Sie war der Paradiesvogel des irischen Freiheitskampfs: Maud Gonne, sehr groß, sehr glamourös und sehr eigensinnig. Sie wurde 1866 als Tochter eines englischen Offiziers geboren - und so wie sie Irland liebte, so hasste sie das britische Empire.
Für die Rechtlosen war sie die »Frau von den Feen«, die Wunder bewirkte, für ihre Feinde eine »unkontrollierbare Revolutionärin«. Sie kämpfte auf Seiten der Pachtbauern gegen die Truppen der Landlords, stritt für republikanische Häftlinge, saß selbst im Gefängnis und gründete die erste politische Frauenorganisation Irlands. Unübersehbar und unüberhörbar forderte sie die Kolonialmacht heraus und riskierte jederzeit eine Kugel oder einen Schlag mit dem Gewehrkolben.
Sie war die große Liebe des Dichters und Nobelpreisträgers W. B. Yeats - und sie führte ein geheimes Doppelleben in Paris als Geliebte eines rechten Politikers und Mutter einer kapriziösen Tochter. Ihre spätere Ehe mit einem irischen Helden wurde zum Fiasko, aber ihrKampfgeist blieb ungebrochen.
100 Jahre nach dem Oster-Aufstand, dem Fanal der irischen Unabhängigkeit, ist Maud Gonne noch immer eine Ikone des geistigen und militanten Widerstands. Elsemarie Maletzke erzählt anschaulich und unterhaltsam, wie aus der schönen Offizierstochter eine Revolutionärin und Irlands »heilige Johanna« wurde.
Für die Rechtlosen war sie die »Frau von den Feen«, die Wunder bewirkte, für ihre Feinde eine »unkontrollierbare Revolutionärin«. Sie kämpfte auf Seiten der Pachtbauern gegen die Truppen der Landlords, stritt für republikanische Häftlinge, saß selbst im Gefängnis und gründete die erste politische Frauenorganisation Irlands. Unübersehbar und unüberhörbar forderte sie die Kolonialmacht heraus und riskierte jederzeit eine Kugel oder einen Schlag mit dem Gewehrkolben.
Sie war die große Liebe des Dichters und Nobelpreisträgers W. B. Yeats - und sie führte ein geheimes Doppelleben in Paris als Geliebte eines rechten Politikers und Mutter einer kapriziösen Tochter. Ihre spätere Ehe mit einem irischen Helden wurde zum Fiasko, aber ihrKampfgeist blieb ungebrochen.
100 Jahre nach dem Oster-Aufstand, dem Fanal der irischen Unabhängigkeit, ist Maud Gonne noch immer eine Ikone des geistigen und militanten Widerstands. Elsemarie Maletzke erzählt anschaulich und unterhaltsam, wie aus der schönen Offizierstochter eine Revolutionärin und Irlands »heilige Johanna« wurde.
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Mit gemischten Gefühlen hat Rezensent Benedikt Stuchtey Elsemarie Maletzkes Biografie der irischen Sozialistin und Feministin Maude Gonne gelesen. Die Lebensgeschichte der ebenso faszinierenden wie ambivalenten Frau, die als Schauspielerin in William Butler Yeats' Einakter "Cathleen ni Houlihan" größte Erfolge feierte und sich derart geschichtsblind für die irische Unabhängigkeit einsetzte, dass sie auch mit dem Faschismus und dem Kommunismus sympathisierte, findet der Kritiker überzeugend und gut recherchiert. Mit Interesse liest Stuchtey auch von Gonnes feministischem Engagement. Die Geschichte Irlands erscheint ihm in diesem Buch allerdings zu "oberflächlich" skizziert; darüber hinaus hätten einige sprachliche Fehler durch ein genaueres Lektorat verhindert werden können, moniert der Kritiker.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 30.04.2016Gegen England waren ihr alle Verbündeten recht
Sozialistin, Feministin, Theosophin: Elsemarie Maletzkes Biographie der kämpferischen Irin Maud Gonne
Von den nahezu vergessenen Gesichtern Irlands der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts ist ihres sicherlich eines der schönsten. Wenn Maud Gonne, groß gewachsen und mit bronzenem Haar, den Raum betrat, verstummte das Gespräch. Es richteten sich die Blicke auf eine Frau, die bereits ihren Zeitgenossen als Legende galt. Umstritten und umworben, begehrt und begierig, das Leben mit aller Kraft zu ergreifen: Wenige machten wie sie in jeder Hinsicht die Revolution zum Programm eines rastlosen Lebens. .Maud Gonne ist eine der auffallendsten Figuren ihrer Zeit, besonders aber der Jahre zwischen 1890 und 1939.
Keiner liebte sie so verzweifelt und so obsessiv wie Yeats. Über achtzig Gedichte widmete er ihr. Die Titelrolle in seinem berühmten, 1902 uraufgeführten Einakter "Cathleen ni Houlihan" spielte sie so hinreißend, dass das Dubliner Abbey Theatre es bis zum Zweiten Weltkrieg in seinem Repertoire behielt. Als Personifikation Irlands ließ der Dichter Cathleen über die Insel ziehen und junge Männer für den Freiheitskampf gegen England rekrutieren. Während Yeats die Poesie in den Dienst der freiheitlichen Sache stellte, stellte Gonne sich in den Dienst der Nation und ihrer selbst. Als sie im Jahr 1938, inzwischen längst über den Zenit ihrer weltweiten Bekanntheit hinaus, ihre insgesamt allzu geschönte Autobiographie "A Servant of the Queen" veröffentlichte, wollte sie nicht lediglich als Dienerin ihres Landes erinnert werden. Die Rolle der Königin sollte ihr selbst vorbehalten sein.
Elsemarie Maletzke schreibt die Lebensgeschichte von Maud Gonne nahe an den Quellen und deckt darin viele Ambivalenzen auf. Die Kämpferin für Irlands Freiheit, die im Westen Donegals Pachtbauern vor brutaler Vertreibung und Hungersnot zu schützen versuchte und in den Vereinigten Staaten Gelder und Sympathien einwarb, war in erster Ehe mit einem französischen, antisemitischen Nationalisten liiert, der Deutschland so verabscheute wie sie das Britische Empire. Vehement kritisierte sie den anglo-irischen Vertrag von 1921 und unterstützte die Familien inhaftierter Rebellen. Die Blindheit für die Feinde ihres Feindes ließ sie im Alter Sympathien für den Faschismus und Kommunismus entwickeln, so wie sie zeitlebens auch militante Aktivitäten der IRA billigte.
Die Tochter eines englischen Offiziers entschied sich für Irlands Schicksal, konvertierte zum Katholizismus und machte sich ein einfaches Geschichtsbild zurecht, das feine Zwischentöne verbot. Die Provinzialisierung Irlands überwand sie aber weder mit Hilfe der von ihr 1897 gegründeten Zeitschrift "L'Irlande Libre" noch mit ihrer Beteiligung an einer der bemerkenswertesten feministischen Organisationen der Jahrhundertwende, Inghínidhe na hÉireannd ("Töchter Irlands"). Diese revolutionäre Frauenvereinigung setzte sich seinerzeit das Ziel, für 30 000 Schulkinder eine Gegenveranstaltung zum offiziellen Irland-Besuch Königin Viktorias zu organisieren.
Doch weil Maud Gonne das Bild von sich pflegte, ungebunden und unberechenbar zu sein, assoziierte sie sich mal mit den irischen Sozialisten, mal mit den französischen Republikanern, immer in der Hoffnung, ein Bündnis gegen die Engländer zu schmieden. Entgegen Maletzkes Darstellung war Dublin aber keineswegs "die zweite Stadt des Empires", da würden die Einwohner Glasgows oder Liverpools, Hongkongs, Singapurs oder Sidneys zu Recht protestieren. Auch sollten die Großgrundbesitzer, Gonnes und Maletzkes Feindbild Nummer eins, von denen auch nicht alle protestantisch waren, nicht fortwährend "Landjunker" genannt werden. So beeindruckend die Kenntnisse der Autorin von Maud Gonnes Leben sind, so oberflächlich bleiben die Skizzen der Geschichte Irlands, von dem wir als "Sorgeninsel" oder "schimmeliges Land" lesen. Generell hätte ein strengeres Lektorat so manche sprachlichen Schnitzer verhindern können.
Die irische Frage war um 1900 längst auch zu einer internationalen Angelegenheit geworden, weit über den selbstreferentiellen, insularen Nationalismus hinaus. Die Irin Annie Besant, wie Gonne Sozialistin und Theosophin, hatte internationale Beziehungen geknüpft und wirkte in Indien. Sie unterstützte streikende Arbeiter und wusste, dass der Kampf gegen Armut und für nationale Selbstbestimmung durchaus zwei Seiten der gleichen Münze darstellten. Im Vergleich zu Besant, die bei Maletzke keine Erwähnung findet, blieb Gonne deutlicher einer klein-irischen Perspektive verhaftet. Sie schätzte die Möglichkeiten, Irlands Zukunft auch mit den Mitteln der irischen Diaspora mitzugestalten, zu gering ein - es sei denn, es eröffneten sich damit für sie persönliche Perspektiven. Dass sie John MacBride heiratete, war weniger der Liebe als ihrer Verehrung für einen irischen Kämpfer auf Seiten der Buren im südafrikanischen Krieg und Osterrebellen von 1916 zuzuschreiben. Ihr gemeinsam geplantes Attentat auf den englischen König Edward VII. scheiterte so wie ihre Ehe auch. Danach urteilte sie in einem Interview für die "New York Evening World", für jede intelligente Frau sei die Ehe prinzipiell ein beklagenswerter Zustand.
Maud Gonne, das wird mit dieser neuen Biographie deutlich, lebte zwischen den Welten - wenn sie in Dubliner Suppenküchen arbeitete, ohne ihren aufwendigen Federhut abzunehmen, und in ihrem Ferienhaus in der Normandie Yeats empfing, um mit ihm als einem Mitglied des "Ordens zur Goldenen Morgenröte" über Okkultismus zu philosophieren. Vielleicht war Yeats letztlich der Einzige, der sie wirklich verstand.
BENEDIKT STUCHTEY
Elsemarie Maletzke: "Maud Gonne". Ein Leben für Irland.
Insel Verlag, Berlin 2016. 318 S., Abb., geb., 24,95 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Sozialistin, Feministin, Theosophin: Elsemarie Maletzkes Biographie der kämpferischen Irin Maud Gonne
Von den nahezu vergessenen Gesichtern Irlands der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts ist ihres sicherlich eines der schönsten. Wenn Maud Gonne, groß gewachsen und mit bronzenem Haar, den Raum betrat, verstummte das Gespräch. Es richteten sich die Blicke auf eine Frau, die bereits ihren Zeitgenossen als Legende galt. Umstritten und umworben, begehrt und begierig, das Leben mit aller Kraft zu ergreifen: Wenige machten wie sie in jeder Hinsicht die Revolution zum Programm eines rastlosen Lebens. .Maud Gonne ist eine der auffallendsten Figuren ihrer Zeit, besonders aber der Jahre zwischen 1890 und 1939.
Keiner liebte sie so verzweifelt und so obsessiv wie Yeats. Über achtzig Gedichte widmete er ihr. Die Titelrolle in seinem berühmten, 1902 uraufgeführten Einakter "Cathleen ni Houlihan" spielte sie so hinreißend, dass das Dubliner Abbey Theatre es bis zum Zweiten Weltkrieg in seinem Repertoire behielt. Als Personifikation Irlands ließ der Dichter Cathleen über die Insel ziehen und junge Männer für den Freiheitskampf gegen England rekrutieren. Während Yeats die Poesie in den Dienst der freiheitlichen Sache stellte, stellte Gonne sich in den Dienst der Nation und ihrer selbst. Als sie im Jahr 1938, inzwischen längst über den Zenit ihrer weltweiten Bekanntheit hinaus, ihre insgesamt allzu geschönte Autobiographie "A Servant of the Queen" veröffentlichte, wollte sie nicht lediglich als Dienerin ihres Landes erinnert werden. Die Rolle der Königin sollte ihr selbst vorbehalten sein.
Elsemarie Maletzke schreibt die Lebensgeschichte von Maud Gonne nahe an den Quellen und deckt darin viele Ambivalenzen auf. Die Kämpferin für Irlands Freiheit, die im Westen Donegals Pachtbauern vor brutaler Vertreibung und Hungersnot zu schützen versuchte und in den Vereinigten Staaten Gelder und Sympathien einwarb, war in erster Ehe mit einem französischen, antisemitischen Nationalisten liiert, der Deutschland so verabscheute wie sie das Britische Empire. Vehement kritisierte sie den anglo-irischen Vertrag von 1921 und unterstützte die Familien inhaftierter Rebellen. Die Blindheit für die Feinde ihres Feindes ließ sie im Alter Sympathien für den Faschismus und Kommunismus entwickeln, so wie sie zeitlebens auch militante Aktivitäten der IRA billigte.
Die Tochter eines englischen Offiziers entschied sich für Irlands Schicksal, konvertierte zum Katholizismus und machte sich ein einfaches Geschichtsbild zurecht, das feine Zwischentöne verbot. Die Provinzialisierung Irlands überwand sie aber weder mit Hilfe der von ihr 1897 gegründeten Zeitschrift "L'Irlande Libre" noch mit ihrer Beteiligung an einer der bemerkenswertesten feministischen Organisationen der Jahrhundertwende, Inghínidhe na hÉireannd ("Töchter Irlands"). Diese revolutionäre Frauenvereinigung setzte sich seinerzeit das Ziel, für 30 000 Schulkinder eine Gegenveranstaltung zum offiziellen Irland-Besuch Königin Viktorias zu organisieren.
Doch weil Maud Gonne das Bild von sich pflegte, ungebunden und unberechenbar zu sein, assoziierte sie sich mal mit den irischen Sozialisten, mal mit den französischen Republikanern, immer in der Hoffnung, ein Bündnis gegen die Engländer zu schmieden. Entgegen Maletzkes Darstellung war Dublin aber keineswegs "die zweite Stadt des Empires", da würden die Einwohner Glasgows oder Liverpools, Hongkongs, Singapurs oder Sidneys zu Recht protestieren. Auch sollten die Großgrundbesitzer, Gonnes und Maletzkes Feindbild Nummer eins, von denen auch nicht alle protestantisch waren, nicht fortwährend "Landjunker" genannt werden. So beeindruckend die Kenntnisse der Autorin von Maud Gonnes Leben sind, so oberflächlich bleiben die Skizzen der Geschichte Irlands, von dem wir als "Sorgeninsel" oder "schimmeliges Land" lesen. Generell hätte ein strengeres Lektorat so manche sprachlichen Schnitzer verhindern können.
Die irische Frage war um 1900 längst auch zu einer internationalen Angelegenheit geworden, weit über den selbstreferentiellen, insularen Nationalismus hinaus. Die Irin Annie Besant, wie Gonne Sozialistin und Theosophin, hatte internationale Beziehungen geknüpft und wirkte in Indien. Sie unterstützte streikende Arbeiter und wusste, dass der Kampf gegen Armut und für nationale Selbstbestimmung durchaus zwei Seiten der gleichen Münze darstellten. Im Vergleich zu Besant, die bei Maletzke keine Erwähnung findet, blieb Gonne deutlicher einer klein-irischen Perspektive verhaftet. Sie schätzte die Möglichkeiten, Irlands Zukunft auch mit den Mitteln der irischen Diaspora mitzugestalten, zu gering ein - es sei denn, es eröffneten sich damit für sie persönliche Perspektiven. Dass sie John MacBride heiratete, war weniger der Liebe als ihrer Verehrung für einen irischen Kämpfer auf Seiten der Buren im südafrikanischen Krieg und Osterrebellen von 1916 zuzuschreiben. Ihr gemeinsam geplantes Attentat auf den englischen König Edward VII. scheiterte so wie ihre Ehe auch. Danach urteilte sie in einem Interview für die "New York Evening World", für jede intelligente Frau sei die Ehe prinzipiell ein beklagenswerter Zustand.
Maud Gonne, das wird mit dieser neuen Biographie deutlich, lebte zwischen den Welten - wenn sie in Dubliner Suppenküchen arbeitete, ohne ihren aufwendigen Federhut abzunehmen, und in ihrem Ferienhaus in der Normandie Yeats empfing, um mit ihm als einem Mitglied des "Ordens zur Goldenen Morgenröte" über Okkultismus zu philosophieren. Vielleicht war Yeats letztlich der Einzige, der sie wirklich verstand.
BENEDIKT STUCHTEY
Elsemarie Maletzke: "Maud Gonne". Ein Leben für Irland.
Insel Verlag, Berlin 2016. 318 S., Abb., geb., 24,95 [Euro].
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»Vielleicht das Schönste an diesem Buch: dass es das Leben in seiner absurden Widersprüchlichkeit feiert.« Susanne Mayer DIE ZEIT 20160825