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Dieses Buch über die beiden außergewöhnlichen Brüder Martin und Fritz Heidegger ist eine Familiengeschichte, eine Milieustudie über ihre Heimatstadt Meßkirch, eine Geistes- und Kulturgeschichte der südwestdeutschen Provinz in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts und zugleich eine in vielem überraschende Einführung in Martin Heideggers Philosophie.
Wer Martin Heidegger verstehen will, sollte den Bruder kennen. In ihm ist die Provinz von Meßkirch verkörpert, die freilich überraschend weltläufig war. Während Martin - von der Kirche gefördert -aufs Gymnasium ging und später studierte, mußte der nicht weniger begabte Fritz die Schule aufgrund eines Sprachfehlers verlassen. Die erhoffte Predigerkarriere blieb ihm verschlossen, er wurde Bankbeamter in Meßkirch, und statt zu predigen hielt er seine berühmten und gefürchteten Fastnachtsreden in der Tradition seines Landsmannes Abraham a Sancta Clara. Das Verhältnis der Brüder wareng. Dem Bruder Fritz vertraute Martin seine Manuskripte an, und Fritz rettete sie über den Krieg, schrieb sie ab, korrigierte sie und gab Anregungen. Er eignete sich zudem im Selbststudium ein ungewöhnlich breites Wissen an und hinterließ bemerkenswerte eigene Texte.
Hans Dieter Zimmermann erzählt in diesem Buch die Geschichte der beiden Brüder und zeichnet zugleich ein lebendiges Bild ihrer Zeit, des katholischen Milieus ihrer Kindheit, der Jahre des aufkommenden Nationalsozialismus, den Fritz kritischer sah als sein Bruder, des Kriegs und der Nachkriegszeit. Es wird deutlich, daß die Provinz Meßkirch anders war als bisher behauptet, und daß Martin Heideggers Philosophie eher aus einer Distanzierung von deren Milieu entstand, von dem er gleichwohl nie wegkam. Fast nebenbei erhält der Leser eine eher ungewöhnliche Einführung in die Philosophie Martin Heideggers, die versucht, der Faszination seines Denkens auf die Spur zu kommen.
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
Dieses Buch über die beiden außergewöhnlichen Brüder Martin und Fritz Heidegger ist eine Familiengeschichte, eine Milieustudie über ihre Heimatstadt Meßkirch, eine Geistes- und Kulturgeschichte der südwestdeutschen Provinz in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts und zugleich eine in vielem überraschende Einführung in Martin Heideggers Philosophie.
Wer Martin Heidegger verstehen will, sollte den Bruder kennen. In ihm ist die Provinz von Meßkirch verkörpert, die freilich überraschend weltläufig war. Während Martin - von der Kirche gefördert -aufs Gymnasium ging und später studierte, mußte der nicht weniger begabte Fritz die Schule aufgrund eines Sprachfehlers verlassen. Die erhoffte Predigerkarriere blieb ihm verschlossen, er wurde Bankbeamter in Meßkirch, und statt zu predigen hielt er seine berühmten und gefürchteten Fastnachtsreden in der Tradition seines Landsmannes Abraham a Sancta Clara. Das Verhältnis der Brüder wareng. Dem Bruder Fritz vertraute Martin seine Manuskripte an, und Fritz rettete sie über den Krieg, schrieb sie ab, korrigierte sie und gab Anregungen. Er eignete sich zudem im Selbststudium ein ungewöhnlich breites Wissen an und hinterließ bemerkenswerte eigene Texte.
Hans Dieter Zimmermann erzählt in diesem Buch die Geschichte der beiden Brüder und zeichnet zugleich ein lebendiges Bild ihrer Zeit, des katholischen Milieus ihrer Kindheit, der Jahre des aufkommenden Nationalsozialismus, den Fritz kritischer sah als sein Bruder, des Kriegs und der Nachkriegszeit. Es wird deutlich, daß die Provinz Meßkirch anders war als bisher behauptet, und daß Martin Heideggers Philosophie eher aus einer Distanzierung von deren Milieu entstand, von dem er gleichwohl nie wegkam. Fast nebenbei erhält der Leser eine eher ungewöhnliche Einführung in die Philosophie Martin Heideggers, die versucht, der Faszination seines Denkens auf die Spur zu kommen.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 16.02.2005Das Meßkircher Heimatbuch
Hans Dieter Zimmermanns Doppelporträt der Heidegger-Brüder
Dieses Buch ist Ausdruck einer Verlegenheit. Die Figur, um deretwillen es veröffentlicht wurde, ist Martin Heidegger. Aber die Bühne, die hier für seinen Auftritt zurechtgezimmert wird, hat einen anderen Helden: Fritz Heidegger, ein Bankangestellter aus dem beiden Brüdern gemeinsamen Geburtsort Meßkirch, ein zweifellos bemerkenswerter Mann, der nicht nur in seiner Heimat als Fastnachtsredner brillierte, sondern auch sonst als Original galt. Der Philosoph hat ihm einen seiner wichtigsten Aufsatzbände gewidmet: "Dem einzigen Bruder". Der Doppelsinn ist beabsichtigt.
Dieses Buch über die beiden Heideggers und um sie herum ist ein Heimatbuch geworden. Das bedeutet nichts Geringes. Gute Heimatbücher - und dieses ist eines - bleiben länger gegenwärtig als manche hochgerühmten Schriften anderer Genres. Auch ein philosophisch versierter Buchhändler wird sich schwertun, alle Verlage aufzuzählen, die bei dem seit Jahren wachsenden Heidegger-Boom dabeisein wollen. Heideggers Denken hat zwar etliche der wichtigsten Philosophen des zwanzigsten Jahrhunderts stark beeinflußt - vergleichbare Einflüsse auf die kontinentaleuropäische Philosophie kamen von keinem anderen -, aber damit wollen die meisten deutschen Philosophen der Gegenwart kaum noch etwas anfangen. Heideggers Äußerungen gelten als die eines kauzigen Sonderlings. Da mag man ihn als den letzten Vertreter eines untergegangenen Deutschseins in der Philosophie belächeln, da muß man aber, wenn man den hohen Rang seines Denkens zugibt, zurückschrecken vor dem beispiellosen Skandal der Philosophie, daß dieser Mann sich für Hitler und den Nationalsozialismus engagierte.
Der Berliner Literaturwissenschaftler Hans Dieter Zimmermann hat das Buch mit dem Gestus des alten Periegeten Pausanias geschrieben. Ein Wanderer kommt nach Meßkirch, in das "Städtchen", wie das erste Kapitel von 27 überschrieben ist, und findet die Hauptstraße leer. Es ist Samstagnachmittag. So erlebt es Zimmermann, und der Leser, der es in Meßkirch ähnlich erlebt, kann jetzt nach dem schmalen, handlichen Büchlein greifen und zu lesen beginnen: über die Geschichte des Ortes. Der Ort ist berühmt wegen des hier geborenen, hier begrabenen Philosophen. Man erfährt etwas über die Eltern; der Vater war Mesner, Zigarrenraucher und stellte in der eigenen Werkstatt Kübel und Fässer her. Vorfahren stammen aus Österreich. Man erfährt, wie es hier zuging unter Kaiser Wilhelm, wie armer Leute Kinder doch mit Hilfe der katholischen Kirche zum Abitur und zum Studium kamen. Alles gruppiert sich um Meßkirch. Auch der Freiburger Erzbischof Gröber, der ebenfalls auf Hitler hereinfiel, kam hierher. Heidegger wurde zunächst Konviktszögling in Konstanz; hier schenkte ihm Gröber, der das Internat leitete, ein Buch über das Sein, das seinem ganzen späteren Denkweg die Richtung wies. Zu Meßkirch gehörte der Bruder Fritz mehr als Martin. So ist viel von Fritz die Rede. Aber doch nur gerade so viel, daß man sagen kann: Dies ist kein Buch über den Philosophen Heidegger.
Das ist es dann aber doch auch, denn der moderne Perieget muß notwendigerweise seine Leser darüber unterrichten, was es denn fachlich mit dem Philosophen auf sich habe. Zimmermann tut dies sehr geschickt. Er zitiert den Philosophen Hans Jonas - auch eine Art Schüler von Heidegger - aus einem kenntnisreichen Interview mit dem Schweizer Journalisten Andreas Isenschmid, und er zitiert ausführlich Heideggers Freiburger Kollegen Jonas Cohn, der 1933 die Universität und später Deutschland verlassen mußte. Beide Stellungnahmen entbehren des Kniefalls und der Eselstritte. Wer sie gelesen hat, kann es damit genug sein lassen zu Heidegger oder sich nach Weiterem umgucken. Zimmermann schreibt auch noch über den "Humanismus" und über die "Gelassenheit", Bruder Fritz dominiert das Kapitel über die "Volksbank", und als der Krieg nach Meßkirch kam, hatte der fünf Jahre Jüngere mehr damit zu tun als der Herr Professor.
Da war doch noch etwas mit Heidegger, erinnert sich der Leser: Heideggers Beziehung zu seiner Studentin Hannah Arendt. Zimmermann berichtet über die "Philosophin" knapp und zuverlässig. Und diskret. Vielleicht zu diskret, was die Rolle von Bruder Fritz in dieser Geschichte und in ähnlichen gewesen sein mag. Martin Heidegger war ein Mann, der die Frauen liebte. Und die liebten ihn. Aber ihre Briefe an ihn sucht man vergeblich. Wo gingen sie hin, wo blieben sie? Bei Fritz? Das gehört sicher nicht in eine Biographie des Autors von "Sein und Zeit". Aber es könnte in eine Geschichte gehören, wie sie Zimmermann aus Meßkirch erzählt. Indes, die Brüder waren klug, beide. Vielleicht gibt es nichts zu erzählen, weil sie dafür gesorgt haben, daß man nichts wissen kann.
JÜRGEN BUSCHE
Hans Dieter Zimmermann: "Martin und Fritz Heidegger". Philosophie und Fastnacht. C. H. Beck Verlag, München 2005. 172 S., 4 Abb., geb., 17,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Hans Dieter Zimmermanns Doppelporträt der Heidegger-Brüder
Dieses Buch ist Ausdruck einer Verlegenheit. Die Figur, um deretwillen es veröffentlicht wurde, ist Martin Heidegger. Aber die Bühne, die hier für seinen Auftritt zurechtgezimmert wird, hat einen anderen Helden: Fritz Heidegger, ein Bankangestellter aus dem beiden Brüdern gemeinsamen Geburtsort Meßkirch, ein zweifellos bemerkenswerter Mann, der nicht nur in seiner Heimat als Fastnachtsredner brillierte, sondern auch sonst als Original galt. Der Philosoph hat ihm einen seiner wichtigsten Aufsatzbände gewidmet: "Dem einzigen Bruder". Der Doppelsinn ist beabsichtigt.
Dieses Buch über die beiden Heideggers und um sie herum ist ein Heimatbuch geworden. Das bedeutet nichts Geringes. Gute Heimatbücher - und dieses ist eines - bleiben länger gegenwärtig als manche hochgerühmten Schriften anderer Genres. Auch ein philosophisch versierter Buchhändler wird sich schwertun, alle Verlage aufzuzählen, die bei dem seit Jahren wachsenden Heidegger-Boom dabeisein wollen. Heideggers Denken hat zwar etliche der wichtigsten Philosophen des zwanzigsten Jahrhunderts stark beeinflußt - vergleichbare Einflüsse auf die kontinentaleuropäische Philosophie kamen von keinem anderen -, aber damit wollen die meisten deutschen Philosophen der Gegenwart kaum noch etwas anfangen. Heideggers Äußerungen gelten als die eines kauzigen Sonderlings. Da mag man ihn als den letzten Vertreter eines untergegangenen Deutschseins in der Philosophie belächeln, da muß man aber, wenn man den hohen Rang seines Denkens zugibt, zurückschrecken vor dem beispiellosen Skandal der Philosophie, daß dieser Mann sich für Hitler und den Nationalsozialismus engagierte.
Der Berliner Literaturwissenschaftler Hans Dieter Zimmermann hat das Buch mit dem Gestus des alten Periegeten Pausanias geschrieben. Ein Wanderer kommt nach Meßkirch, in das "Städtchen", wie das erste Kapitel von 27 überschrieben ist, und findet die Hauptstraße leer. Es ist Samstagnachmittag. So erlebt es Zimmermann, und der Leser, der es in Meßkirch ähnlich erlebt, kann jetzt nach dem schmalen, handlichen Büchlein greifen und zu lesen beginnen: über die Geschichte des Ortes. Der Ort ist berühmt wegen des hier geborenen, hier begrabenen Philosophen. Man erfährt etwas über die Eltern; der Vater war Mesner, Zigarrenraucher und stellte in der eigenen Werkstatt Kübel und Fässer her. Vorfahren stammen aus Österreich. Man erfährt, wie es hier zuging unter Kaiser Wilhelm, wie armer Leute Kinder doch mit Hilfe der katholischen Kirche zum Abitur und zum Studium kamen. Alles gruppiert sich um Meßkirch. Auch der Freiburger Erzbischof Gröber, der ebenfalls auf Hitler hereinfiel, kam hierher. Heidegger wurde zunächst Konviktszögling in Konstanz; hier schenkte ihm Gröber, der das Internat leitete, ein Buch über das Sein, das seinem ganzen späteren Denkweg die Richtung wies. Zu Meßkirch gehörte der Bruder Fritz mehr als Martin. So ist viel von Fritz die Rede. Aber doch nur gerade so viel, daß man sagen kann: Dies ist kein Buch über den Philosophen Heidegger.
Das ist es dann aber doch auch, denn der moderne Perieget muß notwendigerweise seine Leser darüber unterrichten, was es denn fachlich mit dem Philosophen auf sich habe. Zimmermann tut dies sehr geschickt. Er zitiert den Philosophen Hans Jonas - auch eine Art Schüler von Heidegger - aus einem kenntnisreichen Interview mit dem Schweizer Journalisten Andreas Isenschmid, und er zitiert ausführlich Heideggers Freiburger Kollegen Jonas Cohn, der 1933 die Universität und später Deutschland verlassen mußte. Beide Stellungnahmen entbehren des Kniefalls und der Eselstritte. Wer sie gelesen hat, kann es damit genug sein lassen zu Heidegger oder sich nach Weiterem umgucken. Zimmermann schreibt auch noch über den "Humanismus" und über die "Gelassenheit", Bruder Fritz dominiert das Kapitel über die "Volksbank", und als der Krieg nach Meßkirch kam, hatte der fünf Jahre Jüngere mehr damit zu tun als der Herr Professor.
Da war doch noch etwas mit Heidegger, erinnert sich der Leser: Heideggers Beziehung zu seiner Studentin Hannah Arendt. Zimmermann berichtet über die "Philosophin" knapp und zuverlässig. Und diskret. Vielleicht zu diskret, was die Rolle von Bruder Fritz in dieser Geschichte und in ähnlichen gewesen sein mag. Martin Heidegger war ein Mann, der die Frauen liebte. Und die liebten ihn. Aber ihre Briefe an ihn sucht man vergeblich. Wo gingen sie hin, wo blieben sie? Bei Fritz? Das gehört sicher nicht in eine Biographie des Autors von "Sein und Zeit". Aber es könnte in eine Geschichte gehören, wie sie Zimmermann aus Meßkirch erzählt. Indes, die Brüder waren klug, beide. Vielleicht gibt es nichts zu erzählen, weil sie dafür gesorgt haben, daß man nichts wissen kann.
JÜRGEN BUSCHE
Hans Dieter Zimmermann: "Martin und Fritz Heidegger". Philosophie und Fastnacht. C. H. Beck Verlag, München 2005. 172 S., 4 Abb., geb., 17,90 [Euro].
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Dieses Buch des Berliner Literaturwissenschaftlers Hans Dieter Zimmermann ist eine Verlegenheitslösung, aber eine gute, behauptet Jürgen Busche. Und ein gutes Heimatbuch dazu. Eigentlich steht natürlich der Philosoph Martin Heidegger im Mittelpunkt des Interesses, erklärt Busche die Verlegenheit des Autors, seinetwegen interessiere sich die Welt für den kleinen Ort Meßkirch, das Städtchen in Süddeutschland, aus dem Martin Heidegger und sein einziger Bruder Fritz stammten. Als heimlicher Held des Büchleins entpuppt sich allerdings für Busche der Bruder, ein Bankangestellter, Fastnachtsredner und auch sonst ein "Original". Fritz Heidegger war dem Ort mehr verbunden, darum ist in dem Buch auch mehr von ihm die Rede, bringt es Busche auf den Punkt. Aber Zimmermann leistet mehr: eine Orts- und Familiengeschichte, die - auf angenehm sachliche Weise, meint Busche - die politischen Verfehlungen Heideggers zur Sprache kommen lässt. Auch über die Beziehung Martin Heideggers zu Hannah Arendt werde diskret berichtet; Busche fast ein wenig zu diskret, der sich mehr Aufschluss über die zahlreichen Briefe von Heideggers Verehrerinnen versprochen hatte. Hatte er sie beim Bruder vermutet?
© Perlentaucher Medien GmbH
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