München 1997, 144 Seiten, 48 DM.
Die Lenkung des privatwirtschaftlichen Handelns durch ökonomische Anreize - zum Beispiel die ökologisch motivierte Drosselung des Wasserverbrauchs durch mengenabhängige Steuern - steht auf wackligen Füßen. Das Konzept ist aus der Einsicht geboren, daß Markt und Preis als Koordinierungsmechanismus überlegen sind, daß der Staat selten effiziente Lösungen findet, weil ihm die Kenntnis über Präferenzen und Kosten fehlt - und gleichzeitig entspringt es doch dem paternalistischen Machbarkeitsglauben, der Verteidigung des wirtschaftspolitischen Eingriffs. Auch ökonomische Anreize, Belohnungen ebenso wie Strafen, stellen eine Freiheitsberaubung dar. Immerhin beschränken sie die Entscheidungsfreiheit der Individuen weniger stark als absolute Vorgaben: Wenn jemandem das tägliche Bad unerläßlich erscheint, bleibt ihm das bei der bloßen Besteuerung des Wasserverbrauchs unbenommen - es sei denn, die Kosten überstiegen seine Zahlungsbereitschaft. Bei einer Begrenzung der täglichen Wassermenge bleibt ihm keine Wahl.
Ökonomische Anreize könnten sich freilich auch ganz unerwünscht auswirken, warnt der Zürcher Wirtschaftsforscher Bruno Frey in seinem neuen Buch: Die Menschen würden berechnend. Wenn der Staat sie monetär an die Leine nehme, leide ihre "intrinsische Motivation", die innere Verhaltenslenkung durch Moral und Erziehung. Frey wählt ein einfaches Beispiel: "Ein Junge, der sich gut mit seinen Eltern versteht, mäht freiwillig den Rasen und hilft öfters im Haushalt. Sein Vater bietet ihm daraufhin an, ihn jedesmal zu bezahlen, wenn er den Rasen schneidet. Was wird das Ergebnis sein? Vermutlich wird der Junge nur so lange den Rasen mähen, wie der Vater ihn dafür bezahlt. Er wird aber seltener und nur noch unwillig bei der Hausarbeit helfen." Die Belohnung des Vaters zerstört die intrinsische Motivation des Sohnes, statt sie zu stärken, und verleidet diesem sein freiwilliges Rasenmähen ("Verdrängungseffekt"). Dies überträgt sich sogar auf Nebenbereiche wie die Hausarbeit ("Übertragungseffekt").
Diesem theoretisch reizvollen, bedenkenswerten Verdacht sucht Frey in seinem Buch eine Grundlage zu geben, indem er fragt, wovon es abhängt, ob Moral und Erziehung ausgehebelt werden. So definiert er als Gesetzmäßigkeit: "Externe Effekte verdrängen die intrinsische Motivation, wenn sie als kontrollierend empfunden werden, und erhöhen sie, wenn sie als unterstützend empfunden werden . . . Beide Bedingungen hängen von subjektiven Wahrnehmungen ab." Von diesem banalen Resümee aus bemüht er sich, in die Tiefe vorzudringen. Er mutmaßt, ein extrinsischer Eingriff werde um so stärker als kontrollierend empfunden, je einheitlicher er verschiedene Personen betreffe und je enger eine Belohnung mit der zu erbringenden Leistung verknüpft sei. Und der Übertragungseffekt sei um so größer, je ähnlicher die Bereiche, je ähnlicher die dort handelnden Personen und je mehr Normen für alle Bereiche gültig seien.
Im Anwendungsteil seines Buches widmet sich Frey der Umweltpolitik, dem Arbeitsangebot und der Frage, wie sich eine Verfassung auf die Moral auswirkt. Dabei stellt er sich der herkömmlichen Konstitutionenökonomik entgegen, deren Vertreter für mißbrauchsichere Verfassungen plädieren: "Eine den Bürgern mißtrauende Verfassung birgt die Gefahr in sich, die intrinsische Motivation (den Bürgersinn) zu verdrängen. Eine Verfassung, die ihren Bürgern hohe Mitwirkungsmöglichkeiten mittels Volksabstimmung eröffnet, fördert den Bürgersinn." Was folgt, ist ein Loblied auf die Schweiz. Frey lobt die direktdemokratischen Institutionen seines Landes und sieht in ihnen den Grund für die höhere Steuermoral als in anderen Ländern.
Danach behandelt er noch die schieren Vor- und Nachteile der intrinsischen Motivation: Als Vorzüge nennt er das Wohlbefinden, das eine nicht außengesteuerte Handlung vermitteln kann, die Lernfähigkeit und die geringeren Disziplinierungskosten. Als Nachteile nennt er die schlechte Lenkbarkeit, Selbstbezogenheit sowie die Unkontrolliertheit von Emotionen ("Robespierre und Himmler sind gute Beispiele, welch Übel derartig motivierte Personen anrichten können").
Freys theoretische Faustregeln sind nicht unplausibel; sie sind nie deterministisch, sondern fußen auf einem redlichen Ceteris-paribus-Vergleich. Seine Anwendungsbeispiele überzeugen und erhellen. Der Leser wird dennoch enttäuscht sein. Die Crux des Freyschen Theoretisierens liegt in der Belanglosigkeit und mangelnden Falsifizierbarkeit der Zusammenhänge, die er herstellt - alles ist möglich, alles hängt nur noch von weiteren Bedingungen ab.
Das Buch kommt als Illustration daher; eine Theorie ist das nicht. Frey entwickelt nicht ein einziges halbwegs ausgereiftes Modell, um zu untersuchen, wie die klassischen Preissignale und der von ihm beschriebene Verdrängungseffekt interagieren. Besonders unbefriedigend wird das zum Schluß, wenn Frey fordert, das Modell des Homo oeconomicus durch das Konzept des "Homo oeconomicus maturus" zu ersetzen, der auch intrinsischer Motivation zugänglich sei: Er ergeht sich im reinen Postulat, statt stichhaltig zu begründen, warum das neoklassische Konzept diesen Anspruch nicht erfüllen kann - und statt zu zeigen, wie ein erweitertes Modell auszusehen hätte. KAREN HORN
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