"Herrschaft" ist "eines der wichtigsten Elemente des Gemeinschaftshandelns". Mit diesem Satz beginnt die früheste Fassung von Max Webers Herrschaftssoziologie, die erst posthum in dem Handbuchbeitrag "Wirtschaft und Gesellschaft" erschienen ist. Max Weber untersucht darin die wichtigsten Strukturformen der Herrschaft: Bürokratismus, Patrimonialismus, Feudalismus und Charismatismus sowie das Verhältnis von politischer und hierokratischer Herrschaft. Die bisherigen Ausgaben von Marianne Weber und Johannes Winckelmann haben dazu geführt, daß die ältere Fassung der Herrschaftssoziologie stets durch die Brille der jüngeren, ausgefeilten Typologie der Herrschaft gelesen worden ist. Die historisch-kritische Edition der Max Weber-Gesamtausgabe präsentiert die ältere Fassung der Herrschaftssoziologie zum ersten Mal umfassend kommentiert und aufgearbeitet als eigenständigen Textkorpus im Rahmen der nachgelassenen Texte zu Wirtschaft und Gesellschaft. Die Sacherläuterungen sowie die Einleitung verorten die Herrschaftssoziologie im Kontext der rechts-, kultur- und sozialwissenschaftlichen Disziplinen des ausgehenden Kaiserreichs. Max Weber hat die Manuskripte bis zu seinem Tod nicht für den Druck freigegeben; es fehlt ihnen eine abschließende Überarbeitung zu einem geschlossenen Ganzen. Dies ermöglicht Einblicke in die Werkstatt eines der bedeutendsten modernen Denker.
Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension
"Licht" und "Schatten" findet Stefan Breuer im 4. Teilband der Max-Weber-Gesamtausgabe. Nachdem man in der Vergangenheit hochfahrende Pläne hatte, das "Hauptwerk" Max Webers zu rekonstruieren, nimmt diese Ausgabe, herausgegeben von Edith Hanke und Thomas Kroll, davon "entschieden Abstand" und orientiert sich wieder an der Erstausgabe von 1922, stellt der Rezensent erleichtert fest. Trotzdem beeilt er sich festzustellen, dass die Neuausgabe "Verbesserungen" zu bieten hat, wie die Verlegung einiger Abschnitte in den Band "Gemeinschaften" und die teilweise "Umstellung" von Texten zur "Legitimität". Den "wissenschaftlichen Apparat", der neben editorischen Vorbemerkungen und Erläuterungen auch eine "Fülle" von Quellenhinweisen aufweist, kann man nach Meinung des beeindruckten Rezensenten gar nicht genug loben, und er zollt der gründlichen Recherche und der "mühseligen Kleinarbeit" seine Anerkennung. Allerdings stört sich Breuer an den vielen Fußnoten und daran, dass die Weber-Forschung nicht "angemessen repräsentiert" sei, was dazu führe, das manches, was der Forschung längst bekannt sei, als neuer Fund präsentiert werde, so der Rezensent, der hier streng eine bessere "Literaturkenntnis" einfordert. Alles in allem aber preist er diesen Band als "respektable Leistung" und er will deshalb Hanke und Kroll die "Ehre", die sie bei aller Kritik verdienen, auch nicht verwehren.
© Perlentaucher Medien GmbH
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