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»Mit Buber zu denken heißt, Menschlichkeit zu erfahren.« (Dominique Bourel)
»Lasst uns den Menschen verwirklichen!« Mit diesem Appell beendet der deutsche Jude Martin Buber 1953 seine Dankesrede zur Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels. Im Auditorium: nicht wenige, die acht Jahre zuvor noch Nazi-Uniformen getragen hatten! Aber gerade das macht deutlich, worum es Buber ging: Wie wird und wie bleibt ein Mensch wirklich Mensch? Dominique Bourel erzählt in dieser monumentalen Biografie den Lebens- und Denkweg Martin Bubers. Er zeigt ihn als einen Hüter der Menschlichkeit in…mehr

Produktbeschreibung
»Mit Buber zu denken heißt, Menschlichkeit zu erfahren.« (Dominique Bourel)

»Lasst uns den Menschen verwirklichen!« Mit diesem Appell beendet der deutsche Jude Martin Buber 1953 seine Dankesrede zur Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels. Im Auditorium: nicht wenige, die acht Jahre zuvor noch Nazi-Uniformen getragen hatten! Aber gerade das macht deutlich, worum es Buber ging: Wie wird und wie bleibt ein Mensch wirklich Mensch?
Dominique Bourel erzählt in dieser monumentalen Biografie den Lebens- und Denkweg Martin Bubers. Er zeigt ihn als einen Hüter der Menschlichkeit in einem unmenschlichen Jahrhundert. Ein Lebensweg in einer Haltung, die gerade in dieser Zeit Vorbild sein kann!

Ausstattung: mit 16-seitigem Bildteil
Autorenporträt
Bourel, DominiqueDominique Bourel, geboren 1952, lehrte als Philosoph und Religionshistoriker an der Sorbonne in Paris. Er ist ein international ausgewiesener Spezialist für die deutsche Ideengeschichte und hat Lehraufträge u.a. in Jerusalem und Berlin wahrgenommen. Im Jahr 2005 erhielt er den deutsch-französischen Parlamentspreis für sein Buch »Moses Mendelssohn: Die Geburt des modernen Judentums«.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 13.01.2018

Dialog blieb ihm kein leeres Wort
Dominique Bourel schreibt eine lebendige Biographie Martin Bubers aus dessen Briefen und Reden

Das Jahr 1929 war für die Entwicklung des Zionismus entscheidend: Am 23. und 24. August wurden nach handgreiflichen Streitigkeiten zwischen Juden und Muslimen an der Jerusalemer Klagemauer in Hebron 67 jüdische Männer, Frauen und Kinder von einem verhetzten arabischen Mob gejagt und ermordet, ihre Leichen teilweise verstümmelt. Die Polizisten und Soldaten der britischen Mandatsmacht kamen zu spät, um dieser mörderischen Gewalt zu begegnen. In der Folge wurde die Hagana ("Verteidigung") klandestin zu einer paramilitärischen Verteidigungstruppe für die jüdische Bevölkerung ausgebaut, und die zionistische Führung beschloss, die jüdische Einwanderung nach Palästina zu forcieren. Ihr Ziel war es, rasch eine Bevölkerungsmehrheit in geschlossenen jüdischen Siedlungsgebieten zu erreichen und so schnell wie möglich einen jüdischen Staat zu errichten.

Im Gegensatz dazu hielten Martin Buber - damals neben Chaim Weizmann und Albert Einstein der prominenteste Zionist Europas - und seine intellektuellen Weggefährten aus dem 1924 gegründeten Brit Schalom ("Friedensbund") in Jerusalem auch nach dem Massaker von Hebron an ihrem Ideal eines einzigen bi-nationalen Gemeinwesens mit dem Namen "Palästina" fest. Dort sollten unter britischer Oberhoheit die jüdische und arabische Bevölkerung gleichberechtigt miteinander wohnen und arbeiten, ein gemeinsames Parlament wählen, Hebräisch und Arabisch gleichberechtigte Amtssprachen sein, alle religiösen Gruppen freien Zugang zu ihren heiligen Stätten haben - und es sollte keine Staatsreligion geben.

Martin Buber (1878-1965) lebte in jenen Jahren bis zu seiner Emigration 1938 noch in Heppenheim, war aber durch seine vielfältige Korrespondenz in die Diskussionen des Brit Schalom involviert. Er agierte und intervenierte durch Vortragsreisen, öffentliche Reden, Aufrufe, Artikel, und insbesondere durch Briefe in den innerzionistischen Debatten. Hier zeigt sich Buber, ganz im Sinne seines frühen Mentors und Freundes Gustav Landauer, als Pazifist und Anarchist. Er wollte eine friedliche jüdische Besiedlung, aber keinen jüdischen Staat in Palästina. Denn, das schreibt er schon 1929 und auch noch nach der Staatsgründung 1948, ein jüdischer Staat in Palästina tue den einheimischen Arabern unrecht und sei ein Rückfall in den Kolonialismus der europäischen Nationalstaaten des neunzehnten Jahrhunderts. Mit der Staatsgründung Israels assimiliere der Zionismus sich an die "krassen Nationalismen unserer Zeit". Und im März 1949, eingeladen in das Haus des ersten israelischen Ministerpräsidenten David Ben Gurion, weist er so lange und wiederholt auf die miserable Lage der arabischen Flüchtlinge nach dem siegreichen Unabhängigkeitskrieg hin, bis dieser schließlich ausruft: "maspik!", es reicht!

Diese und viele andere charakteristische Anekdoten sind in der voluminösen Biographie Martin Bubers von Dominique Bourel nachzulesen. Auf siebenhundert Seiten wird in ihr ein langes Leben der Begegnungen detailreich entfaltet; und auf noch einmal 270 gelehrten Seiten in Kurzbiographien, Anmerkungen, Bibliographie und Register alle diejenigen Bücher und Personen aufgeführt, die in diesem Leben eine Rolle gespielt haben. Aber Gelehrtheit ist gar nicht die wichtigste Qualität dieser Biographie. Das ist vielmehr ihre Lebendigkeit. Dem Leser begegnet ein politischer Buber, ein Briefsteller, Publizist und Redner. Man hört eine Stimme des lebendigen Austauschs statt trockener Werkanalysen des Philosophen, Chassidismus-Kenners und Bibel-Exegeten.

Bubers Korrespondenz umfasst mehr als 50 000 Briefe, von denen nur ein Bruchteil überhaupt bekannt oder ediert ist. Bourel hat seit 1982 immer wieder im Buber-Nachlass in Jerusalem gearbeitet, und er erzählt Bubers Biographie aus dessen Briefwechseln heraus. Dabei zitiert er bisher weitgehend unbekannte Brief-Funde, die allein schon die Lektüre seines Buchs lohnenswert machen. In der sorgfältigen, gut lesbaren deutschen Übersetzung - die französische Ausgabe erschien 2015 - werden diese Briefstellen im deutschen Original zitiert; insofern ist der deutsche Leser sogar im Vorteil. Als kleine Schönheitsfehler unterlaufen lediglich bisweilen fehlerhafte Umschriften hebräischer Ausdrücke.

Bourel dokumentiert auch Bubers ungeheure intellektuelle Wandlungsfähigkeit: Der junge Buber wird im Hause seines Großvaters, des gelehrten Midrasch-Herausgebers Salomon Buber, in Lemberg erzogen und mit rabbinischer Bibel-Exegese vertraut gemacht, er promoviert jedoch in Philosophie und begeistert sich in "Ekstatische Konfessionen" (1909) für die mystischen Texte aller Weltreligionen, während er mit seinen vielgelesenen Nacherzählungen der "Geschichten des Rabbi Nachman" (1906) und der "Legende des Baal Schem" (1908) sehr erfolgreich die Wiederentdeckung des Chassidismus und der Kabbala im zwanzigsten Jahrhundert inauguriert.

Aus dem jungen Mitarbeiter Theodor Herzls und des Judenstaates um 1900 wird am Beginn des Ersten Weltkriegs der begeisterte "Kriegsbuber" und aus diesem später der zionistische Pazifist und Gandhi-Leser, der unermüdliche Propagandist eines jüdisch-arabischen Dialogs und Stichwortgeber noch der israelischen Friedensbewegung heute. Der junge Buber der "Reden über das Judentum" (1911) hält "Blut" für das einigende Band des Judentums, während - beginnend mit seiner Verdeutschung der Bibel zusammen mit Franz Rosenzweig - der spätere Buber nicht mehr im mystischen Erlebnis, sondern in der hebräischen Bibel den Kern des Judentums erblickt.

Der alte Buber verteidigt in "Moses" (1945) sogar den Propheten als historische Figur gegen den Mainstream der historisch-kritischen Bibelexegese und auch Sigmund Freud und in völliger Übereinstimmung mit der jüdischen Philosophie eines Jehuda Halevi, Maimonides oder Moses Mendelssohn. Bourel notiert diese Wandlungen und Selbstwidersprüche, aber enthält sich weitgehend kritischer Kommentare. Nur gelegentlich blitzt bei ihm Distanz auf, versteckt etwa im Spott auch der Freunde Bubers über den Gegensatz zwischen dessen religiös-sozialistischer, am Gemeineigentum orientierter Weltanschauung und seinem großbürgerlichem Haushalt mit Dienstpersonal selbst in der Emigration.

Der Widerstand gegen einen jüdischen Staat hat Buber nicht abgehalten, noch in hohem Alter Präsident der neu gegründeten Israelischen Akademie der Wissenschaft zu werden. Er war Fürsprecher einer Versöhnung mit den Deutschen und reiste bald nach 1945 wieder nach Deutschland. Selbst Treffen mit ehemals überzeugten Nationalsozialisten und Antisemiten wie Martin Heidegger hat er nicht gescheut. Buber war nicht nur der Philosoph des Dialogs , er wollte den Dialog auch unter erklärten Feinden. Am Ende seines langen Lebens, in einem Brief von 1964, so lernen wir bei Bourel, hat er bedauert, für seine Friedensbemühungen auf arabischer Seite selten echte Dialog-Partner gefunden zu haben.

CHRISTOPH SCHULTE

Dominique Bourel: "Martin Buber". Was es heißt, ein Mensch zu sein. Biografie.

Aus dem Französischen von Horst Brühmann. Gütersloher Verlagshaus,

Gütersloh 2017. 971 S., geb., 49,99 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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»Eine neue Martin Buber-Biografie, die Maßstäbe setzt...« haGalil.com, Siegbert Wolf