Produktdetails
- Verlag: Ediciones Obradoiro, S.A.
- Seitenzahl: 288
- Erscheinungstermin: Februar 2017
- Galicisch
- Abmessung: 200mm x 140mm
- ISBN-13: 9788416834051
- ISBN-10: 8416834059
- Artikelnr.: 48023043
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 16.12.2022Kleine Wellen nagen am Pfirsich
Die Kinderbuchklassiker von Roald Dahl sind neu übersetzt worden, unter anderem von Andreas Steinhöfel. So klingen Dahls kapriziöse Sprachspielereien jetzt
Als Roald Dahls amerikanischer Verleger Stephen Roxburgh Dahls Manuskript zu „Hexen Hexen“ las, in dem zwei in Mäuse verwandelte Kinder und eine Zigarre qualmende Oma gegen Hexen kämpfen, fand er es klischeehaft, dass eine Hexe behauptete, Lehrerinnen würden beim Anblick einer Maus panisch auf die Tische springen und um Hilfe schreien. Dahl antwortete: „Für Kinder ist das kein Klischee, sondern eine Situation, an der sie Spaß haben werden. Ich muss Sie immer wieder daran erinnern, dass es sich hier um ein Buch für Kinder handelt, und es ist mir völlig egal, was Erwachsene darüber denken. Das war schon immer meine Einstellung.“
Aus dieser Korrespondenz lässt sich viel darüber lernen, was für eine Art Mensch und Autor Roald Dahl war – sperrig und direkt. Entsprechend unkonventionell sind auch seine Kinderbücher. Dahl, sagte sein britischer Kollege Michael Rosen einmal, habe „keine typischen Kindergeschichten geschrieben: Sie sind anarchisch, unverschämt und grausam, mit überschwänglicher Sprache und spielerischer Grobheit“. Böse Tanten werden von einem Riesenpfirsich überrollt und liegen „so flach und leblos wie zwei Anziehpuppen aus Papier“ da. In Willy Wonkas Süßigkeitenfabrik wird ein Junge erst geschrumpft und dann krass in die Länge gezogen, ein anderer entsaftet. Oder Dahl beschreibt, wie bei den abgrundtief abstoßenden „Trottels“ derart ekelhafte Dinge, dass sich den vorlesenden Eltern schon mal ein bisschen der Magen umdreht. Während viele Kinder es sicher großartig finden, wenn er aufzählt, welche Essensreste sich so im Bart von Herrn Trottel angesammelt haben: Spinat, Ketchup, Fischstäbchen und gehackte Hühnchenleber. Roald Dahl hasste Leber, ebenso wie Gesichtsbehaarung.
Seine Kinderbücher unterscheiden sich nicht grundlegend von den Erzählungen für Erwachsene, die Elemente von Satire, Komödie, Fantasy und durchaus auch Horror in sich vereinen. Und doch sind es vor allem die Kinderbücher, die auch 32 Jahre nach Dahls Tod noch immer als Bestseller zu den Klassikern der britischen Jugendliteratur gehören. Vielfach verfilmt und im Falle von „Matilda“ als erfolgreiches Musical vertont.
Bei Penguin Junior ist nun eine Neuübersetzung von sechs der Dahl’schen Kinderbücher erschienen: „Charlie und die Schokoladenfabrik“, „Matilda“ und „Hexen hexen“ – diese jeweils samt Hörbuch, eingelesen von Matthias Matschke, Christoph Maria Herbst und Heike Makatsch – sowie „Der fantastische Mr. Fox“, „James und der Riesenpfirsich“ und „Die Trottels“. Hinzu kommt, erstmals auf Deutsch, das Bilderbuch „Das riesengroße Krokodil“. Außerdem gibt es nun zwei Pappbücher für Kleinkinder, alle bebildert mit Quentin Blakes genialisch elegant hingetuschten Dahl-Illustrationen.
Besorgt wurden die Übersetzungen von deutschen Kinderbuchautoren: dem Mutter-Tochter-Team Sabine und Emma Ludwig („Das schwarze Haus“) sowie Andreas Steinhöfel („Rico und Oskar“). Viele der Bücher waren zuletzt in den Siebzigerjahren ins Deutsche übertragen worden. Steinhöfel hat in einem Verlagsgespräch gesagt, dass diese Übersetzungen nicht schlecht, aber „schon etwas betulich“ seien. Ihn habe vor allem interessiert, wie man damals die „extrem komplizierten Textpassagen und Sprachspielereien übersetzt“ habe.
Im Zweiten Weltkrieg als Kampfpilot im Einsatz, war der 24-jährige Dahl 1940 mit seinem Gloster Gladiator-Doppeldecker über der libyschen Wüste abgestürzt und hatte sich, wie er es nannte, einen „monumentalen Schlag auf den Kopf“ geholt. Dieses Schädeltrauma katalysierte, so sah Dahl es, sein Talent als Autor. Auch seine oft verstörende Enthemmtheit im Umgang mit Menschen und die Vorliebe für amüsante Kunstwörter sind auf das Hirntrauma zurückgeführt worden. Die sprachlichen Neuerfindungen und lautmalerischen Namen stellen bei der Übersetzung jedenfalls tatsächlich die größte Herausforderung dar. Wobei manche, wie etwa „Knüppelkuh“ für die monströse Schuldirektorin Trunchbull in „Matilda“, schon in der Siebzigerjahre-Übersetzung ziemlich unübertrefflich waren, und auch in der neuen wieder auftauchen.
Anderes ist Interpretationssache. Wenn zum Beispiel in „James und der Riesenpfirsich“ besagter Pfirsich ins Meer fällt, steht im Original: „Little waves were bibbling against the side of the peach.“ Die Ludwigs übersetzen mit: „Kleine Wellen nagten an der Seite des Pfirsichs.“ „Bibble“ klingt wie „nibble“, also nagen, man kann das durchaus so übertragen. Laut dem „Oxford Roald Dahl Dictionary“ (ja, das gibt es) bedeutet es allerdings „ein leises, gluckerndes Geräusch machen“. Ein mögliches deutsches Äquivalent wäre „schnuckern“. „Churgle“, so reagieren die Füchse in „Der fantastische Mister Fox“ beim Gedanken an ein Hühnerfestmahl – ein Kofferwort aus „chuckle“, kichern, und „gurgle“, glucksen oder gurgeln. Steinhöfel entscheidet sich für „gackern“, was eine schöne Verbindung zu den verspeisten Hühnern herstellt. Aber warum nicht, zum Beispiel, „kirgeln“?
Man hätte sich also manchmal etwas mehr übersetzerischen Mut bei den Neologismen gewünscht. Die noch anstehende neue deutsche Fassung von „The BFG“ („Der große freundliche Riese“) wird in dieser Hinsicht besondere Anforderungen stellen, weil das Buch wie kein anderes mit Dahlismen gespickt ist. Insgesamt lesen sich die bisher erschienenen Neuübersetzungen aber erfreulich flott. Besonders die seltsame Zischsprache der Hexen („Schfachsinnige Schfätzerin!“) ist schön eingefangen, und dankenswerterweise wird auch nichts durch zeitgeistige Achtsamkeit abgefedert. Die völlig zeitlosen Geschichten selbst, mit ihren kindlichen Helden, grausigen Späßen und kapriziösen Verläufen, werden nun eine neue Generation junger Leser in ihren Bann ziehen. Was Erwachsene darüber denken, ist völlig egal.
ALEXANDER MENDEN
Roald Dahl: Matilda.
Mit Illustrationen von
Quentin Blake. Aus dem Englischen übersetzt von Andreas Steinhöfel.
Penguin Junior, München 2022. 240 Seiten, 18 Euro.
Ab 8 Jahren.
Die Dahl-Neuauflagen
sind bebildert mit
Illustrationen von Quentin Blake. Bild: Verlag
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
Die Kinderbuchklassiker von Roald Dahl sind neu übersetzt worden, unter anderem von Andreas Steinhöfel. So klingen Dahls kapriziöse Sprachspielereien jetzt
Als Roald Dahls amerikanischer Verleger Stephen Roxburgh Dahls Manuskript zu „Hexen Hexen“ las, in dem zwei in Mäuse verwandelte Kinder und eine Zigarre qualmende Oma gegen Hexen kämpfen, fand er es klischeehaft, dass eine Hexe behauptete, Lehrerinnen würden beim Anblick einer Maus panisch auf die Tische springen und um Hilfe schreien. Dahl antwortete: „Für Kinder ist das kein Klischee, sondern eine Situation, an der sie Spaß haben werden. Ich muss Sie immer wieder daran erinnern, dass es sich hier um ein Buch für Kinder handelt, und es ist mir völlig egal, was Erwachsene darüber denken. Das war schon immer meine Einstellung.“
Aus dieser Korrespondenz lässt sich viel darüber lernen, was für eine Art Mensch und Autor Roald Dahl war – sperrig und direkt. Entsprechend unkonventionell sind auch seine Kinderbücher. Dahl, sagte sein britischer Kollege Michael Rosen einmal, habe „keine typischen Kindergeschichten geschrieben: Sie sind anarchisch, unverschämt und grausam, mit überschwänglicher Sprache und spielerischer Grobheit“. Böse Tanten werden von einem Riesenpfirsich überrollt und liegen „so flach und leblos wie zwei Anziehpuppen aus Papier“ da. In Willy Wonkas Süßigkeitenfabrik wird ein Junge erst geschrumpft und dann krass in die Länge gezogen, ein anderer entsaftet. Oder Dahl beschreibt, wie bei den abgrundtief abstoßenden „Trottels“ derart ekelhafte Dinge, dass sich den vorlesenden Eltern schon mal ein bisschen der Magen umdreht. Während viele Kinder es sicher großartig finden, wenn er aufzählt, welche Essensreste sich so im Bart von Herrn Trottel angesammelt haben: Spinat, Ketchup, Fischstäbchen und gehackte Hühnchenleber. Roald Dahl hasste Leber, ebenso wie Gesichtsbehaarung.
Seine Kinderbücher unterscheiden sich nicht grundlegend von den Erzählungen für Erwachsene, die Elemente von Satire, Komödie, Fantasy und durchaus auch Horror in sich vereinen. Und doch sind es vor allem die Kinderbücher, die auch 32 Jahre nach Dahls Tod noch immer als Bestseller zu den Klassikern der britischen Jugendliteratur gehören. Vielfach verfilmt und im Falle von „Matilda“ als erfolgreiches Musical vertont.
Bei Penguin Junior ist nun eine Neuübersetzung von sechs der Dahl’schen Kinderbücher erschienen: „Charlie und die Schokoladenfabrik“, „Matilda“ und „Hexen hexen“ – diese jeweils samt Hörbuch, eingelesen von Matthias Matschke, Christoph Maria Herbst und Heike Makatsch – sowie „Der fantastische Mr. Fox“, „James und der Riesenpfirsich“ und „Die Trottels“. Hinzu kommt, erstmals auf Deutsch, das Bilderbuch „Das riesengroße Krokodil“. Außerdem gibt es nun zwei Pappbücher für Kleinkinder, alle bebildert mit Quentin Blakes genialisch elegant hingetuschten Dahl-Illustrationen.
Besorgt wurden die Übersetzungen von deutschen Kinderbuchautoren: dem Mutter-Tochter-Team Sabine und Emma Ludwig („Das schwarze Haus“) sowie Andreas Steinhöfel („Rico und Oskar“). Viele der Bücher waren zuletzt in den Siebzigerjahren ins Deutsche übertragen worden. Steinhöfel hat in einem Verlagsgespräch gesagt, dass diese Übersetzungen nicht schlecht, aber „schon etwas betulich“ seien. Ihn habe vor allem interessiert, wie man damals die „extrem komplizierten Textpassagen und Sprachspielereien übersetzt“ habe.
Im Zweiten Weltkrieg als Kampfpilot im Einsatz, war der 24-jährige Dahl 1940 mit seinem Gloster Gladiator-Doppeldecker über der libyschen Wüste abgestürzt und hatte sich, wie er es nannte, einen „monumentalen Schlag auf den Kopf“ geholt. Dieses Schädeltrauma katalysierte, so sah Dahl es, sein Talent als Autor. Auch seine oft verstörende Enthemmtheit im Umgang mit Menschen und die Vorliebe für amüsante Kunstwörter sind auf das Hirntrauma zurückgeführt worden. Die sprachlichen Neuerfindungen und lautmalerischen Namen stellen bei der Übersetzung jedenfalls tatsächlich die größte Herausforderung dar. Wobei manche, wie etwa „Knüppelkuh“ für die monströse Schuldirektorin Trunchbull in „Matilda“, schon in der Siebzigerjahre-Übersetzung ziemlich unübertrefflich waren, und auch in der neuen wieder auftauchen.
Anderes ist Interpretationssache. Wenn zum Beispiel in „James und der Riesenpfirsich“ besagter Pfirsich ins Meer fällt, steht im Original: „Little waves were bibbling against the side of the peach.“ Die Ludwigs übersetzen mit: „Kleine Wellen nagten an der Seite des Pfirsichs.“ „Bibble“ klingt wie „nibble“, also nagen, man kann das durchaus so übertragen. Laut dem „Oxford Roald Dahl Dictionary“ (ja, das gibt es) bedeutet es allerdings „ein leises, gluckerndes Geräusch machen“. Ein mögliches deutsches Äquivalent wäre „schnuckern“. „Churgle“, so reagieren die Füchse in „Der fantastische Mister Fox“ beim Gedanken an ein Hühnerfestmahl – ein Kofferwort aus „chuckle“, kichern, und „gurgle“, glucksen oder gurgeln. Steinhöfel entscheidet sich für „gackern“, was eine schöne Verbindung zu den verspeisten Hühnern herstellt. Aber warum nicht, zum Beispiel, „kirgeln“?
Man hätte sich also manchmal etwas mehr übersetzerischen Mut bei den Neologismen gewünscht. Die noch anstehende neue deutsche Fassung von „The BFG“ („Der große freundliche Riese“) wird in dieser Hinsicht besondere Anforderungen stellen, weil das Buch wie kein anderes mit Dahlismen gespickt ist. Insgesamt lesen sich die bisher erschienenen Neuübersetzungen aber erfreulich flott. Besonders die seltsame Zischsprache der Hexen („Schfachsinnige Schfätzerin!“) ist schön eingefangen, und dankenswerterweise wird auch nichts durch zeitgeistige Achtsamkeit abgefedert. Die völlig zeitlosen Geschichten selbst, mit ihren kindlichen Helden, grausigen Späßen und kapriziösen Verläufen, werden nun eine neue Generation junger Leser in ihren Bann ziehen. Was Erwachsene darüber denken, ist völlig egal.
ALEXANDER MENDEN
Roald Dahl: Matilda.
Mit Illustrationen von
Quentin Blake. Aus dem Englischen übersetzt von Andreas Steinhöfel.
Penguin Junior, München 2022. 240 Seiten, 18 Euro.
Ab 8 Jahren.
Die Dahl-Neuauflagen
sind bebildert mit
Illustrationen von Quentin Blake. Bild: Verlag
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de