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Eine deutsche Legende
Die erste vollständige und kritische Biographie
Der erste deutsche Weltmeister im Boxen zählt zweifellos zu den populärsten Deutschen des 20. Jahrhunderts. Volker Kluge zeichnet in dieser Biographie ein ungeschöntes Bild der Sportler-Legende und nutzt dabei zum Teil vollkommen neue Dokumente.
Mit dem Namen Max Schmeling ist eine Aufsteigergeschichte verbunden, wie man sie sonst nur in Amerika für möglich hält: Nachdem der Sohn eines Hamburger Steuermanns als 16jähriger den Boxkampf zwischen Jack Dempsey und Georges Carpentier im Kino gesehen hat, beschließt er,
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Produktbeschreibung
Eine deutsche Legende

Die erste vollständige und kritische Biographie

Der erste deutsche Weltmeister im Boxen zählt zweifellos zu den populärsten Deutschen des 20. Jahrhunderts. Volker Kluge zeichnet in dieser Biographie ein ungeschöntes Bild der Sportler-Legende und nutzt dabei zum Teil vollkommen neue Dokumente.

Mit dem Namen Max Schmeling ist eine Aufsteigergeschichte verbunden, wie man sie sonst nur in Amerika für möglich hält: Nachdem der Sohn eines Hamburger Steuermanns als 16jähriger den Boxkampf zwischen Jack Dempsey und Georges Carpentier im Kino gesehen hat, beschließt er, Boxer zu werden. Er kauft sich ein Paar gebrauchte Boxhandschuhe - und beginnt eine traumhafte Karriere. Von Künstlern, Politikern und Industriellen umworben, bestreitet er 70 Kämpfe, 54 davon siegreich. Dennoch ist Schmelings Biographie auch von den Schattenseiten der deutschen Geschichte geprägt. Seinen Verstrickungen mit dem Nationalsozialismus, der Schmelings Erfolge für die Propaganda von der Überlegenheit der "weißen Rasse" mißbrauchte, dem privaten Verhältnis zu Hitler und Goebbels sowie seinem umstrittenen Einsatz als Fallschirmjäger auf Kreta geht Kluge kritisch nach. Gleichwohl mit Respekt vor Schmelings sportlichen Leistungen entwirft er das Porträt einer der schillerndsten Persönlichkeiten des vergangenen Jahrhunderts.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 28.09.2004

Der brave Max
Das deutsche Box-Idol Schmeling im Dritten Reich

"Der Führer ist ein Freund des Boxens, weil es den ganzen Mann erfordert. Unter seiner Förderung nahm der deutsche Boxsport den Aufschwung zu höchster Weltgeltung. Alles, was zwischen den Seilen sich ereignet, interessiert ihn. Kann es für uns Sportler daher überhaupt eine Frage geben, ob wir uns hinter ihn stellen, wenn er am 10. April uns braucht? Wie ein Mann geben wir ihm geschlossen unsere Stimme!" (Von Max Schmeling 1938 unterzeichneter Aufruf im Berliner "12 Uhr Blatt")

FRANKFURT. Nein, die schon fertigen Nachrufe auf Max Schmeling, der an diesem Dienstag sein 99. Lebensjahr vollendet, müssen nicht umgeschrieben werden. Aber mancher derer, die an runden Geburtstagen die Box-Ikone feierten, mag nach der Lektüre von Volker Kluges "Max Schmeling. Eine Biographie in 15 Runden" nachdenklich geworden sein. Kluges durchgängiges Thema ist die Frage, wie weit sich der populäre Sportler bereitwillig vom Regime instrumentalisieren ließ. Er verstehe sich weder als Anwalt Schmelings noch als Richter, sondern als Chronist, sagt Kluge. In seinem Buch freilich finden sich Ansätze, daß er sich lieber als Richter denn als Anwalt aufgeschwungen hätte, wenn die Beweislage nach so vielen Jahren eindeutig wäre. Er hat tief und gründlich in Schmelings Vergangenheit geschürft, in Archiven geforscht, Zeitzeugen befragt, auch Schmeling - ohne letzte Antworten zu bekommen, die über jeden Zweifel erhaben sind.

Max Schmeling beanspruchte nach dem Zusammenbruch des Dritten Reiches für sich, "daß ich in jeglicher Weise in jedem Kreise versucht habe, Unwahrheiten und Unregelmäßigkeiten der Nazis zu bekämpfen und die Autorität der führenden Persönlichkeiten zu unterminieren. Ferner habe ich, wo ich nur konnte und mir irgendwie dazu Gelegenheit gegeben wurde, bedrängten Personen geholfen", gab er im Entnazifizierungsfragebogen zu Protokoll. Indem Kluge Fakten aufzählt, relativiert er Schmelings Darstellung: die prompt befolgten Einladungen des "Führers", die Abstecher auf die Ehrentribüne bei Reichsparteitagen, die Besuche privaten Charakters seiner Ehefrau Anny Ondra beim Reichspropagandaminister Joseph Goebbels. Zusammen mit den Goebbels saß sie vor dem Radio, als Arno Hellmis, der seinerzeit einzige nach Amerika an den Ring entsandte deutsche Reporter, mit sich überschlagender Stimme den K.-o.-Sieg Schmelings über Joe Louis meldete. Aber schon über die Stunde nach der Sensation im New Yorker Yankee-Stadion gibt es unterschiedliche Versionen: Erst eine Stunde nach den Amerikanern, die mit ihren Mikrofonen die Kabine des Deutschen belagerten, kam er, Hellmis, an die Reihe. "Max war nie ein bedeutender Redner gewesen - jetzt versagte er völlig", schrieb er später. "Er sprach nur einen kurzen Satz, einen kleinen Gruß an seine Mutter und seine Frau." Im "Angriff" hingegen war zu lesen: "Sofort nach dem Kampf war ich bei dem überglücklichen Max Schmeling, dessen linkes Auge geschlossen war, der aber sonst unberührt wirkte. Überglücklich nahm er im Ankleideraum die Glückwünsche entgegen, und seine erste Frage war: ,Ob der Führer am Radio zugehört hat?'" Welche Version die wahrscheinlichere ist, bleibt Glaubenssache.

Schmeling hat seinen Einsatz als Fallschirmjäger auf Kreta quasi als Strafaktion für seine verlorene Revanche gegen Joe Louis dargestellt. Kluge liefert Indizien dafür, daß Schmelings Anteil an seinem kurzen militärischen Intermezzo größer war, als er später zugeben wollte. Die Einberufung kam einer Auszeichnung gleich, ein Stück weit sollte sie wohl auch der Moral der Truppe dienen. Selbst das von Henri J. Lewin im Dezember 1989 ans Tageslicht gebrachte Bravourstück, wonach der prominente Schmeling ihm als verfolgtem Juden und seinem Bruder Unterschlupf gewährt und sie letztlich gerettet habe, hat Kluge hinterfragt und Zweifel angemeldet: weil der Altmeister es im Zuge der Entnazifizierung nicht ins Feld geführt habe und Schmeling in dieser Sache alles andere als auskunftsfreudig war. Lewins schriftlich an Kluge gerichtetes Resümee ist dokumentiert und deckt sich mit der Meinung vieler, die Schmeling vor und nach dem Zweiten Weltkrieg persönlich kennengelernt haben: "Ich glaube fest daran, daß Max Schmeling sein Herz am rechten Platz hat." Dem schließt sich Kluge letztlich an: "Die Rettung eines bedrängten Juden im November 1938 erforderte für einen Nichtjuden unbedingt Mut und Charakter. Auch wenn die Fragezeichen hinter der Lewin-Geschichte bleiben, Schmeling besaß wohl beides. Alles andere ist Spekulation."

Die Machthaber haben den populären Boxer als Aushängeschild benutzt. Im Inland - wie im Ausland. Und er hat sich benutzen lassen. Kluge geht so weit, ihn "wohl eher zu den Verblendeten" zu rechnen. Einer mit dem Bonus und dem Malus der Berühmtheit, dem nach dem ersten Duell gegen Joe Louis Glückwunschtelegramme von Hitler und Goebbels, aber auch von Marlene Dietrich, George Grosz und Ernst Lubitsch zugingen, die mit ihrem Vaterland gebrochen hatten, aber nicht mit Schmeling. Immerhin ist Schmeling nie Parteigenosse geworden, gehörte anders als Schmelings Freund, der Rennfahrer Bernd Rosemeyer, nie der SS an. Weil der Volkstribun dem System nützlicher erschien ohne Kaderzugehörigkeit, wie Dokumente belegen. Kaum hatte der Preisboxer gegen den "Braunen Bomber" Joe Louis verloren, wurde die gelenkte Presse von den Machthabern angewiesen: "Das Ergebnis darf nicht so hingestellt werden, als ob Deutschland einen Prestigeverlust erlitten habe: Schmeling ist nicht Deutschland." Nach Schmelings Sieg über den "Neger" klang das noch ganz anders. Der starke Mann aus Klein Luckow hat auch seine Erfahrungen gemacht mit den noch stärkeren. Etwa mit Goebbels, der ihn abwatschte, weil er sich mit im Exil lebenden alten Freunden traf: "Was denken Sie sich eigentlich, Herr Schmeling? Sie tun, was Sie wollen! Sie kümmern sich um die Gesetze nicht! Sie kommen zum Führer, Sie kommen zu mir, und Sie verkehren dennoch ständig mit Juden." Da gab es die in ihrer Kürze und Diktion zynische Tagebucheintragung von Goebbels, als United Press die später dementierte Meldung vom Tod Schmelings auf Kreta in Umlauf brachte: "Das wäre sehr schade um diesen anständigen, braven Jungen."

Vielleicht hat sich Schmeling, als alles vorbei war, tatsächlich als zu brav auch gegenüber den Machthabern gesehen, ohne es jemals zuzugeben. Vielleicht ist das eine Erklärung für den umtriebigen Wohltäter, dem viele der von ihm durch Spenden und Stiftungen Bedachten am liebsten Denkmäler setzen würden. "Sein Kapital war sein zu einer Kampfmaschine erzogener Körper. Darüber hinaus wußte er aber gleich, daß es auf den Körper allein nicht ankommt. Er schaute um sich, er lernte, er gesellte sich den richtigen Leuten zu, die ihm helfen, ihn fördern, ihn managen konnten", schrieb Paul Laven, einer der profiliertesten Sportjournalisten der Nachkriegszeit. Und wie urteilt Kluge, einst einer der profiliertesten Sportpublizisten der DDR? "Man konnte sich moralisch entrüsten und sich damit selbst freisprechen, den Nazis geglaubt zu haben, aber alle Versuche, Schmeling etwas juristisch Verfolgbares anzuhängen, scheiterten, weil er offenbar nichts dergleichen begangen hatte." Mit dem Wort "offenbar" bleibt eine Rückversicherung des Autors.

Sein Buch hat Kluge Ralph Nunberg gewidmet, einem, heute würde man sagen, investigativen Journalisten, der den Zeitgenossen Schmeling distanzierter, kritischer sah als wohl alle anderen. Am 1. April 1933, am Tag des "Juden-Boykotts", wurde Rolf Nürnberg, der als Ralph Nunberg später in die Vereinigten Staaten emigrierte, gezwungen, die Redaktion des "12 Uhr Blattes" sofort zu verlassen. Ob Kluge, einst Pressechef des NOK der DDR, Parallelen zur eigenen Biographie sieht? Korrekt, wie Max Schmeling nun einmal ist, hat er sich bei Kluge für die Zusendung des Buches bedankt, das "Sie sicherlich viel Zeit und Mühe gekostet hat". Nach der Lektüre ist ein Echo ausgeblieben. Mit Ralph Nunberg alias Rolf Nürnberg hatte Schmeling einst gebrochen.

HANS-JOACHIM LEYENBERG.

Besprochenes Buch: "Max Schmeling. Eine Biographie in 15 Runden". Von Volker Kluge. 560 Seiten mit 56 Abbildungen, Aufbau-Verlag, Berlin, 24,90 Euro.

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"50 Jahre lang ist nun schon dieser Mythos ungebrochen. Er wird auch dann noch bestehen, wenn Schmeling ihn nicht mehr erleben kann. Und genau das ist das eigentlich Überraschende, fast Sensationelle." (Die Welt, 1980)