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Der eine galt als charismatischer Vertreter des gewaltlosen Widerstandes, der andere als teufelgesandter Agitator einer blutigen Revolution. Martin Luther King träumte von einem besseren Amerika, Malcolm X verfluchte den amerikanischen Alptraum. Doch erst die doppelte Wirkung ihrer suggestiven Lehren verlieh in den Sechziger Jahren dem Kampf gegen Rassismus die entscheidende Energie.

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Produktbeschreibung
Der eine galt als charismatischer Vertreter des gewaltlosen Widerstandes, der andere als teufelgesandter Agitator einer blutigen Revolution. Martin Luther King träumte von einem besseren Amerika, Malcolm X verfluchte den amerikanischen Alptraum. Doch erst die doppelte Wirkung ihrer suggestiven Lehren verlieh in den Sechziger Jahren dem Kampf gegen Rassismus die entscheidende Energie.
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Autorenporträt
Britta Waldschmidt-Nelson ist seit 2016 Professorin für die Geschichte des europäisch-transatlantischen Kulturraums an der Philologisch-Historischen Fakultät Augsburg. Zuvor war sie fünf Jahre lang als stellvertretende Direktorin des Deutschen Historischen Instituts in Washington, D.C., tätig und von 1994 bis 2011 lehrte sie amerikanische Geschichte an der LMU in München. Außerdem hat sie als Gastdozentin an zahlreichen europäischen und amerikanischen Universitäten unterrichtet. Von ihr liegen verschiedene Veröffentlichungen zur Geschichte der schwarzen Bürger- und Frauenrechtsbewegung in den USA vor.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.05.2015

Er träumte den amerikanischen Albtraum
Galionsfigur der Black Muslims und Gegenspieler Martin Luther Kings: Eine Biographie von Malcolm X

In seiner berühmten Rede "I have a dream" verkündete Martin Luther King 1963 Hunderttausenden am Lincoln Memorial und Millionen von Fernsehzuschauern seinen amerikanischen Traum von einer Zukunft der Rassengerechtigkeit. Malcolm X, der große Gegenspieler des Baptistenpastors King im Kampf um die Rechte der schwarzamerikanischen Bevölkerung, hatte für den amerikanischen Traum und Kings Hoffnung auf gleichberechtigte Teilhabe an diesem Glücksversprechen nur Hohn und Spott übrig: Er sei kein Amerikaner, rief er seinem Publikum ein halbes Jahr nach Kings Rede zu, sondern eines der zweiundzwanzig Millionen schwarzen Opfer amerikanischer Verlogenheit. "Ich sehe keinen amerikanischen Traum; ich sehe einen amerikanischen Albtraum."

Während King in der Nachfolge Mahatma Ghandis predigte, jeder Art von Gewalt und Diskriminierung nur gewaltlosen Widerstand entgegenzusetzen, war Malcolm X in der Wahl seiner Mittel weniger zimperlich: "By any means necessary", mit allen notwendigen Mitteln, und das heißt, notfalls auch mit Waffengewalt, müssten Freiheit, Gerechtigkeit und Gleichheit für die Nachfahren der Millionen aus Afrika verschleppten Sklaven erstritten werden, auf keinen Fall aber mit christlicher Feindesliebe. Martin Luther King schmähte er als "die beste Waffe, die der weiße Mann in diesem Land je bekommen hat".

Beide Führer der schwarzen Emanzipationsbewegung haben die Kämpfe der sechziger Jahre nicht überlebt. King wurde möglicherweise von einem weißen Rassisten erschossen, die Ermordung von Malcolm X vor fünfzig Jahren geht auf das Konto der Nation of Islam, jener Glaubensgemeinschaft schwarzer Muslime, deren Ideologie von der Überlegenheit der schwarzen Rasse bis heute mit seinem Namen verknüpft wird. Zum Jahrestag des Attentats ist nun eine ausgezeichnete Biographie der deutschen Historikerin Britta Waldschmidt-Nelson erschienen.

Schon früh kommt der 1925 geborene Malcolm Little mit der Gedankenwelt des schwarzen Nationalismus in Berührung. Während die größte und älteste Bewegung NAACP (National Association for the Advancement of Coloured People, der King nahestand, für eine Integration weißer und schwarzer Amerikaner auf der Basis gemeinsamer Rechte eintrat, waren Malcolms Eltern glühende Anhänger der separatistischen UNIA (Universal Negro Improvement Association), die eine Rückbesinnung aller Schwarzen auf ihre afrikanischen Wurzeln, ökonomischen Erfolg der schwarzen Gemeinschaft und eine möglichst umfassende Trennung von der weißen Mehrheitsgesellschaft forderte.

Bevor Malcolm X zunächst als einfaches Mitglied, dann als Geistlicher und schließlich als "Nationaler Repräsentant" der Nation of Islam an dieses Programm anknüpft, verbringt er eine von Diskriminierungserfahrungen, Geldnot, Drogensucht und Kriminalität gezeichnete Jugend in Boston und New York. Er trägt clowneske Zoot Suits, glättet sich das krause Haar, schnupft Kokain, verdient das dafür notwendige Geld mit illegalen Wetten, Drogenhandel und Zuhälterei; er hat eine weiße Geliebte und wahrscheinlich einen homosexuellen Gönner. Doch mit einundzwanzig ist der Spaß vorbei: Der wegen seiner rötlichen Haare als "Detroit Red" bekannte Malcolm wird zahlreicher Einbrüche überführt und zu zehn Jahren Gefängnis verurteilt.

Während der Gefängnisjahre von 1946 bis 1952 kommt es in dieser an Kehrtwenden reichen Biographie zum dramatischsten Bruch. Die kanonische Quelle für Malcolms wundersame Verwandlung vom zynischen Kleinkriminellen zum disziplinierten Intellektuellen und gläubigen Muslim ist seine zusammen mit Alex Haley ("Roots") verfasste Autobiographie. Mit der Konversion zum Islam Ende 1948 streift Malcolm nach den Regeln seiner neuen Glaubensgemeinschaft den "Sklavennamen" Little ab und ersetzt ihn durch das ikonisch gewordene "X". Es steht zukunftsweisend für den "wahren" afrikanischen Familiennamen und streicht all das durch, was man einmal gewesen ist: "Ex-Raucher, Ex-Alkoholiker, Ex-Christ und Ex-Sklave".

Zwölf Jahre lang stellt Malcolm X seine Disziplin, sein Wissen, sein Charisma uneingeschränkt in den Dienst einer Organisation, die mit ihrem Dogma von der Göttlichkeit der schwarzen Menschen ("Volk von Shabazz") und vom teuflischen Wesen der Weißen ("blauäugige Teufel") einen umgekehrten Rassismus lehrt und praktiziert - weiße Mitglieder gibt es keine, und "gemischtrassige" Beziehungen sind auch hier streng verboten -, bis er ihrem Anführer Elijah Muhammad und seiner Entourage zu mächtig und zu unbotmäßig wird. Am 21. Februar 1965 wird er bei einer Kundgebung in Harlem von mehreren Gefolgsleuten Muhammads liquidiert.

Mit missionarischem Einsatz und unaufhörlich wachsender Medienpräsenz hatte Malcolm X aus der religiösen Splittergruppe eine gesellschaftliche Kraft gemacht, die am Ende nicht nur über Hunderttausende von Mitgliedern und einen beachtlichen Reichtum verfügte, sondern auch die Politik maßgeblich beeinflusste. Denn je suggestiver er seine Empörung darüber, dass man die schwarze Bevölkerung Amerikas ihrer Menschenrechte beraubte, mit der anti-weißen Doktrin der Black Muslims verband, desto salonfähiger und erfolgreicher wurde die gemäßigte Bürgerrechtsbewegung um Martin Luther King.

Warum aber brauchte Malcolm X so lange, um sich schließlich von dem rassistischen Weltbild dieser seltsamen Sekte zu lösen? Nachdem er erneut konvertiert war, zum orthodoxen sunnitischen Islam, gab er 1964 zu Protokoll, die Pilgerfahrt nach Mekka habe ihn von seinem blinden Hass auf alle Weißen befreit. In der Folge ausgedehnter Reisen nach Afrika war es mehr denn je die panafrikanische Idee, die ihn politisch begeisterte, doch bekannte er sich nun gleichzeitig zum Respekt vor allen Menschen "unabhängig von ihrer Hautfarbe" und verwarf "jede Form von Rassentrennung, jede Form der Diskriminierung".

Die am Ende tödlichen Bande an den falschen Propheten erscheinen in diesem Buch, das auf so kunstvolle Weise die Biographie eines hochbegabten jungen Mannes aus der ambivalenten Geschichte seines Landes hervorgehen lässt, wie ein Kollateralschaden der jahrhundertealten Entwurzelung, Enteignung und Entrechtung der Afroamerikaner. Malcolm X, der sich mit dieser Leidensgeschichte identifizierte, erkannte zu spät, dass den Menschenrechten durch eine Aufspaltung der Menschheit nicht gedient ist.

BETTINA ENGELS

Britta Waldschmidt-Nelson: "Malcolm X". Eine Biographie. C. H. Beck Verlag, München 2015. 387 S., br. 18,95 [Euro].

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