Bis in unsere Gegenwart hinein wird das Streben nach Erkenntnis als ein gänzlich rationaler Prozeß betrachtet, der allein von der Vernunft und dem Verstand gelenkt wird. Die Studie zeigt auf, daß es neben dem Verstand und neben der Vernunft vor allem die Gefühle sind, die den Vorgang der Erkenntnis in Gang setzen, aufrechterhalten und zu einem überprüfbaren Resultat gelangen lassen. Anhand biographischer Analysen wird dargelegt, daß allein die Verbindung von Denken und Fühlen Menschen dazu befähigt, selbstbestimmt Erkenntnis zu gewinnen. Der Schwerpunkt liegt hierbei auf der Schilderung des schulischen und universitären Werdegangs von Mathematikern in ihren wechselnden Umwelten; aber auch die Entwicklung mathematischer Fähigkeiten bei Straßenkindern in deren Lebenswelten und die Dispositionsentfaltung bekannter Persönlichkeiten werden anhand von biographischen Skizzen beschrieben und modelliert. Die Aufhebung der Widersprüche zwischen Vernunft und Gefühlen in ihrer gemeinsamen Lenkung menschlicher Urteile und Entscheidungen ist Voraussetzung für die Entstehung souveränen Handelns. Dieser Prozeß beginnt bereits in sehr früher Kindheit. Eine solche Erkenntnis hebt die Bedeutung von Erziehungsformen hervor, die die Entstehung einer souveränen Person günstig beeinflussen können: Wechselseitige Toleranz, gleichberechtigtes Ernstnehmen und vor allem die Gefühle der Liebe, der Sicherheit und des Angenommenseins machen Kindern und Jugendlichen Mut, ihren eigenen Verstand zu gebrauchen und dadurch zu innengeleiteten Persönlichkeiten zu werden.