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Jürgen Bertram, der fast dreißig Jahre lang für die ARD als Auslandskorrespondent gearbeitet hat, stieß der Frage, inwieweit die Quote das Programm der öffentlich-rechtlichen Sender bestimmt, auf machtbesessene Politiker, selbstgefällige Sender und eine fatale Programmatik, die, wenn der Kurs nicht endlich korrigiert wird, seiner Ansicht nach "in die Sackgasse des Boulevards" führt. Seine schonungslose Analyse versteht der ehemalige Asien-Korrespondent als konstruktiven Beitrag zur Wiederbelebung einer im Grunde erhaltenswerten Idee.

Produktbeschreibung
Jürgen Bertram, der fast dreißig Jahre lang für die ARD als Auslandskorrespondent gearbeitet hat, stieß der Frage, inwieweit die Quote das Programm der öffentlich-rechtlichen Sender bestimmt, auf machtbesessene Politiker, selbstgefällige Sender und eine fatale Programmatik, die, wenn der Kurs nicht endlich korrigiert wird, seiner Ansicht nach "in die Sackgasse des Boulevards" führt. Seine schonungslose Analyse versteht der ehemalige Asien-Korrespondent als konstruktiven Beitrag zur Wiederbelebung einer im Grunde erhaltenswerten Idee.
Autorenporträt
Jürgen Bertram, geboren 1940, hat der Fußball, obwohl er nie in einer Sportredaktion gearbeitet hat, während seiner gesamten 40 Jahre als Journalist begleitet. Als innenpolitischer Mitarbeiter der Deutschen Presseagentur, des SPIEGEL, des FernsehMagazins PANORAMA und sogar in seinen 13 Jahren als ARDKorrespondent in Asien beschäftigte er sich immer wieder mit diesem Sport. Seine SchlüsselBegegnung mit dem Phänomen Fußball hatte Bertram, als er Mitte der siebziger Jahre für den NDR einen Film über die "Helden von Bern" produzierte, jene deutsche Mannschaft, die 1954 die Fußballweltmeisterschaft gewann. Zuletzt bei Scherz von Jürgen Bertram erschienen: "Der Storyjäger". Ein Enthüllungsroman aus der Welt der FernsehNews (2002).
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 16.01.2006

Letzte Ausfahrt Bügelfernsehen

Alles, was Deutschen lieb und teuer ist, verbinden sie mit der Kultur. Die allgemeine Kultur kann sich entsprechend in mannigfache Unterkulturen auffächern, in die Beziehungskultur, die Streitkultur, die politische Kultur, die Eßkultur, die Wohnkultur oder die Fernsehkultur. Von ihr redet Jürgen Bertram mit Grabesstimme wie weiland Jeremias an den Wassern von Babylon. Denn Kulturen haben es so an sich, wie deutsche Kulturträger wissen, aufzublühen, zu reifen, zu altern und endlich unterzugehen. Jürgen Bertram, lange am sausenden Webstuhl der Zeit im Dienst des NDR tätig, schildert in seinem Buch ("Mattscheibe". Das Ende der Fernsehkultur. Fischer Taschenbuch Verlag. Frankfurt am Main, 2006. 240 S., br. 8,95 [Euro]) den Untergang der televisionären Kultur.

Dieser Untergang erschüttert ihn. Verständlicherweise, waren doch seine Mühen im Bewußtsein der gesellschaftlichen Verantwortung des Journalismus umsonst. Er glaubte an das Fernsehen als Medium der Aufklärung, mit dem diese sich vollende, weil es jedem dazu verhelfen solle und könne, die je eigene Urteilsfähigkeit in allen gesellschaftlichen Fragen zu schulen und zu verfeinern. Während des Aufbruchs in die Fernsehkultur hofften Enthusiasten, über "Weltbilder" Lebenshilfe, ja neuen Lebenssinn zu spenden und geschmacklich wie politisch jeden reif zu machen für die demokratische Kultur als Lebenskultur. Solch pädagogisches Programm war den Schweiß der Edlen wert. Es verdient zumindest Respekt, daß Jürgen Bertram die Ideale seiner Jugend weiterhin in Ehren hält und keine Angst davor hat, sich als Idealist verdächtig zu machen.

Allerdings - zurückblickend auf seine "Anstaltsjahre" - erschrickt er, wie bald diese Ideale unter dem Druck der Parteien und Verbände, der Bürokratisierung in den Apparaten und der Ideologisierung der zu ihnen gehörenden, unvermeidlichen Apparatschicks verletzt und verraten wurden. Doktrinäre Enge unter den Angestellten, die nach dem Parteiproporz und nicht nach Qualität ausgewählt wurden, behinderten journalistische Freiheit und ersetzten aufklärerischen Impetus durch parteiische Linientreue.

Jedem Benutzer des Mediums war das schon bekannt, als Bertram noch wie Wagners Parsifal über manches staunte, aber keine Fragen stellen wollte. Der rapide Absturz wurde für ihn seit 1984 durch die Privatisierung und Kommerzialisierung des Fernsehens ausgelöst. Wenn Sendungen nur noch als Ware behandelt werden, die massenhaften Absatz finden muß, erübrigen sich Bedenken des Geschmackes oder Bemühungen, das Publikum gleichsam vor sich selbst zu schützen. Seltsamerweise überrascht es Jürgen Bertram, der sich als "eher links" versteht, immer noch, wie rasch die öffentlich-rechtlichen Sender sich den Bewegungen des hemmungslosen Wettbewerbs fügten, statt auf Niveau auf die Einschaltquoten achteten.

Allerdings, er lebte damals von 1983 bis 1996 als Korrespondent in Asien und war dem deutschen Alltag weitgehend entrückt und damit - welche Labsal für ihn - dem televisionären Amüsierimpressionismus, der sich seitdem auf allen Kanälen breitmachte. Jürgen Bertram setzte sich also erst spät, dann aber desto gründlicher den Höllenqualen aus, die deutsche Fernsehprogramme mit sanften Folterwerkzeugen ihren Zuschauern bereiten. Er teilt uns sein Entsetzen und seinen Abscheu wie bei einem Terroranschlag - immer noch fassungslos - mit, ohne zu ahnen, daß der dauernd gequälte Nutznießer des Fernsehens sich über gar nichts mehr wundert. Er gewöhnte sich, vernünftig und aufgeklärt von Journalisten gemacht, an alles, was Jürgen Bertram irritiert und verletzt: an Korruption, Betrug, Unseriosität, Vetternwirtschaft und zweifelhaftes Geschäftsgebaren gerade unter den Journalisten.

Der Markt und seine Verfechter rufen allen zu: Bereichert Euch! Wenn alle reich werden wollen, warum soll dann ausgerechnet der Journalist ein armer Teufel bleiben? Dafür hat der Zuschauer viel Verständnis, der einzige arme Teufel, dem es mittlerweile sogar gleichgültig ist, ob Schiedsrichter bestechlich sind. Das gehört dazu, damit muß man eben leben. Die Skandalgeschichten, die Jürgen Bertram, die ehrliche Haut, erzürnen und die er mit Lust an der dramatischen Anekdote vorträgt, verursachen im Publikum höchstens Achselzucken und Gähnen.

Das ärgert nun wieder den Aufklärer Bertram, der sich Proteste von verbitterten "Fernsehern" auf der Straße wünscht, um von dort aus ein gutes Programm wenigstens bei den über Gebühren finanzierten öffentlich-rechtlichen Sendern zu erzwingen. Bertram als biederer Sozialdemokrat ist entgeistert angesichts eines leidenschaftslosen Publikums. Der im Weinberg der Intendanten ergraute Journalist steht verzweifelt vor einer Zukunft, in der - wie längst schon üblich beim Radio - Fernsehen ein Begleitphänomen anderer Tätigkeiten wird. Er bekommt Schüttelfrost bei der Vorstellung vom "Bügelfernsehen". Was hat er gegen Bügeln? Selbst Männer halten das längst für eine sinnvolle Beschäftigung. Die Fußballkommentatoren liefern, ohne die rhythmischen Bewegungsabläufe zu verwirren, den Sound zu von vornherein vergessensintensiven Bildern. Kulturen erschöpfen sich. Kulturpessimisten, unter die sich Jürgen Bertram einreiht, könnten aber gerade beim Bügeln neuen Mut schöpfen. Denn es handelt sich dabei - im Gegensatz zum Fernsehen - nicht nur um eine sinnvolle, sondern um eine eminent belebende Tätigkeit, eine wahrhaft schöpferische Restauration - "und neues Leben blüht aus den Ruinen".

EBERHARD STRAUB

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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Mit leichter Häme nimmt Rezensent Eberhard Straub dieses Buch des TV-Journalisten Jürgen Bertram über den Untergang des Mediums Fernsehen auf, das ihm wenig Neues zum Thema zu bieten hatte. Sein Autor zieht besonders auf Grund eines Staunens über allgemein Bekanntes einigen Spott auf sich - wie den Einfluss der Parteien bei den öffentlich-rechtlichen Sendern oder die Kommerzialisierung des Fernsehen seit seiner Privatisierung. "Wie Wagners Parsifal" mute Bertram da manchmal an. Auch scheint der Rezensent die Kritik des Autors an der Banalisierung des Fernsehens insgesamt nicht ganz ernst nehmen zu können, weil dieser in seiner Kritik zu sehr "biederer Sozialdemokrat" und Kulturpessimist sei.

© Perlentaucher Medien GmbH