Berlin, Spätsommer 1935. In der Familie Rath geht jeder seiner Wege. Pflegesohn Fritz marschiert mit der HJ zum Nürnberger Reichsparteitag, Charly schlägt sich als Anwaltsgehilfin und Privatdetektivin durch, während sich Gereon Rath, mittlerweile zum Oberkommissar befördert, mit den Todesfällen befassen muss, die sonst niemand haben will. Ein tödlicher Verkehrsunfall weckt seinen Jagdinstinkt, obwohl seine Vorgesetzten ihm den Fall entziehen und ihn in eine andere Abteilung versetzen.
Es geht um Hermann Göring, der erpresst werden soll, um geheime Akten, Morphium und schmutzige Politik. Und um Charlys Lebenstrauma, den Tod ihres Vaters. Und um den Mann, mit dem Rath nie wieder etwas zu tun haben wollte: den Unterweltkönig Johann Marlow.
Es geht um Hermann Göring, der erpresst werden soll, um geheime Akten, Morphium und schmutzige Politik. Und um Charlys Lebenstrauma, den Tod ihres Vaters. Und um den Mann, mit dem Rath nie wieder etwas zu tun haben wollte: den Unterweltkönig Johann Marlow.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 28.02.2019Gereon Raths siebter Fall
Volker Kutscher liest im Frankfurter Literaturhaus
Bisher ist nur der erste Fall von Gereon Rath zur Fernsehserie umgearbeitet worden, dabei ist Volker Kutscher, auf dessen Roman "Der Nasse Fisch" die Produktion "Babylon Berlin" unter Federführung vom Tom Tykwer basiert, mit seinem Kriminalprosaprojekt längst in der Zeit des Nationalsozialismus angekommen. Im ausverkaufen Frankfurter Literaturhaus gab der Autor mit dem leichten rheinischen Tonfall und der unter Schriftstellern nicht allzu weit verbreiteten Fähigkeit, über das eigene Werk humorvoll und eloquent zu plaudern, Einblicke in das jüngst erschienene Buch "Marlow". Es ist das siebte aus der Reihe mit dem aus Köln stammenden, in Berlin arbeitenden Ermittler und der mittlerweile mit ihm verheirateten früheren Polizei-Mitarbeiterin und jetzigen Anwaltsgehilfin Charlotte Ritter.
Krimispezialistin Antje Deistler, die das Literaturbüro Ruhr leitet und unter anderem als Kritikerin tätig ist, unterhielt sich mit Kutscher, der dazwischen einige sehr kurze Auszüge aus dem neuen Werk las. Er rede lieber, ließ er das Publikum anfangs wissen, und so kam es, dass auf ziemlich amüsante und recht kurzweilige Weise vieles angesprochen wurde, Biographisches, Historisches, allgemein Literaturbetriebliches, der große Erfolg und die Vielzahl der multimedialen Adaptionen des Stoffes. Was den jüngsten Roman angeht, blieb, wie sich das von selbst versteht, das meiste im Dunkeln, schließlich soll bei einer solchen Veranstaltung ja nicht allzu viel verraten werden. Denn in einem Krimi geht es nun einmal vorrangig um den Plot. Und damit der ungestört durch Vorwissen durch des Lesers Kopf rasen kann, ging es auch darum, größere Spoiler zu vermeiden. Ein paar kleinere gab es schon. Aber die machten vor allem neugierig auf den Roman, dessen Titel der Name des Hauptbösewichts ist.
Anders als in "Babylon Berlin" heißt er bei Kutscher Marlow, wie eine Ortschaft in Mecklenburg-Vorpommern und nicht ohne Grund mit Anspielung auf Raymond Chandlers Privatdetektiv Philip Marlowe. Herausgearbeitet wurde an diesem Abend etwa Kutschers Charakterisierung seiner Figuren als ambivalente Personen. Die Unterweltgröße ist nicht nur schlecht. Sie hat auch sympathische Seiten. Während Rath, inzwischen Oberkommissar, gelegentlich zu unorthodoxen Methoden neigt, die ihn in einem eher schlechten Licht zeigen. An seiner Hauptfigur störe ihn vor allem der mangelnde Hang zur Rechtsstaatlichkeit, sagte der Autor. Und auch dies erfuhren die Zuhörer: Anderthalb Jahre hatte Kutscher seinerzeit nach einem Verlag gesucht und lauter Absagen bekommen. Vielleicht, mutmaßen Kutscher und Deistler, habe es daran gelegen, dass er von vorneherein beabsichtigte, zehn Romane zu schreiben. Mit jeweils abgeschlossenen Fällen zwar, aber mit Personen, die sich weiterentwickeln. Und einer Geschichte, die über das Jahr 1933 hinausreicht.
Nun also ist nicht mehr die Weimarer Republik Schauplatz der Erzählung, sondern das "Dritte Reich". Und Raths siebter Fall hat mit den höchsten Kreisen des Staates zu tun. In dem die Nazis gegeneinander kämpften, wie der Autor ausführte: Sie stritten permanent über Zuständigkeiten und Kompetenzen. Er habe versucht, sich in seine Protagonisten hineinzuversetzen, die ja noch nichts von der Zukunft geahnt hätten, sagte der Schriftsteller. Man wisse nie, wie man sich selbst in ihrer Situation verhalten hätte.
So las er eine Szene, in der sich Rath, der sonst die Grußformen im "neuen Deutschland" mit einer gewissen Schlampigkeit nutzt, in Nürnberg von der Masse mitreißen lässt, als der "Führer" im offenen Mercedes durch die jubelnde Menge fährt. Auch Rath streckt den rechten Arm zum Hitlergruß aus und schreit "Heil". Immerhin hasst er sich anschließend dafür. Dabei hatte er vorher noch gedacht: "Das hier war schlimmer als der Rosenmontagszug, und es gab nicht mal Musik." Bis ins Jahr 1938 möchte Kutscher seine Saga fortschreiben. Dem Jahr, in dem jedem klar werden musste, was die Machthaber tatsächlich vorhatten.
MICHAEL HIERHOLZER
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Volker Kutscher liest im Frankfurter Literaturhaus
Bisher ist nur der erste Fall von Gereon Rath zur Fernsehserie umgearbeitet worden, dabei ist Volker Kutscher, auf dessen Roman "Der Nasse Fisch" die Produktion "Babylon Berlin" unter Federführung vom Tom Tykwer basiert, mit seinem Kriminalprosaprojekt längst in der Zeit des Nationalsozialismus angekommen. Im ausverkaufen Frankfurter Literaturhaus gab der Autor mit dem leichten rheinischen Tonfall und der unter Schriftstellern nicht allzu weit verbreiteten Fähigkeit, über das eigene Werk humorvoll und eloquent zu plaudern, Einblicke in das jüngst erschienene Buch "Marlow". Es ist das siebte aus der Reihe mit dem aus Köln stammenden, in Berlin arbeitenden Ermittler und der mittlerweile mit ihm verheirateten früheren Polizei-Mitarbeiterin und jetzigen Anwaltsgehilfin Charlotte Ritter.
Krimispezialistin Antje Deistler, die das Literaturbüro Ruhr leitet und unter anderem als Kritikerin tätig ist, unterhielt sich mit Kutscher, der dazwischen einige sehr kurze Auszüge aus dem neuen Werk las. Er rede lieber, ließ er das Publikum anfangs wissen, und so kam es, dass auf ziemlich amüsante und recht kurzweilige Weise vieles angesprochen wurde, Biographisches, Historisches, allgemein Literaturbetriebliches, der große Erfolg und die Vielzahl der multimedialen Adaptionen des Stoffes. Was den jüngsten Roman angeht, blieb, wie sich das von selbst versteht, das meiste im Dunkeln, schließlich soll bei einer solchen Veranstaltung ja nicht allzu viel verraten werden. Denn in einem Krimi geht es nun einmal vorrangig um den Plot. Und damit der ungestört durch Vorwissen durch des Lesers Kopf rasen kann, ging es auch darum, größere Spoiler zu vermeiden. Ein paar kleinere gab es schon. Aber die machten vor allem neugierig auf den Roman, dessen Titel der Name des Hauptbösewichts ist.
Anders als in "Babylon Berlin" heißt er bei Kutscher Marlow, wie eine Ortschaft in Mecklenburg-Vorpommern und nicht ohne Grund mit Anspielung auf Raymond Chandlers Privatdetektiv Philip Marlowe. Herausgearbeitet wurde an diesem Abend etwa Kutschers Charakterisierung seiner Figuren als ambivalente Personen. Die Unterweltgröße ist nicht nur schlecht. Sie hat auch sympathische Seiten. Während Rath, inzwischen Oberkommissar, gelegentlich zu unorthodoxen Methoden neigt, die ihn in einem eher schlechten Licht zeigen. An seiner Hauptfigur störe ihn vor allem der mangelnde Hang zur Rechtsstaatlichkeit, sagte der Autor. Und auch dies erfuhren die Zuhörer: Anderthalb Jahre hatte Kutscher seinerzeit nach einem Verlag gesucht und lauter Absagen bekommen. Vielleicht, mutmaßen Kutscher und Deistler, habe es daran gelegen, dass er von vorneherein beabsichtigte, zehn Romane zu schreiben. Mit jeweils abgeschlossenen Fällen zwar, aber mit Personen, die sich weiterentwickeln. Und einer Geschichte, die über das Jahr 1933 hinausreicht.
Nun also ist nicht mehr die Weimarer Republik Schauplatz der Erzählung, sondern das "Dritte Reich". Und Raths siebter Fall hat mit den höchsten Kreisen des Staates zu tun. In dem die Nazis gegeneinander kämpften, wie der Autor ausführte: Sie stritten permanent über Zuständigkeiten und Kompetenzen. Er habe versucht, sich in seine Protagonisten hineinzuversetzen, die ja noch nichts von der Zukunft geahnt hätten, sagte der Schriftsteller. Man wisse nie, wie man sich selbst in ihrer Situation verhalten hätte.
So las er eine Szene, in der sich Rath, der sonst die Grußformen im "neuen Deutschland" mit einer gewissen Schlampigkeit nutzt, in Nürnberg von der Masse mitreißen lässt, als der "Führer" im offenen Mercedes durch die jubelnde Menge fährt. Auch Rath streckt den rechten Arm zum Hitlergruß aus und schreit "Heil". Immerhin hasst er sich anschließend dafür. Dabei hatte er vorher noch gedacht: "Das hier war schlimmer als der Rosenmontagszug, und es gab nicht mal Musik." Bis ins Jahr 1938 möchte Kutscher seine Saga fortschreiben. Dem Jahr, in dem jedem klar werden musste, was die Machthaber tatsächlich vorhatten.
MICHAEL HIERHOLZER
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
»Die TV-Serie 'Babylon Berlin' mag gutes Fernsehen sein. Volker Kutschers Romane aber sind großes Kino.« taz 20181108