Eine Welt, in der Verwandtschaft nicht an Abstammung geknüpft ist, sondern an emotionale Nähe. Das ist die Prämisse. Menschen, die einander nahekommen, machen sich verwandt, indem sie Eigenschaften voneinander erben. Jedes Individuum ist somit lebendiges Denkmal für bedeutsame Begegnungen. Hier ist eine Frau verschwunden. Hier kursieren Gerüchte. Eine schlechte Agentin begibt sich auf die Suche, ihr Name ist China Marlow. Sie ist schlecht, weil sie nicht von sich absehen kann, sie kann nicht von sich absehen, weil sie nicht erben kann, sie kann nicht erben, weil sie schlecht zu sein glaubt. Doch sie lernt, dass sie mit ihrer Unfähigkeit, mit ihrem Narzissmus nicht allein ist. Verschiedene Figuren begegnen China, die alle auf ihre eigene Weise unter Einsamkeit leiden und um Nähe sich bemühen. Chinas Auftrag führt sie durch diese Begegnungen, durch besetzte Orte und versehrte Landschaften - durch öde Vorstädte, Ghettos, Geister- und Touristenstädte, durch Ruinen, verlassene Dörfer,Industrie- und Erholungsgebiete und schließlich durch den Sand, durch den Sturm. Auf der anderen Seite des Sturms kommt sie wieder heraus, und findet dort, natürlich, eine Utopie.
Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension
Rezensentin Anja Kümmel feiert den neuen Roman von Charlotte Krafft, von dem sie lernt: "Kompost" ist die "neue Avantgarde". Und das meint die Kritikerin durchaus positiv. Wenn ihr die junge Schriftstellerin hier von einer utopisch-dystopischen Welt erzählt, in der die Menschen in Cafes liegen und sich per Stirnkontakt begrüßen, eine Vogelart Geräusche originalgetreu imitiert und Menschen nach Sympathie und nicht nach biologischer Abstammung erben, erkennt die Kritikerin eine "vage Weirdness" - ein leichtes Drehen an den Stellschrauben unserer Wahrnehmung und eine Überformung gängiger Codes. Der Roman, angereichtert mit allerhand konzeptuellen Ideen , lässt sich aber auch hervorragend als spannender Hardboiled-Krimi und als Roadmovie mit Rom-Com-Elementen und "skurrilen" Nebenfiguren lesen, versichert die Kritikerin, die hier Ermittlerin China Marlow (!) auf der Suche nach einer verschwundenen Informatikerin begleitet. An diesem Roman ist nichts "beliebig", schließt die Rezensentin.
© Perlentaucher Medien GmbH
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