Rom im Juni 1936: Der Wiener Autor und Journalist Martin Boldt genießt mit seiner Frau Rosika la dolce vita. Sie besuchen Vorträge, unternehmen mit Freunden Badeausflüge an den Strand von Ostia und trinken reichlich Wermut. Vor dem heißen römischen Sommer will das Paar in die Berge fliehen. Gemeinsam mit dem dubiosen Deutschen Gerhart Hesmert fahren sie mit dem Zug durchs Land. Der drohende Ausbruch des Zweiten Weltkriegs kümmert Martin vorgeblich recht wenig, ganz im Gegensatz zum bekennenden Nazi Hesmert. Dass dieser auch noch unverhohlen um die Gunst der schönen Rosika buhlt, gefällt Martin ganz und gar nicht. Im Laufe der Reise entwickelt sich eine aufgeladene Ménage-à-trois, während sich im faschistischen Italien und im restlichen Europa die politische Lage immer mehr zuspitzt ...
»Er ist ein ausgezeichneter Erzähler, der seine Geschichte mit fesselnder dramatischer Kraft erzählt, wodurch das, was zunächst als Urlaub eines Ausgewanderten erscheint, eine tiefere Bedeutung erlangt.« (The New York Times, 1939)
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Kurz und knapp bespricht Rezensent Martin Lhotzky einen wiederentdeckten Roman des Österreichers Hans Flesch-Brunningen, der 1939 zuerst auf Englisch erschienen war - der Autor musste als linker Expressionist aus Hitler-Deutschland nach London fliehen, erzählt Lhotzky. Der Roman ist 1936 angesiedelt, Italien führt Krieg in Äthiopien, Kanzler Schuschnigg besiegelt den Ausverkauf Österreichs an Hitler, ansonsten weiß der Kritiker das Buch nicht so recht einzuordnen, Alkoholeskapaden kommen ebenso vor wie Spannung und Spionage, erzählerisch ist ihm das Ganze gleichzeitig zu verwirrend und zu schlicht. Eher als "Zeitdokument" denn als anspruchsvolle Lektüre zu lesen, resümiert er.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 12.10.2023Wer ist die Spinne?
Hans Flesch-Brunningens Roman "Maskerade"
Die Ausgangslage: Der Abessinienkrieg ist von Mussolini für beendet erklärt worden, doch die Gefechte, also die italienischen Kriegsverbrechen in Äthiopien, dauern noch fast ein Jahr an. Bald wird Kanzler Kurt Schuschnigg das sogenannte Juliabkommen zwischen dem austrofaschistischen Ständestaat und dem Deutschen Reich unterschreiben, sich also Hitler unterwerfen. Schuschnigg kann nur mehr begrenzt auf Mussolinis Unterstützung hoffen. Es ist Sommer 1936, in Italien herrscht extreme Hitze.
Knapp drei Jahre später erscheint in Großbritannien unter dem Titel "The Blond Spider" und in den Vereinigten Staaten als "Masquerade" unter dem Pseudonym "Vincent Brun" Hans Flesch-Brunningens erster auf Englisch verfasster Roman zur beschrieben Situation. Die Wiener Edition Atelier hat ihn als "Maskerade" nun erstmals auf Deutsch veröffentlicht. Der als Johannes Evangelista Luitpold Flesch Edler von Brunningen 1895 in Brünn, damals Österreich-Ungarn, geborene Autor begann früh zu schreiben. Sein Werk wurde, etwa auch von Heimito von Doderer, dem Expressionismus zugeordnet. Politisch stand er weit links, lebte um 1925 dennoch in Mussolinis Italien auf Capri, übersiedelte 1928 nach Berlin und emigrierte sofort nach Hitlers Machtergreifung nach London. Dort arbeitete er für die BBC. 1963 kehrte er nach Wien zurück. Von 1972 bis zum Tod 1981 war er mit der Schriftstellerin Hilde Spiel verheiratet.
Sein nun wiederentdecktes Buch ist schwer einzuordnen: Unterhaltungsroman, Agentenroman, Spionageroman, Thriller? Der Ich-Erzähler, Dr. Martin Boldt aus Wien, wohnt mit seiner Gattin Rosika in Rom und hat einen Freundeskreis aus seltsamen, eher linken Intellektuellen. Mussolini-Verehrer sind aber auch darunter. Alle trinken ständig, meist Wermut. Sie lernen den jungen, blendend aussehenden Deutschen Hesmert kennen, er ist "strammer Nationalsozialist" - und wohl die titelgebende blonde Spinne. Boldt schwankt zwischen Hass, Freundschaft und Liebe zu Hesmert, vermutet gleiche Gefühle bei Rosika. Sie reisen zu dritt ab, ins nördliche Italien, machen Station etwa in Siena. Ständig saufen sie, bekommen Fieber, ignorieren es oder kurieren sich mittels Alkohol. Erotische Eskapaden werden immer wieder angedeutet. Boldt verdächtigt Hesmert, ein Gestapomann zu sein, der ihn wegen seiner linken Vergangenheit verfolge. Alles endet abrupt und recht blutig. Zuletzt bereitet Boldt seine Rache vor.
Stilistisch ist "Maskerade" eher schlicht gehalten. Gespräche zwischen den Protagonisten enden oft in Zank - oder im Bett. Die Reiseabschnitte sind bisweilen verwirrend. Womit wir zum Schluss kommen: als Zeitdokument durchaus von Interesse, als gehobene Literatur aber nicht zu empfehlen. MARTIN LHOTZKY
Hans Flesch-
Brunningen:
"Maskerade". Roman.
Hrsg. von Wolfgang Straub. Aus dem Englischen von Alexander Pechmann. Edition Atelier, Wien 2023. 287 S., geb., 26,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Hans Flesch-Brunningens Roman "Maskerade"
Die Ausgangslage: Der Abessinienkrieg ist von Mussolini für beendet erklärt worden, doch die Gefechte, also die italienischen Kriegsverbrechen in Äthiopien, dauern noch fast ein Jahr an. Bald wird Kanzler Kurt Schuschnigg das sogenannte Juliabkommen zwischen dem austrofaschistischen Ständestaat und dem Deutschen Reich unterschreiben, sich also Hitler unterwerfen. Schuschnigg kann nur mehr begrenzt auf Mussolinis Unterstützung hoffen. Es ist Sommer 1936, in Italien herrscht extreme Hitze.
Knapp drei Jahre später erscheint in Großbritannien unter dem Titel "The Blond Spider" und in den Vereinigten Staaten als "Masquerade" unter dem Pseudonym "Vincent Brun" Hans Flesch-Brunningens erster auf Englisch verfasster Roman zur beschrieben Situation. Die Wiener Edition Atelier hat ihn als "Maskerade" nun erstmals auf Deutsch veröffentlicht. Der als Johannes Evangelista Luitpold Flesch Edler von Brunningen 1895 in Brünn, damals Österreich-Ungarn, geborene Autor begann früh zu schreiben. Sein Werk wurde, etwa auch von Heimito von Doderer, dem Expressionismus zugeordnet. Politisch stand er weit links, lebte um 1925 dennoch in Mussolinis Italien auf Capri, übersiedelte 1928 nach Berlin und emigrierte sofort nach Hitlers Machtergreifung nach London. Dort arbeitete er für die BBC. 1963 kehrte er nach Wien zurück. Von 1972 bis zum Tod 1981 war er mit der Schriftstellerin Hilde Spiel verheiratet.
Sein nun wiederentdecktes Buch ist schwer einzuordnen: Unterhaltungsroman, Agentenroman, Spionageroman, Thriller? Der Ich-Erzähler, Dr. Martin Boldt aus Wien, wohnt mit seiner Gattin Rosika in Rom und hat einen Freundeskreis aus seltsamen, eher linken Intellektuellen. Mussolini-Verehrer sind aber auch darunter. Alle trinken ständig, meist Wermut. Sie lernen den jungen, blendend aussehenden Deutschen Hesmert kennen, er ist "strammer Nationalsozialist" - und wohl die titelgebende blonde Spinne. Boldt schwankt zwischen Hass, Freundschaft und Liebe zu Hesmert, vermutet gleiche Gefühle bei Rosika. Sie reisen zu dritt ab, ins nördliche Italien, machen Station etwa in Siena. Ständig saufen sie, bekommen Fieber, ignorieren es oder kurieren sich mittels Alkohol. Erotische Eskapaden werden immer wieder angedeutet. Boldt verdächtigt Hesmert, ein Gestapomann zu sein, der ihn wegen seiner linken Vergangenheit verfolge. Alles endet abrupt und recht blutig. Zuletzt bereitet Boldt seine Rache vor.
Stilistisch ist "Maskerade" eher schlicht gehalten. Gespräche zwischen den Protagonisten enden oft in Zank - oder im Bett. Die Reiseabschnitte sind bisweilen verwirrend. Womit wir zum Schluss kommen: als Zeitdokument durchaus von Interesse, als gehobene Literatur aber nicht zu empfehlen. MARTIN LHOTZKY
Hans Flesch-
Brunningen:
"Maskerade". Roman.
Hrsg. von Wolfgang Straub. Aus dem Englischen von Alexander Pechmann. Edition Atelier, Wien 2023. 287 S., geb., 26,- Euro.
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