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"Die Collage ist das Herz des gesamten Werkes von Max Ernst." (Rheinische Post)
Max Ernsts Collagen sind poetisch montierte Verfremdungen der Wirklichkeit. Werner Spies, profunder Kenner der Werke von Max Ernst, ist im vorliegenden Band über Bestandsaufnahme und Beschreibung hinaus der überzeugende Nachweis gelungen, dass das Montageprinzip der Collage der gesamten Kunst von Max Ernst zu Grunde liegt.
"Fleiß und Spürsinn haben Spies zur lückenlosen Kenntnis des Materials verholfen; seine Arbeit teilt das mit, was man die souveräne Beherrschung einer Partitur nennt." (Die Zeit)

Produktbeschreibung
"Die Collage ist das Herz des gesamten Werkes von Max Ernst." (Rheinische Post)

Max Ernsts Collagen sind poetisch montierte Verfremdungen der Wirklichkeit. Werner Spies, profunder Kenner der Werke von Max Ernst, ist im vorliegenden Band über Bestandsaufnahme und Beschreibung hinaus der überzeugende Nachweis gelungen, dass das Montageprinzip der Collage der gesamten Kunst von Max Ernst zu Grunde liegt.

"Fleiß und Spürsinn haben Spies zur lückenlosen Kenntnis des Materials verholfen; seine Arbeit teilt das mit, was man die souveräne Beherrschung einer Partitur nennt." (Die Zeit)
Autorenporträt
Werner Spies wurde 1937 in Tübingen geboren und wuchs in Rottenburg am Neckar auf. Er studierte Philosophie, Kunstgeschichte und Romanistik in Wien, Paris und Tübingen. Seit 1975 Lehrstuhl für die Kunst des 20. Jahrhunderts an der Kunstakademie in Düsseldorf. Von 1997 bis 2000 Direktor des Musée National d´Art Moderne am Pariser Centre Georges Pompidou. Werner Spies ist Mitglied der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung und gehört der französischen Ehrenlegion an. In Paris freundete er sich mit Künstlern wie Marcel Duchamp und den Giacometti-Brüdern an. Einflussreich auf seine späteren Arbeiten war schließlich auch seine persönliche Bekanntschaft mit Max Ernst und Pablo Picasso: "Ich glaube, die Beschäftigung mit Kunst, die nicht nur lebt, sondern hinter der auch ein erkennbares Denken und Fühlen stehen, ist eine Notwendigkeit. Ich sehe einen Vorteil darin, über Picasso und Max Ernst gearbeitet zu haben, weil ich sie gekannt habe." (Stgt. Ztg., 1997). Organisation zahlreicher Ausstellungen in Paris, Düsseldorf, Stuttgart, Tübingen, Tokio und Berlin mit Werken von Max Ernst und Picasso. Weiter beschäftigte sich Werner Spies auch mit dem Werk französischer Schriftsteller. Neben anderen übersetzte er Werke von Marguerite Duras und Nathalie Sarraute ins Deutsche. Journalistische Arbeit, u. a. aus Paris für die Frankfurter Allgemeine Zeitung.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 23.01.2006

Seine Augen trinken in seinem Sehkreis alles
Die Sucht nach Beeinflussung: Leben und Werk von Max Ernst in einer umfassenden Dokumentation

Als im Sommer vergangenen Jahres in New York die große Max-Ernst-Retrospektive in Sälen des Metropolitan Museum, die sonst die Alten Meister beherbergen, gezeigt wurde, da wirkten die Bilder des alten Surrealisten wie die eines Bewohners der Suite, der nach langer Abwesenheit zurückgekehrt war, in die Nachbarschaft des "guten" neunzehnten Jahrhunderts, von Daumier, Millet oder van Gogh: der unermüdliche Neuerer als ein letzter Sproß der europäischen Malerei, die in diesem Museum in großartiger Fülle anzutreffen ist. Durchblättert man die Sammlung von Zeugnissen zu Leben und Werk Max Ernsts, die Werner Spies als Dokumentarband zum "OEuvre-Katalog" komponiert hat, verstärkt sich dieser Eindruck der New Yorker Retrospektive: "Leben und Werk" eines Künstlers im Zusammenhang zu präsentieren ist ein so traditionelles Unterfangen, als sollte der Altavantgardist heimgeholt werden in jenes Künstlertum, mit dem die Moderne aufräumen wollte, das neunzehnte Jahrhundert, von dem sich der junge Max Ernst als Dada-Künstler vehement und endgültig verabschiedet hatte. Es paßt dazu, daß er unlängst in seiner Geburtsstadt Brühl ein Museum erhalten hat, das sich in die Tradition der Künstlerhäuser des neunzehnten Jahrhunderts einreiht.

Max Ernst ein Traditionalist, ein Klassiker gar? Bei aller revolutionären Erregung seiner Anfänge sieht man beim Durchblättern der faszinierenden Dokumentation seiner frühen Jahre vielleicht deutlicher als je zuvor, daß Max Ernst dem Malerhandwerk verbunden blieb, auch wenn er von Anfang an nach Arbeitsmethoden Ausschau hielt, die sich vom traditionellen Handwerk meilenweit entfernten. Selbst als Dadaist war Max Ernst ein Handwerkerkünstler, der die Aufbruchsstimmung nach dem Ersten Weltkrieg in die Bahnen einer Werkdisziplin lenkte, die erst vom Ende des OEuvres her in ihrer Konsequenz sichtbar wird.

Seine Collagetechnik, die er 1919 entwickelte, setzte nicht nur eine herkömmliche Illustrationskunst zum bloßen Material herab, sondern war vielmehr, wie man seit den Untersuchungen von Werner Spies weiß, eine Art Fortarbeiten mit der Tradition gerade in ihren banalsten und am tiefsten sitzenden Prägungen. Es handelt sich weniger um jenes sprichwörtliche Phänomen der späten Milde eines Revolutionärs, der sich selbst klassisch wird - dafür wird man bei Max Ernst kaum einen Beleg finden -, als vielmehr um eine Beharrlichkeit in den Verfahrensweisen seiner Kunst, bei äußerstem Variantenreichtum ihrer Erscheinung.

Wilde Experimente

Eine entscheidende Voraussetzung dafür war, daß Max Ernst, 1891 geboren und Soldat im Ersten Weltkrieg, schon früh einen unüberbrückbaren Einschnitt zwischen seiner revolutionären, dadaistischen Phase unmittelbar nach dem Krieg und seinem späteren Werk gemacht hat. Danach blieb die Zeit der wilden Experimente und Provokationen ein ständiger Bezugspunkt seines Schaffens, doch eine Fortsetzung hielt er für unmöglich. Er verbot sie sich ausdrücklich: "Als wir dadaistische Gemälde oder Objekte gemacht haben, war das eine Tat. Eine wiederholte Tat ist keine Tat mehr." Die Versuche, zu Anfang der sechziger Jahre "Neo-Dada" zu schaffen, erschienen ihm lächerlich, und nicht anders urteilte er auch über die erste Dada-Retrospektive.

Diese Haltung wirft ein bezeichnendes Licht auf das OEuvre von Max Ernst. Es ist nicht als Fortsetzung jener frühen Impulse zu sehen, es ist keine Wiederaufnahme und auch kein Kommentar zu seinen Anfängen. Es entnimmt ihnen Verfahrensweisen und reichert sie mit neuen maltechnischen oder graphischen Erfindungen an, die kunstvolle, poetische Namen tragen: Frottage, Décalcomanie, Dripping. Im Idealfall würde jedes Werk aus einer spezifischen Verfahrensweise hervorgehen. Das OEuvre, das in den zwanziger Jahren beginnt, besteht aus unabschließbaren Sequenzen solcher Verfahrensentscheidungen, entwickelt sich aus deren Vorgaben und wird von einem höchst reflektierten Bewußtsein begleitet, analysiert und für die Außenwelt kommentiert.

Den Abstand zu den revolutionären Anfängen hat Max Ernst mehrmals durch Berichte über Erleuchtungserlebnisse oder Visionen bezeichnet, deren Artifizialität nicht zu übersehen ist und die allein der Stabilisierung des künstlerischen Wollens dienen. So will er das Verfahren der Collage und später das der Frottage in einer visionären Erregung entdeckt haben, die er mit präzisem Datum verzeichnet. Die Künstlervita verliert durch solche Einschnitte ihr Eigenrecht und wird zu einem Werkbestandteil. So muß die Formel "Leben und Werk" eigentlich umgekehrt werden: Nur als Facette des OEuvres ist die Biographie bedeutsam, das Leben bedarf keiner künstlerischen Überhöhung und Weihe wie noch bei vielen Künstlern des neunzehnten Jahrhunderts.

Es ist deswegen eine glückliche Entscheidung gewesen, der vorliegenden Dokumentation als Rückgrat die "Biographischen Notizen" von 1962 einzuziehen, eine Sammlung und Komplettierung von biographischen Reflexionen seit den zwanziger Jahren, ein kleines Lebenswerk, das die in Katalogen verbreitete Rubrik der biographischen Notiz in ein selbständiges Genre verwandelte. Das distanzierte "Er", das Max Ernst konsequent an die Stelle des "Ich" treten ließ, schützte vor Geständnissen und gab ihm Spielraum für Szenisches, wie aus einem Schelmenroman: "Vermeidet sorgfältig alle Studien, die zum Broterwerb ausarten können. Matt. Verschlingt wahllos alles, was ihm an Literatur in die Hände fällt. Läßt sich von allem ,beeinflussen', läßt sich gehen, nimmt sich wieder zusammen, usw. Resultat: Chaos im Kopf." Die Sucht nach Beeinflussung entsprach seiner Neigung zum Romantischen, das ihn dazu verführte, sich in allem wiederzufinden.

Sobald es aber um Malerei ging, trat an die Stelle der Sucht nach Beeinflussung ein Unbeeindrucktsein von allem, was auf ihn einströmte: "Seine Augen trinken alles, was in den Sehkreis kommt, jedoch mit mehr Wahl: er liebt van Gogh, Gauguin, Goya, Seurat, Matisse, Macke, Kandinsky u. a." Aber er studierte sie nicht: "Malereistudien: keine." Um so mehr hat er seine eigene Biographie zum Gegenstand subtilster Studien gemacht. Ständig bearbeitete er sie, arbeitete sie um, wie es der Augenblick nahelegte. So stand die Darstellung seines Lebens von Anfang an unter dem doppelten Stichwort von Wahrheit und Lüge: "Wahrheitsgewebe - Lügengewebe" lautet der Untertitel der "Biographischen Notizen" von 1962. Assoziationen, Kindheitserinnerungen, Überlegungen und Erklärungen treten gleichrangig neben die Lebensdaten. Auffallend respektvoll wird allerdings die Chronologie behandelt. Sie ist der neutrale Rahmen für all das Irreguläre, das er einfaßt. Wie jede Ordnung, generiert auch die Chronologie den Zufall, der sich in ihr frei ergeht.

Die Liquidierung des schöpferischen Künstlers, des Genies mit überirdischen Gaben, die von der modernen Kunst mit so viel verbissener Wut betrieben wurde, hat, jedenfalls bei Max Ernst, eine alles berührende, rastlose Findigkeit freigesetzt: Abenteurertum als Werkstrategie. Nicht zu übersehen ist auch hier eine Konkordanz von Werk und Leben. Max Ernsts Leben in Deutschland endete schon 1921, mit dem Aufbruch nach Paris in den Kreis der Surrealisten, die ihn schon in Deutschland entdeckt und in Köln besucht hatten.

Abenteurertum als Strategie

Zwanzig Jahre später, von 1941, als er vor den Nationalsozialisten in die Vereinigten Staaten fliehen mußte, bis 1949 schloß sich das amerikanische Abenteuer an, das er nicht so sehr in den Künstlerkreisen New Yorks als in einer Eremitage in der Wüste suchte. Bis zu seinem Tod am 1. April 1976 in der Nacht vor seinem 85. Geburtstag lebte er schließlich wieder in seiner künstlerischen Heimat Frankreich. Die letzte Eintragung für seine "Biographischen Notizen", mit der Werner Spies die faszinierende Dokumentation beschließt, lautet in einer für Max Ernst bezeichnenden Verbindung von Anmut und Eigensinn: "Letzte Frage. Max Ernst gestattet sich, seinen strengen Lesern und sanften Leserinnen die Frage zu stellen, ob er die schmeichelhafte Benennung verdient, die ihm einer der größten (und verkanntesten) Dichter unserer Zeit (René Crevel) angeboten hat: Der Zauberer der kaum spürbaren Verrückungen."

Zum ersten Mal wird in diesem Kompendium die bildlich-sprachliche Doppelstrategie sichtbar, die Max Ernsts Leben und Werk in eine märchenhafte Balance bringt. Gleichmaß und Niveau seiner Selbstäußerungen, aber auch der in umsichtiger Regie hinzugezogenen Kommentare der Künstlerkollegen und Kritiker erstaunt. Dies ist nicht etwa nur der strengen Auswahl der Zeugnisse zuzuschreiben, sondern es offenbart eine Eigenart der intellektuell anspruchsvollen, nie verbohrten und auf subtile Art mitteilsamen künstlerischen Methode Max Ernsts. Er spielt mit dem Sinn, statt ihn zu verordnen oder aufzudrängen. Die Botschaft ist so weiträumig angelegt, daß der Betrachter nie in Versuchung kommt, sie an dieser oder jener Stelle abschöpfen zu wollen. Diese Strategie einer stets wachen Reflexionskontrolle dürfte für die erstaunliche Tatsache verantwortlich sein, daß die innere und äußere Sprachschicht dieses Werks mit den Jahren kaum gealtert ist.

HENNING RITTER

"Max Ernst". Leben und Werk. Herausgegeben von Werner Spies. DuMont Verlag, Köln 2005. 351 S., 30 Farb- u. 300 SW-Abb., geb., 49,90 [Euro].

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"Fleiß und Spürsinn haben Spies zur lückenlosen Kenntnis des Materials verholfen; seine Arbeit teilt das mit, was man die souveräne Beherrschung einer Partitur nennt." (Die Zeit)