Produktdetails
- Verlag: Metropol
- Seitenzahl: 319
- Deutsch, Polnisch
- Abmessung: 240mm
- Gewicht: 802g
- ISBN-13: 9783932482793
- ISBN-10: 3932482794
- Artikelnr.: 11198622
- Herstellerkennzeichnung Die Herstellerinformationen sind derzeit nicht verfügbar.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 22.02.2002Ich sah den Namen Bosch
Ein Buch über die Zwangsarbeit in Kleinmachnow
Etwa tausend Zwangsarbeiterlager und ungefähr 170 KZ-Außenlager gab es rund um Berlin, entlang des Autobahnrings. Im Verlauf des Krieges haben ungefähr eine halbe Million Zwangsarbeiter dort gearbeitet, denn Berlin war das Zentrum der kriegswichtigen Industrie. Darum und weil die Mark Brandenburg militärisch leichter zu sichern schien als der Stuttgarter Raum, wurde Robert Bosch von der Nazi-Regierung schon bald nach der Machtergreifung aufgefordert, bei Berlin einen Zweigbetrieb zu eröffnen und hier das Motorenzubehör herzustellen, das insbesondere die Luftwaffe brauchte. Also wurde die Dreilinden Maschinenbau GmbH (DLMG) als hundertprozentige Tochter der Firma Bosch gegründet.
Angelegt war sie als "Schattenfabrik" - "shadow plants" nannten die Amerikaner solche in Waldgebieten versteckten Anlagen, die aus der Luft kaum zu erkennen waren. Zwar nahmen die drei Werkhallen der DLMG mit etwa 148 Metern Länge und 45 Metern Breite beträchtliche Flächen ein, sie waren aber höchstens 12 Meter hoch, um nicht über die Baumwipfel zu ragen. Einige kleinere Werkhallen kamen hinzu, dazu eine Wohnsiedlung für die regulären Arbeiter. Im Laufe des Krieges kamen dann die verschiedenen Zwangsarbeiter: Wurden sie in den besetzten Gebieten Westeuropas noch regulär angeworben, waren die Arbeiter aus den osteuropäischen Ländern Kriegsgefangene und verschleppte Zivilisten. Diese Arbeiter lebten in über zwanzig bis zu 60 Meter langen Baracken auf dem Gelände. Die KZ-Häftlinge hausten im Keller.
Während des Warschauer Aufstandes vom August und September 1944 wurden etwa 225 000 Einwohner der Stadt getötet, die restliche halbe Million Menschen wurde verschleppt, davon 150 000 in Konzentrationslager. Von den Frauen, die ins Frauen-KZ nach Ravensbrück bei Fürstenberg an der Havel deportiert worden waren, wurden etwa 800 schließlich nach Kleinmachnow gebracht, wo in den Luftschutzräumen unter der Halle K 24 ein dem KZ Sachsenhausen unterstelltes Außenlager eingerichtet wurde.
Die in Schöneberg ansässige Geschichtswerkstatt, die seit über zwanzig Jahren unter dem Motto "Grabe, wo du stehst" die Berliner Geschichte erforscht, beschäftigt sich seit sechs Jahren mit der Zwangsarbeit im Berliner Raum. Daß es in Kleinmachnow Zwangsarbeiter gab, erfuhr die Geschichtswerkstatt von Rudolf Mach, einem Beamten des Umweltbundesamts, der auf entsprechende Akten stieß, als er die stillgelegte Kläranlage der Fabrik in Kleinmachnow untersuchen wollte. Daraufhin begann die Historikerin und Journalistin Angela Martin von der Geschichtswerkstatt mit der Erforschung der Geschichte der DLMG. Im Zuge ihrer Recherchen stieß sie auf einen weiteren privaten Forscher, den gebürtigen Kleinmachnower Günter Käbelmann, der sich seit 1988 mit der Fabrik beschäftigt. Das tat der Fahrlehrer privat, weil die DDR in ihrer Konzentration auf die "großen" Konzentrationslager und die Gedenkstätten, die sie dort anlegte, die "kleinen" Orte komplett ignorierte; dabei zeugen sie davon, wie weit verzweigt das KZ-System war.
Die Ergebnisse ihrer Arbeit legte Angela Martin nun in einem eindrucksvollen Buch vor, das sie am Mittwoch abend in Kleinmachnow vorstellte. Zwar bemühte sie sich um eine Gesamtdarstellung der DLMG und der dort geleisteten Zwangsarbeit, das Gewicht legte sie aber auf die aus Warschau in das KZ-Außenlager verschleppten Polinnen. Es gelang ihr, in Polen eine Reihe überlebender Frauen zu finden, die sie gemeinsam mit der Übersetzerin Ewa Czerwiakowska befragte. Die Fotografin Hucky Fin Porzner porträtierte die Frauen, und all das - Gespräche, Porträts, Firmengeschichte - ist in dem Band versammelt, der auch sonst reich illustriert und schön gestaltet ist. Er ist zweisprachig, polnisch und deutsch, weil er auch ein Geschenk an die Zwangsarbeiterinnen sein soll. Möglich wurde er, weil eine Spenderin, die anonym bleiben möchte, die Arbeit finanzierte.
So viele Leute sind also an diesem Buch beteiligt, und das Interesse der Kleinmachnower war auch enorm, der Saal, in dem das Buch vorgestellt wurde, überfüllt. Eine ganze Schulklasse war gekommen, die sich besonders dafür interessierte, wo die Fabrik nun genau lag und was noch zu sehen ist. Das ein oder andere ist nämlich noch vorhanden, die Werksiedlung, einzelne Gebäudeteile, sogar eine Baracke hat die Zeiten überstanden. Um die kümmert sich nun der Heimatverein. "Je größer der zeitliche Abstand wird", sagte Gisela Wenzel von der Geschichtswerkstatt, "desto sensibler reagiert die Öffentlichkeit auf solche Themen."
IRIS HANIKA
Angela Martin: Ich sah den Namen Bosch. Polnische Frauen als KZ-Häftlinge in der Dreilinden Maschinenbau GmbH. Berlin 2002, Metropol Verlag, 17 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Ein Buch über die Zwangsarbeit in Kleinmachnow
Etwa tausend Zwangsarbeiterlager und ungefähr 170 KZ-Außenlager gab es rund um Berlin, entlang des Autobahnrings. Im Verlauf des Krieges haben ungefähr eine halbe Million Zwangsarbeiter dort gearbeitet, denn Berlin war das Zentrum der kriegswichtigen Industrie. Darum und weil die Mark Brandenburg militärisch leichter zu sichern schien als der Stuttgarter Raum, wurde Robert Bosch von der Nazi-Regierung schon bald nach der Machtergreifung aufgefordert, bei Berlin einen Zweigbetrieb zu eröffnen und hier das Motorenzubehör herzustellen, das insbesondere die Luftwaffe brauchte. Also wurde die Dreilinden Maschinenbau GmbH (DLMG) als hundertprozentige Tochter der Firma Bosch gegründet.
Angelegt war sie als "Schattenfabrik" - "shadow plants" nannten die Amerikaner solche in Waldgebieten versteckten Anlagen, die aus der Luft kaum zu erkennen waren. Zwar nahmen die drei Werkhallen der DLMG mit etwa 148 Metern Länge und 45 Metern Breite beträchtliche Flächen ein, sie waren aber höchstens 12 Meter hoch, um nicht über die Baumwipfel zu ragen. Einige kleinere Werkhallen kamen hinzu, dazu eine Wohnsiedlung für die regulären Arbeiter. Im Laufe des Krieges kamen dann die verschiedenen Zwangsarbeiter: Wurden sie in den besetzten Gebieten Westeuropas noch regulär angeworben, waren die Arbeiter aus den osteuropäischen Ländern Kriegsgefangene und verschleppte Zivilisten. Diese Arbeiter lebten in über zwanzig bis zu 60 Meter langen Baracken auf dem Gelände. Die KZ-Häftlinge hausten im Keller.
Während des Warschauer Aufstandes vom August und September 1944 wurden etwa 225 000 Einwohner der Stadt getötet, die restliche halbe Million Menschen wurde verschleppt, davon 150 000 in Konzentrationslager. Von den Frauen, die ins Frauen-KZ nach Ravensbrück bei Fürstenberg an der Havel deportiert worden waren, wurden etwa 800 schließlich nach Kleinmachnow gebracht, wo in den Luftschutzräumen unter der Halle K 24 ein dem KZ Sachsenhausen unterstelltes Außenlager eingerichtet wurde.
Die in Schöneberg ansässige Geschichtswerkstatt, die seit über zwanzig Jahren unter dem Motto "Grabe, wo du stehst" die Berliner Geschichte erforscht, beschäftigt sich seit sechs Jahren mit der Zwangsarbeit im Berliner Raum. Daß es in Kleinmachnow Zwangsarbeiter gab, erfuhr die Geschichtswerkstatt von Rudolf Mach, einem Beamten des Umweltbundesamts, der auf entsprechende Akten stieß, als er die stillgelegte Kläranlage der Fabrik in Kleinmachnow untersuchen wollte. Daraufhin begann die Historikerin und Journalistin Angela Martin von der Geschichtswerkstatt mit der Erforschung der Geschichte der DLMG. Im Zuge ihrer Recherchen stieß sie auf einen weiteren privaten Forscher, den gebürtigen Kleinmachnower Günter Käbelmann, der sich seit 1988 mit der Fabrik beschäftigt. Das tat der Fahrlehrer privat, weil die DDR in ihrer Konzentration auf die "großen" Konzentrationslager und die Gedenkstätten, die sie dort anlegte, die "kleinen" Orte komplett ignorierte; dabei zeugen sie davon, wie weit verzweigt das KZ-System war.
Die Ergebnisse ihrer Arbeit legte Angela Martin nun in einem eindrucksvollen Buch vor, das sie am Mittwoch abend in Kleinmachnow vorstellte. Zwar bemühte sie sich um eine Gesamtdarstellung der DLMG und der dort geleisteten Zwangsarbeit, das Gewicht legte sie aber auf die aus Warschau in das KZ-Außenlager verschleppten Polinnen. Es gelang ihr, in Polen eine Reihe überlebender Frauen zu finden, die sie gemeinsam mit der Übersetzerin Ewa Czerwiakowska befragte. Die Fotografin Hucky Fin Porzner porträtierte die Frauen, und all das - Gespräche, Porträts, Firmengeschichte - ist in dem Band versammelt, der auch sonst reich illustriert und schön gestaltet ist. Er ist zweisprachig, polnisch und deutsch, weil er auch ein Geschenk an die Zwangsarbeiterinnen sein soll. Möglich wurde er, weil eine Spenderin, die anonym bleiben möchte, die Arbeit finanzierte.
So viele Leute sind also an diesem Buch beteiligt, und das Interesse der Kleinmachnower war auch enorm, der Saal, in dem das Buch vorgestellt wurde, überfüllt. Eine ganze Schulklasse war gekommen, die sich besonders dafür interessierte, wo die Fabrik nun genau lag und was noch zu sehen ist. Das ein oder andere ist nämlich noch vorhanden, die Werksiedlung, einzelne Gebäudeteile, sogar eine Baracke hat die Zeiten überstanden. Um die kümmert sich nun der Heimatverein. "Je größer der zeitliche Abstand wird", sagte Gisela Wenzel von der Geschichtswerkstatt, "desto sensibler reagiert die Öffentlichkeit auf solche Themen."
IRIS HANIKA
Angela Martin: Ich sah den Namen Bosch. Polnische Frauen als KZ-Häftlinge in der Dreilinden Maschinenbau GmbH. Berlin 2002, Metropol Verlag, 17 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main