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Nick Chester hat als undercover cop in seiner englischen Heimat eine Gangsterorganisation auffliegen lassen, die ihn daraufhin auf ihre Abschussliste setzte. Bei der neuseeländischen Polizei, an den landschaftlich grandiosen, rauen Marlborough Sounds versucht er nun, mit seiner Familie ein neues Leben zu beginnen. Aber auch die abgelegene Provinz hat ihre Tücken. Ohne seine ortskundige Kollegin, Constable Latifa Rapata, wäre er hilflos. Denn Kinder verschwinden in der dünnbesiedelten Gegend, ein unheimlicher »Kinderfänger« scheint sein Unwesen zu treiben. Chester und Rapata müssen sich mit der…mehr

Produktbeschreibung
Nick Chester hat als undercover cop in seiner englischen Heimat eine Gangsterorganisation auffliegen lassen, die ihn daraufhin auf ihre Abschussliste setzte. Bei der neuseeländischen Polizei, an den landschaftlich grandiosen, rauen Marlborough Sounds versucht er nun, mit seiner Familie ein neues Leben zu beginnen. Aber auch die abgelegene Provinz hat ihre Tücken. Ohne seine ortskundige Kollegin, Constable Latifa Rapata, wäre er hilflos. Denn Kinder verschwinden in der dünnbesiedelten Gegend, ein unheimlicher »Kinderfänger« scheint sein Unwesen zu treiben. Chester und Rapata müssen sich mit der örtlichen Nomenklatura anlegen, Rassenkonflikte werden sichtbar, und Chester darf nie vergessen, dass die britischen Gangster ihn überall auf der Welt finden können. Jederzeit ...
Autorenporträt
Alan Carter, geboren 1959 in Sunderland, Großbritannien, studierte Kommunikationswissenschaft und lebt seit 1991 in Australien und Neuseeland. Dokumentarfilmer und Romancier. Für Prime Cut bekam er den Ned- Kelly-Award for Best First Fiction 2010, war auf der Shortlist des Dagger Award 2010 und im März 2015 auf der KrimiZeit-Bestenliste; mit Des einen Freud war er im Oktober und November 2016 auf der KrimiZeit-Bestenliste. Zuletzt erschien Marlborough Man (st 4932), wofür er mit dem Ngaio Marsh Award für den besten Krimi 2018 ausgezeichnet wurde. Thomas Wörtche, geboren 1954. Kritiker, Publizist, Literaturwissenschaftler. Beschäftigt sich für Print, Online und Radio mit Büchern, Bildern und Musik, schwerpunktmäßig mit internationaler crime fiction in allen medialen Formen, und mit Literatur aus Lateinamerika, Asien, Afrika und Australien/Ozeanien. Herausgeber der »global crime«-Reihe metro in Kooperation mit dem Unionsverlag (1999 ¿ 2007), der Reihe »Penser Pulp« bei Diaphanes (2013-2014). Gründete 2013 zusammen mit Zoë Beck und Jan Karsten den (E-Book-)Verlag CulturBooks und gibt ein eigenes Krimi-Programm für Suhrkamp heraus. Co-Herausgeber des Online-Feuilletons CULTurMAG. Karen Witthuhn, geboren 1969, arbeitet als literarische Übersetzerin von Romanen, Theaterstücken und -texten aus dem Englischen in Hamburg.
Rezensionen

buecher-magazin.de - Rezension
buecher-magazin.de

Es könnte so idyllisch sein: Nick Chester ist Polizist in Neuseeland, lebt mit seiner Frau Vanessa und seinem Sohn Paulie in den Marlborough Sounds auf einem großen Grundstück und kümmert sich beruflich um Vandalismus und Geschwindigkeitsverstöße. Doch die Idylle ist trügerisch. Ein Mann treibt sein Unwesen, der Jungen entführt, vergewaltigt und tötet. Außerdem hat Nick Chester zuvor im englischen Sutherland undercover gearbeitet und einen Gangsterboss hinter Gittern gebracht. Dieser hat Rache geschworen - und scheint ihm auf den Fersen zu sein. Ausbeutung der Umwelt, Rassismus, Kleinstadtalltag und unlautere Einflussnahmen fließen in diesem Kriminalroman ineinander. Dabei gelingt es Alan Carter, beständig die Erwartungen an eine "Ein-Cop-auf-der-Flucht-Geschichte" zu unterlaufen: Der Showdown kommt unerwartet und die Mordermittlungen geschehen eher nebenher. Außerdem sind seine Nebenfiguren - insbesondere Vanessa sowie Chesters Kollegin Latifa Rapata - interessanter als Nick, der ein Mann ist, der gut sein will, aber falsche Entscheidungen trifft. In der Anlage der Geschichte sowie der tiefen Verankerung am Handlungsort erinnert "Marlborough Man" ein wenig an Dishers Challis-Romane. Deshalb bleibt zu hoffen, dass auch hier eine Fortsetzung folgt.

© BÜCHERmagazin, Sonja Hartl (sh)

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 01.07.2019

Gerechtigkeit hat etwas mit Rache zu tun
Markig: Alan Carter watet in Neuseeland durch ein Blutbad

Manchmal wird es fast absurd dröge. Nick Chester, nach Neuseeland ausgewanderter Brite, leistet in seiner neuen Heimat Polizeiarbeit am Eintönigkeitslimit. Während des Erdbebennotfallübungstags etwa überreicht er den eifrigsten Teilnehmern Anstecker, Zertifikate und Stofftiere. Im Umgang mit Brennholzdieben - zum Glück in ausreichender Zahl vorhanden - darf er den Freund-und-Helfer-Habitus immerhin kurz abstellen. Noch spannungsreicher ist es, jugendlichen Rasern Strafzettel auszustellen. Dabei lassen sich nämlich die vielen Hühner und Ziegen begutachten, die auf den Wiesen neben der Straße picken und wiederkäuen. Nicks Sohn Paulie ist ganz versessen auf die Tiere und möchte ein paar von ihnen halten. Nur welche? Vielleicht Saanenziegen und Orpingtonhühner. Am besten schnell zum Baumarkt, um das nötige Material für die Ställe zu besorgen.

Alan Carters Thriller "Marlborough Man" zwingt uns mit solchen trübtassigen Details nur deswegen nicht in die Knie, weil sie einen Sinn haben. Als literarisches Sedativum bilden sie ein Gegengewicht zur explosiven Unbarmherzigkeit, mit der auf knapp vierhundert Seiten Figur um Figur abgeschlachtet wird: ein zu Brei gehämmerter Kleinkrimineller, ein erhängter Ex-Polizist, ein per Axthieb gespaltener Schwerverbrecher sowie lauter gefolterte, vergewaltigte und ermordete Kinder - die Liste ließe sich ohne Schwierigkeiten verlängern.

Dabei sollte das Tal, in dem Chester mit seiner Familie lebt, eigentlich ein Hortus conclusus der sicheren, friedlichen, rundum unbeschwerten Existenz sein. Es liegt in den Marlborough Sounds, einem landschaftlich überwältigenden Geflecht von Meeresarmen auf der Südinsel Neuseelands. Was zählt, schwelt allerdings unter der Oberfläche und darf als böses Omen verstanden werden: "Wir liegen direkt an einer tektonischen Bruchlinie, die statistisch gesehen reif ist für eine seismische Katastrophe."

Chesters Geschichte ist ein einziges Abstiegsdrama. In England war er als erfolgreicher Undercover-Polizist im Einsatz. Dann hat er den Gangsterboss Sammy Pritchard auffliegen lassen, der ihm anschließend einen Ehrenplatz auf der Abschussliste einräumte. Es folgten die Flucht nach Neuseeland und ein Leben in Habachtstellung: "Jetzt sitzen wir hier auf der anderen Seite der Erde in der Pampa und warten auf den Tod." Während die Familie zerfällt, erfährt Chester von seiner Frau, wo das Problem liegt: "Du bist vergiftet, Nickt", sagt sie und zeigt aus dem Fenster. "Du kannst nicht mal den Scheiß-Ausblick genießen." Recht hat sie, Chester ist aus der Gegenwart gefallen und erkennt den Wert des Moments nicht mehr. Der letzte Satz, der ihm über die Lippen käme, lautet: "Verweile doch, du bist so schön." Nur die als Unglück auf ihn zurasende Zukunft ist für ihn von Belang.

Als dann auch noch mehrere Kinderleichen auftauchen, gerät die Welt des Protagonisten vollends aus den Fugen. Chester recherchiert, der Plot verdichtet sich, die Zahl der Verdächtigen steigt mit jeder Seite, und das soziale Geflecht, in dem die Figuren wie Spinnen auf Beute lauern, wird arg undurchsichtig. Vollkommen klar erscheint dagegen das handlungsbestimmende Motiv vieler Charaktere - Rache. Sie tritt als Ethos, welches eine verlorene Ordnung wiederherstellen soll, genauso zutage wie als Signum unzureichender Affektkontrolle. Über eine Kollegin von Chester heißt es einmal: "Sie versteht, dass Gerechtigkeit ohne einen leichten Beigeschmack von Rache keine Gerechtigkeit ist." Sammy Pritchard kann Rache und Recht gleich gar nicht auseinanderhalten, während Chester, der den Kinderfänger am liebsten umbringen würde, seinen barbarischen Impuls zu zügeln weiß.

Diese Zurückhaltung macht Alan Carter auf sprachlicher Ebene wieder wett, verlässt er sich doch auf die Kraft markiger Sätze: "Es ist gefährlich, dich zu kennen, Nick Chester", "Bevor er diese Welt verlassen durfte, war er unbeschreiblichen Qualen ausgesetzt", "Ich wate durch ein Blutbad". Sobald Carter die Psyche des Killers schildert, übernimmt der Pathosfan in ihm die Regie: "Dunkelheit anstelle von Licht, Tod anstatt Leben, Zerstörung über Schöpfung." Eine derart religiös eingefärbte Ausdrucksweise ist gleichwohl immer noch besser als eine um sich selbst kreisende Naturbeschreibung, in der Mücken surren und Motten im Lichtstrahl der Taschenlampe tanzen. Da wünscht man sich dann doch den Erdbebennotfallübungstag zurück.

KAI SPANKE

Alan Carter:

"Marlborough Man".

Thriller.

Aus dem Englischen von Karen Witthuhn.

Suhrkamp Verlag, Berlin 2018. 383 S., br., 14,95 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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»Explosiv und unbarmherzig.« Kai Spanke Frankfurter Allgemeine Zeitung 20191004