Die politische Wende von 1989 in der DDR katapultierte Matthias Platzeck in die Politik. Seit damals begleiten ihn die Journalisten Michael Mara und Thorsten Metzner als Korrespondenten in Brandenburg. Authentisch berichten sie über den Weg des Brandenburger Ministerpräsidenten und ehemaligen Deichgrafen an die Spitze der SPD, zu deren Vorsitzendem er im November 2005 mit dem besten Ergebnis seit 1948 gewählt wurde.Die Autoren haben die Karriere dieses ungewöhnlichen Mannes Umweltminister, Oberbürgermeister in seiner Heimatstadt Potsdam, Ministerpräsident Brandenburgs aus nächster Nähe verfolgt. Das ermöglicht Mara und Metzner bisher unbekannte Einblicke in Hintergründe und Herkunft, in Ideen und Visionen des brandenburgischen Ministerpräsidenten, der jetzt die Sozialdemokratie aus ihrer Krise führen soll. Wer aber ist Matthias Platzeck, was hat ihn geprägt? Was macht ihn so glaubwürdig? Wofür steht der neue Hoffnungsträger aus dem Osten? Die Antworten darauf lassen Schlüsse zu, was Deutschland von Matthias Platzeck zu erwarten hat.
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Durchaus gelungen scheint Mechthild Küpper diese Biografie über Matthias Platzeck von Michael Mara und Thorsten Metzner. Sie bescheinigt den Autoren, Korrespondenten für Landespolitik in Brandenburg, den Gegenstand ihrer Biografie aus der Nähe zu kennen. Platzecks persönliche Überzeugungen oder seinen Platz in der SPD aufzuklären, gelinge den Autoren wie auch vielen anderen Beobachtern dennoch nicht. Dafür hält ihnen Küpper zu Gute, den Stil Platzecks und seinen Umgang mit Menschen und Ideen treffend zu beschreiben. Außerdem findet sie die Ausführungen über Platzecks Kindheit und Jugend sowie über seinen Weg in die Politik ziemlich instruktiv.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 21.07.2006Beinhart und charmant
Ein Leben mit "signifikanter Frauendichte": Matthias Platzeck
Diese Biographie kann man getrost nach hinten ins Regal schieben; zum Trödler tragen sollte man sie noch nicht. Denn aus Matthias Platzeck kann noch was werden. Mit 52 Jahren schon SPD-Vorsitzender gewesen, gewählt mit fabelhaften 99,4 Prozent - solche Zustimmung hatte es seit Kurt Schumacher nicht mehr gegeben. So kurze Amtszeiten aber sind sogar bei der SPD selten. Am 15. November 2005 wurde Brandenburgs Ministerpräsident Platzeck SPD-Vorsitzender, am 10. April 2006 trat er wegen akuter Krankheiten - Hörsturz, Nervenzusammenbruch - zurück.
Nun gehört er wieder zur "Kaderreserve" seiner Partei, wie er es ausdrückt. Staunte die Öffentlichkeit im vergangenen Herbst darüber, was seine Partei dem Mann aus Potsdam alles an Reform- und Ausstrahlungskraft zutraute, so hinterließ sein Rücktritt ein tiefes Erschrecken darüber, wie selbstverständlich Spitzenpolitikern ein rücksichtsloser Umgang mit sich selbst abverlangt wird. Anders aber als sein großer Fan Gerhard Schröder strotzt Platzeck nicht vor Ehrgeiz. Er wird gebeten, Verantwortung zu übernehmen - so war es mit dem SPD-Vorsitz, so war es bei der Nachfolge von Stolpe als Ministerpräsident 2002, und so war es mit dem Oberbürgermeisteramt in Potsdam 1998. Seine Biographen kennen ihn aus der Nähe; sie sind Korrespondenten für Landespolitik in Brandenburg. Richtig an die Wäsche gehen sie dem Objekt ihrer Berichterstattertätigkeit daher nicht. Wie andere Beobachter sind sie nicht imstande, Platzecks tiefste Überzeugungen zu finden oder zu beschreiben, wo er in der SPD steht. Sie beschreiben aber seinen Stil, seine Art, mit Ideen, mit anderen umzugehen, und beim Verständnis von Platzeck hilft das weiter als bei anderen Politikern.
An seiner Konstitution, nicht an seinem Programm und nicht vornehmlich an seinen innerparteilichen Feinden ist der Parteivorsitzende also gescheitert, wenn man den Offiziellen glaubt. Weil er also unbeschädigt dorthin zurückkehrt, wo seine Erfolgsgeschichte begann, darf er unbedingt zu den Sozialdemokraten gezählt werden, die für einiges in Frage kommen. Daß er keine Roßnatur besitzt wie andere Berufspolitiker, ist nun sozusagen aktenkundig; seine beiden Biographen fanden schon frühere Belege dafür.
Woher einer wie er kommt, der im Westen durchaus erklärungsbedürftig ist, das erfährt man von ihnen. Sie schildern seine Kindheit in der bildungsbürgerlichen Familie des Hals-Nasen-Ohren-Arztes Hans Platzeck am Tiefen See in Potsdam. Damals schon lebte er in einer Umgebung "signifikanter Frauendichte", mit zwei Schwestern, einem "Mädchen", das der kranken Mutter den Haushalt führte, direkt an der Grenze zu West-Berlin, so daß die Teilung Deutschlands recht anschaulich wurde. Platzeck war ein guter Schüler, war sportlich, beliebt. Sein Herz schlug links - zum Ärger seines Vaters, der ihm im August 1968 gesagt habe: "Deine Kommunisten marschieren gerade in Prag ein." Seine Übereinstimmung mit dem Regime sicherte, daß er nach dem Militärdienst das Fach seiner Wahl studieren konnte: Kybernetik. In Thüringen, in Ilmenau, lernte er die Frau kennen, die er 1977 heiratete und mit der er drei Töchter hat. Da hatte er sich - Wolf Biermann war schon ausgewiesen worden - von der DDR entfernt. In seinem ersten Job am Institut für Lufthygiene in Chemnitz sah der junge Platzeck, wie die sozialistische DDR mit den Ressourcen der Natur aaste. In die SED trat er, wiewohl dazu gedrängt, nicht ein. Seine dritte Stelle führte Platzeck nach Potsdam zurück: Von 1982 an bis zur Revolution 1989 arbeitet er als Abteilungsleiter für Umwelthygiene bei der Kreishygieneinspektion, wo er sich entwickeln konnte - beruflich: mit seinem hedonischen persönlichen Lebensstil, fachlich: in der Umweltpolitik, und politisch: als Schützling eines regimekritischen Abteilungsleiters.
Die Politik kam kurz vor dem Ende der DDR zu Platzeck. Mit anderen zusammen säuberte er im Februar 1988 demonstrativ den Pfingstberg, den die SED wie das historische Potsdam insgesamt verkommen ließ, im April gründete er die Gruppe Argus, "Arbeitsgemeinschaft für Umweltschutz und Stadtgestaltung". So wurde er ein Grüner und ein Politiker. Mitglied aber wurde er im Mai 1989 bei der LDPD; Wochen später trat er bei den Liberalen wieder aus. Als Grüner wurde er Minister - Umweltminister von Brandenburg - und fiel erst Stolpe und dann Schröder auf. Programmatisch mag Platzeck nicht zu plazieren sein. Doch ist er sachorientiert und ideologisch wenig geprägt. So charmant er auftritt, so ungeniert machtbewußt und beinhart kann er bei Bedarf agieren. Er ist populär und hat Freude daran; der (zumeist üblen) Stimmung seiner Brandenburger gibt er nicht nach. Daß er nun wieder in Brandenburg zu zeigen hat, wohin die Politik und seine Talente ihn noch führen, konnten seine Biographen nicht ahnen. Aber warum einige ihm Spitzenpositionen zutrauen, das machen sie plausibel.
MECHTHILD KÜPPER
Michael Mara/Thorsten Metzner: Matthias Platzeck. Die Biographie. Diederichs im Hugendubel Verlag, München 2006. 256 S., 19,95 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Ein Leben mit "signifikanter Frauendichte": Matthias Platzeck
Diese Biographie kann man getrost nach hinten ins Regal schieben; zum Trödler tragen sollte man sie noch nicht. Denn aus Matthias Platzeck kann noch was werden. Mit 52 Jahren schon SPD-Vorsitzender gewesen, gewählt mit fabelhaften 99,4 Prozent - solche Zustimmung hatte es seit Kurt Schumacher nicht mehr gegeben. So kurze Amtszeiten aber sind sogar bei der SPD selten. Am 15. November 2005 wurde Brandenburgs Ministerpräsident Platzeck SPD-Vorsitzender, am 10. April 2006 trat er wegen akuter Krankheiten - Hörsturz, Nervenzusammenbruch - zurück.
Nun gehört er wieder zur "Kaderreserve" seiner Partei, wie er es ausdrückt. Staunte die Öffentlichkeit im vergangenen Herbst darüber, was seine Partei dem Mann aus Potsdam alles an Reform- und Ausstrahlungskraft zutraute, so hinterließ sein Rücktritt ein tiefes Erschrecken darüber, wie selbstverständlich Spitzenpolitikern ein rücksichtsloser Umgang mit sich selbst abverlangt wird. Anders aber als sein großer Fan Gerhard Schröder strotzt Platzeck nicht vor Ehrgeiz. Er wird gebeten, Verantwortung zu übernehmen - so war es mit dem SPD-Vorsitz, so war es bei der Nachfolge von Stolpe als Ministerpräsident 2002, und so war es mit dem Oberbürgermeisteramt in Potsdam 1998. Seine Biographen kennen ihn aus der Nähe; sie sind Korrespondenten für Landespolitik in Brandenburg. Richtig an die Wäsche gehen sie dem Objekt ihrer Berichterstattertätigkeit daher nicht. Wie andere Beobachter sind sie nicht imstande, Platzecks tiefste Überzeugungen zu finden oder zu beschreiben, wo er in der SPD steht. Sie beschreiben aber seinen Stil, seine Art, mit Ideen, mit anderen umzugehen, und beim Verständnis von Platzeck hilft das weiter als bei anderen Politikern.
An seiner Konstitution, nicht an seinem Programm und nicht vornehmlich an seinen innerparteilichen Feinden ist der Parteivorsitzende also gescheitert, wenn man den Offiziellen glaubt. Weil er also unbeschädigt dorthin zurückkehrt, wo seine Erfolgsgeschichte begann, darf er unbedingt zu den Sozialdemokraten gezählt werden, die für einiges in Frage kommen. Daß er keine Roßnatur besitzt wie andere Berufspolitiker, ist nun sozusagen aktenkundig; seine beiden Biographen fanden schon frühere Belege dafür.
Woher einer wie er kommt, der im Westen durchaus erklärungsbedürftig ist, das erfährt man von ihnen. Sie schildern seine Kindheit in der bildungsbürgerlichen Familie des Hals-Nasen-Ohren-Arztes Hans Platzeck am Tiefen See in Potsdam. Damals schon lebte er in einer Umgebung "signifikanter Frauendichte", mit zwei Schwestern, einem "Mädchen", das der kranken Mutter den Haushalt führte, direkt an der Grenze zu West-Berlin, so daß die Teilung Deutschlands recht anschaulich wurde. Platzeck war ein guter Schüler, war sportlich, beliebt. Sein Herz schlug links - zum Ärger seines Vaters, der ihm im August 1968 gesagt habe: "Deine Kommunisten marschieren gerade in Prag ein." Seine Übereinstimmung mit dem Regime sicherte, daß er nach dem Militärdienst das Fach seiner Wahl studieren konnte: Kybernetik. In Thüringen, in Ilmenau, lernte er die Frau kennen, die er 1977 heiratete und mit der er drei Töchter hat. Da hatte er sich - Wolf Biermann war schon ausgewiesen worden - von der DDR entfernt. In seinem ersten Job am Institut für Lufthygiene in Chemnitz sah der junge Platzeck, wie die sozialistische DDR mit den Ressourcen der Natur aaste. In die SED trat er, wiewohl dazu gedrängt, nicht ein. Seine dritte Stelle führte Platzeck nach Potsdam zurück: Von 1982 an bis zur Revolution 1989 arbeitet er als Abteilungsleiter für Umwelthygiene bei der Kreishygieneinspektion, wo er sich entwickeln konnte - beruflich: mit seinem hedonischen persönlichen Lebensstil, fachlich: in der Umweltpolitik, und politisch: als Schützling eines regimekritischen Abteilungsleiters.
Die Politik kam kurz vor dem Ende der DDR zu Platzeck. Mit anderen zusammen säuberte er im Februar 1988 demonstrativ den Pfingstberg, den die SED wie das historische Potsdam insgesamt verkommen ließ, im April gründete er die Gruppe Argus, "Arbeitsgemeinschaft für Umweltschutz und Stadtgestaltung". So wurde er ein Grüner und ein Politiker. Mitglied aber wurde er im Mai 1989 bei der LDPD; Wochen später trat er bei den Liberalen wieder aus. Als Grüner wurde er Minister - Umweltminister von Brandenburg - und fiel erst Stolpe und dann Schröder auf. Programmatisch mag Platzeck nicht zu plazieren sein. Doch ist er sachorientiert und ideologisch wenig geprägt. So charmant er auftritt, so ungeniert machtbewußt und beinhart kann er bei Bedarf agieren. Er ist populär und hat Freude daran; der (zumeist üblen) Stimmung seiner Brandenburger gibt er nicht nach. Daß er nun wieder in Brandenburg zu zeigen hat, wohin die Politik und seine Talente ihn noch führen, konnten seine Biographen nicht ahnen. Aber warum einige ihm Spitzenpositionen zutrauen, das machen sie plausibel.
MECHTHILD KÜPPER
Michael Mara/Thorsten Metzner: Matthias Platzeck. Die Biographie. Diederichs im Hugendubel Verlag, München 2006. 256 S., 19,95 [Euro].
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