Vergilbte, stockfleckige Buchseiten sind das Trägermaterial für Martin Neumaiers vielschichtige Collagen, in denen er sich intensiv mit dem Thema des europäischen Kolonialismus und Imperialismus auseinandersetzt. Aufgeklebte grafische Elemente dynamisieren dabei die Druckerschwärze der Schriften und Darstellungen und überführen sie in eine konstruktivistische und abstrakte Bildlichkeit. Auf den zweiten Blick, gewinnen die Arbeiten eine zusätzliche Komponente und werden zu Überlagerungen unterschiedlicher Kulturen. Die Bücher, die Neumaier (geb. 1970 in Hürth) als Grundlage für seine Arbeit dienen, sind Lehr- und Wissenschaftsbücher vom 18. bis 20. Jahrhundert, die in ihrer Bearbeitung eine Umdeutung, Umarbeitung und Neubestimmung erfahren: Die engen Repräsentationen der Buchseiten gewinnen in dem Palimpsest eine ästhetische Freiheit, die auch ihre Bedeutungsdimensionen vervielfältigt, um schließlich auf immer neue Weise andere Möglichkeiten des Sehens abzugewinnen.