Thea Dorns erstes Theaterstück spielt in einer Pariser Nacht im Mai 1992, in der die 92jährige und schon ziemlich dahingeraffte Marlene Dietrich vor ihrem Todestag überraschenden Besuch von der bloß ein Jahr jüngeren, aber noch grotesk vitalen Leni Riefenstahl erhält. Der Kampf der Gigantinnen beginnt, der antifaschistische Engel und die braune Hexe prallen aufeinander. Die Fronten scheinen eigentlich geklärt, aber ihr nächtlicher Ringkampf wird zum Vexierspiel zwischen Hausfrau und Amazone, androgynem Vamp und asexuellem Naturkind, an dessen Ende ein deutsches Schwesternmärchen steht, die Liebe, und dahinter der Tod.
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Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 14.08.2002 DAS HÖRBUCH
Leni und Marlene
So klingt Lebenserfahrung:
Gisela Uhlen und Gisela May
Die inkontinente Marlene Dietrich liegt in ihrem Bett und säuft sich letztes Leben aus kaputtem Leib, da klettert die Greisin Leni Riefenstahl über den Balkon von der Dietrichs Pariser Wohnung und bringt keuchend ihr Ansinnen vor, der Schauspielerin zum letzten Ruhm mittels einer Hauptrolle in der Verfilmung von Penthesilea zu verhelfen, ruhmvoll auch für sich selbst. Durch mal historisch anspielende, mal den Text interpretierende Orchestermusik und etwas Nazigebrüll wird das Hörspiel in Häppchen geteilt.
Zwei große Schauspielerinnen haben dem Stück von Thea Dorn, das auf diversen Bühnen zur Aufführung kam, ihre reichen Stimmen hingeschenkt: Gisela May als Dietrich, Gisela Uhlen als Riefenstahl. Geschenkt - denn mit Geld kann man diese Stimmen gar nicht honorieren. Fest voluminös bis zitterig stimmlos, heiser bis klangvoll wie ein großes Orchester verhöhnen zwei Frauen die Musikalität der instrumentalen Begleitung.
Jaulen, kreischen, gröhlen
Thea Dorn – das Pseudonym illustriert der Autorin Neigung zu Theodor Adorno – reüssierte bislang als Krimischreiberin und versuchte sich hier erstmalig an der Collage mit dokumentarischem Gehalt. Dokumentarisch bedeutet, dass die beiden Frauen einander ihre biographischen Stationen vorhecheln wie im Schulunterricht für Politkunde und sich für ihre Leben rechtfertigen, als sei man mit fast hundert Jahren nicht ausgerechnet dessen müde.
Umso erstaunlicher ist, was die beiden Schauspielerinnen aus diesem hohlen und charakterlosen Text machen. Das Hörbuch ist an sich langweilig, aber es provoziert den Wunsch, wertvolle Texte von diesen beiden Frauen zu hören, die ein grandioses Ausdrucksrepertoire haben. Aus ihren Stimmen tönt enorme Erfahrung nicht nur von der Bühne, sondern aus interessanten, reichen Leben. Die Stimmen von Gisela Uhlen und Gisela May können keuchen, flüstern, zischen, singen, jaulen, kreischen, gröhlen, ächzen; sie können zärtlich klingen und böse, müde und wild, betrunken und hart; sie können streicheln und schneiden – kurz, diese Stimmen leben. Oft klingen sie sogar, trotz der Sprödigkeiten, die sie reden müssen, glaubwürdig. Das ist eine erstaunliche Leistung.
Es ist seltsam, aber dieses Hörbuch wäre großartig ohne seinen Text. Der Rezensent war irritiert, dass zwei so glänzend spielende Mimen sich für diesen Stoff hergeben, und hat das Hörbuch dreimal geprüft, aber dabei wurden die Textschwäche und die dramaturgische Fadheit bloß überdeutlich. Die Beweggründe der Damen bleiben verborgen. Nun nehme man die Aufnahme eben als Reklame für bejahrte Sprecherinnen – ja dann bitte mehr von diesen Stimmgrößen! Überhaupt würden mehr gediente Stimmen auf Hörbüchern den Genuss ungemein vergrößern. Mag der Teint im Alter verlieren, für stimmlichen Ausdruck ist Jugend weniger vorteilhaft.
MARTIN Z. SCHRÖDER
THEA DORN: Marleni. Hörspiel. Mit Gisela May und Gisela Uhlen. Regie: Jörg Jannings. Musik: Walter Florey. Lido Hörbuchverlag, Frankfurt am Main 2002. 1 CD, 59 Minuten, 19,90 Euro.
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Leni und Marlene
So klingt Lebenserfahrung:
Gisela Uhlen und Gisela May
Die inkontinente Marlene Dietrich liegt in ihrem Bett und säuft sich letztes Leben aus kaputtem Leib, da klettert die Greisin Leni Riefenstahl über den Balkon von der Dietrichs Pariser Wohnung und bringt keuchend ihr Ansinnen vor, der Schauspielerin zum letzten Ruhm mittels einer Hauptrolle in der Verfilmung von Penthesilea zu verhelfen, ruhmvoll auch für sich selbst. Durch mal historisch anspielende, mal den Text interpretierende Orchestermusik und etwas Nazigebrüll wird das Hörspiel in Häppchen geteilt.
Zwei große Schauspielerinnen haben dem Stück von Thea Dorn, das auf diversen Bühnen zur Aufführung kam, ihre reichen Stimmen hingeschenkt: Gisela May als Dietrich, Gisela Uhlen als Riefenstahl. Geschenkt - denn mit Geld kann man diese Stimmen gar nicht honorieren. Fest voluminös bis zitterig stimmlos, heiser bis klangvoll wie ein großes Orchester verhöhnen zwei Frauen die Musikalität der instrumentalen Begleitung.
Jaulen, kreischen, gröhlen
Thea Dorn – das Pseudonym illustriert der Autorin Neigung zu Theodor Adorno – reüssierte bislang als Krimischreiberin und versuchte sich hier erstmalig an der Collage mit dokumentarischem Gehalt. Dokumentarisch bedeutet, dass die beiden Frauen einander ihre biographischen Stationen vorhecheln wie im Schulunterricht für Politkunde und sich für ihre Leben rechtfertigen, als sei man mit fast hundert Jahren nicht ausgerechnet dessen müde.
Umso erstaunlicher ist, was die beiden Schauspielerinnen aus diesem hohlen und charakterlosen Text machen. Das Hörbuch ist an sich langweilig, aber es provoziert den Wunsch, wertvolle Texte von diesen beiden Frauen zu hören, die ein grandioses Ausdrucksrepertoire haben. Aus ihren Stimmen tönt enorme Erfahrung nicht nur von der Bühne, sondern aus interessanten, reichen Leben. Die Stimmen von Gisela Uhlen und Gisela May können keuchen, flüstern, zischen, singen, jaulen, kreischen, gröhlen, ächzen; sie können zärtlich klingen und böse, müde und wild, betrunken und hart; sie können streicheln und schneiden – kurz, diese Stimmen leben. Oft klingen sie sogar, trotz der Sprödigkeiten, die sie reden müssen, glaubwürdig. Das ist eine erstaunliche Leistung.
Es ist seltsam, aber dieses Hörbuch wäre großartig ohne seinen Text. Der Rezensent war irritiert, dass zwei so glänzend spielende Mimen sich für diesen Stoff hergeben, und hat das Hörbuch dreimal geprüft, aber dabei wurden die Textschwäche und die dramaturgische Fadheit bloß überdeutlich. Die Beweggründe der Damen bleiben verborgen. Nun nehme man die Aufnahme eben als Reklame für bejahrte Sprecherinnen – ja dann bitte mehr von diesen Stimmgrößen! Überhaupt würden mehr gediente Stimmen auf Hörbüchern den Genuss ungemein vergrößern. Mag der Teint im Alter verlieren, für stimmlichen Ausdruck ist Jugend weniger vorteilhaft.
MARTIN Z. SCHRÖDER
THEA DORN: Marleni. Hörspiel. Mit Gisela May und Gisela Uhlen. Regie: Jörg Jannings. Musik: Walter Florey. Lido Hörbuchverlag, Frankfurt am Main 2002. 1 CD, 59 Minuten, 19,90 Euro.
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