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Max Weber is widely considered a founder of sociology and the modern social sciences. This book provides details about Weber's visit to the United States in 1904 with his wife Marianne - what he did, what he saw, whom he met and why, and how these experiences profoundly influenced Weber's thought on immigration, capitalism, science, and culture.

Produktbeschreibung
Max Weber is widely considered a founder of sociology and the modern social sciences. This book provides details about Weber's visit to the United States in 1904 with his wife Marianne - what he did, what he saw, whom he met and why, and how these experiences profoundly influenced Weber's thought on immigration, capitalism, science, and culture.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 14.07.2011

Ein begeisterter Soziologe in der Neuen Welt

Lawrence Scaffs Buch über die Nordamerika-Expedition von Max und Marianne Weber im Jahr 1904 besticht durch viele Details und klare Perspektiven.

Am 20. August 1904 schiffen sich Max und Marianne Weber gemeinsam mit Ernst Troeltsch in Bremerhaven auf der "Bremen" ein. Nach achttägiger Fahrt kommen sie im Hafen von New York an und können am Tag danach das Schiff verlassen. In Manhattan wohnen sie im Astor House an der Ecke von Broadway und Vesey Street, von wo der Blick auf die ersten dreißigstöckigen Wolkenkratzer geht, die "Geschlechtertürme des Kapitalismus" (Troeltsch). Mit dem aktuellen Baedeker in der Hand besucht das gelehrte Heidelberger Trio die Börse an der Wall Street, geht mit Tausenden von Pendlern über die Brooklyn Bridge und schaut sich in Brooklyn den Green-Wood Cemetery an.

Über die dreimonatige Reise Max Webers durch die Vereinigten Staaten und seinen Vortrag beim World Congress for Arts and Sciences in St. Louis hatte Marianne Weber im "Lebensbild" ihres Mannes nur auf knappen fünfundzwanzig Seiten berichtet. Später veröffentlichte der Deutschkanadier Hans Rollmann Studien über Webers und Troeltschs Aktivitäten beim Weltkongress, der in Verbindung mit der Weltausstellung am 19. September eröffnet wurde. Nun aber legt Lawrence A. Scaff, als Autor einer Monographie über Max Weber bestens bekannt, eine faszinierend dichte, viele unbekannte Quellen erschließende Studie über die Nordamerika-Expedition der beiden Webers und die Geschichte der Weber-Rezeption in der Neuen Welt vor.

Man kann sich über den damit erreichten Stand seriöser Weber-Biographik nur freuen. Dank jahrelanger Arbeit in zahlreichen Archiven bietet Scaff einen Geistesreisebericht, der durch viele spannende Einzelheiten ebenso überrascht wie durch die scharfsinnige Interpretation zentraler Weber-Texte. Die auf der Reise gewonnenen Eindrücke prägten Webers weitere Arbeit nicht nur in der Religionssoziologie - vor allem mit der begrifflichen Unterscheidung von Kirchen und Sekten -, sondern auch in methodologischen Fragen und in der Wirtschaftstheorie, speziell der Kapitalismusanalyse. Zugleich vermag Scaff die oft ganz eigenen Wege und Erfahrungen Mariannes in den Vereinigten Staaten mit großer Präzision nachzuzeichnen.

Auch im zweiten Hauptteil über die postume Entdeckung Webers in den Vereinigten Staaten und die genialisch falsche Übersetzung der "Protestantischen Ethik" durch den jungen Talcott Parsons gelingt Scaff Seltenes: Subtile Aufmerksamkeit fürs philologische Detail wird eingebettet in klare systematische Perspektiven. Im Anhang werden bisher unbekannte Briefe Max Webers an amerikanische Kollegen geboten. Scaff konzentriert sich auf die Aktivitäten des Ehepaars Weber. Prominente deutsche Gelehrte, die ebenfalls in St. Louis Vorträge hielten - unter ihnen Adolf Harnack, Ferdinand Tönnies, Karl Lamprecht, Wilhelm Ostwald und Werner Sombart -, bleiben im Hintergrund. Leider ignoriert Scaff wichtige deutsche Quellen, etwa Reiseberichte anderer deutscher Redner auf dem Kongress und amtliche Berichte. Dennoch kann er deutlich machen, dass Weber die ihn faszinierende Neue Welt ungleich neugieriger, aufmerksamer, erfahrungssüchtiger bereiste als alle anderen deutschen Gäste beim Weltkongress.

Von New York aus fahren Max und Marianne gemeinsam mit Troeltsch per Zug an die Niagarafälle, wo sie ihren Freund Paul Hensel, den Erlanger Philosophen, treffen. Dann geht es nach North Tonawanda zum Pfarrer Hans Conrad Haupt und seiner Frau Grete. Haupt, ein Schwiegersohn des ebenfalls beim Weltkongress redenden Hallenser Wirtschaftswissenschaftlers Johannes E. Conrad und seit seiner Auswanderung in die Vereinigten Staaten Pfarrer der "Deutschen Vereinigten Evangelischen Friedens-Gemeinde", übergibt Troeltsch und Weber gesammelte Materialien über das religiöse Leben des Landes, speziell zu den vielen Sekten und kleineren kirchlichen Gemeinschaften. Dem Troeltsch-Schüler Wilhelm Pauck, einem seit 1926 in Chicago lehrenden deutschstämmigen Kirchenhistoriker, berichtet Haupt später, die beiden Heidelberger Gelehrten hätten fortwährend miteinander gestritten, ohne Rücksicht auf seine Materialien.

In der Tat nehmen die Freunde die kapitalistische Dynamik ringsum unterschiedlich wahr: Troeltsch und die kulturprotestantisch fromme Marianne sehen durch entfremdet arbeitende Massen den "unendlichen Wert jeder Menschenseele" bedroht und leiden unter dem Schmutz, Lärm und Gestank in New York und Chicago, während Max sich für freien Markt, neue kapitalistische Fließbandproduktion und die kaum begrenzte Freiheit der Businessmen begeistert. Troeltsch fragt mit Sorge, wie sich die bunte "Sammlung der verschiedenen Völker" auf Dauer werde integrieren lassen. Weber hingegen stürmt erlebnishungrig überall voran, weil er in allem sozialen Chaos primär die großen Chancen ethisch verantworteter freier "Lebensführung" sieht.

Bei seinem nur schwach besuchten, auf Deutsch gehaltenen Vortrag über die kapitalistische Zerstörung der überkommenen Landwirtschaft begegnet Weber den führenden Ökonomen des Landes, von denen viele in Deutschland studiert hatten. Mit ihren Empfehlungsschreiben reist er nach Oklahoma, an die Frontier und ins Indianerterritorium. Hier spricht er mit hohen Regierungsbeamten, nimmt an einer Landauktion teil, besucht die neuen Ölfelder und speist mit der Malerin Narcissa Chisholm Owen, der Tochter des letzten Häuptlings der Western Cherokees. Marianne aber besucht mit ihrer Gastgeberin Pauline Gehner Mesker eine durch Koedukation von Mädchen und Jungen innovative High School in St. Louis. Sie interessiert sich primär für Frauenbefreiung und Sozialreform, tritt deshalb in Kontakt mit Jane Addams und Martha Carey Thomas, besucht speziell für Frauen bestimmte Colleges wie Wellesley und nimmt mehrfach an Dinners in Woman's Clubs teil. Max hingegen beschäftigt neben religiöser Vergesellschaftung, Demokratie und bürokratischer Herrschaft auch sehr die "Rassenfrage". Er geht in Gottesdienste "schwarzer" Baptisten und knüpft Kontakt zu William E. B. Du Bois, dem ersten in Harvard promovierten Afroamerikaner und Vordenker der Antirassismusbewegung.

In Heidelberg noch krank und wenig arbeitsfähig, mutet sich Max Weber, von den Vereinigten Staaten enthusiasmiert, ein überaus anstrengendes Reiseprogramm zu. Er sucht das Gespräch mit Politikern, Gelehrten und Religionsintellektuellen höchst unterschiedlicher Herkunft und Couleur, trifft in Boston etwa William James und hört in New York Felix Adler, den Gründer der "Gesellschaft für ethische Kultur", mit dem er bei einem von Edwin und Caroline Seligman veranstalteten Dinner ausführlich spricht. Um die Lebenswelt jüdischer Einwanderer kennenzulernen, besuchen die Webers auch ein jiddisches Theater.

Zurück in Heidelberg, nach einer achttägigen Reise auf der "Hamburg", wird Max schnell wieder krank. Seine Hoffnung, schon im kommenden Jahr erneut in die Vereinigten Staaten reisen zu können, erfüllt sich nicht. Erst postum, durch Übersetzung und den nimmermüden Elan einer noch immer boomenden Deutungsindustrie, kehrt er ins Land der vielen Freiheitschancen zurück.

Lawrence Scaff hat all dies und noch sehr viel mehr in einer historistischen Prägnanz beschrieben, die vorbildlich ist. Nur Bildquellen hat er nicht erschlossen. Doch zeigt ein Bild vom offiziellen Festbankett des Weltkongresses, veröffentlicht 1905 in der "History of the Louisiana Purchase Exposition", dass Weber und Troeltsch die vielbeschworene "Weltgeltung deutscher Wissenschaft" auch festlich im Frack repräsentierten.

FRIEDRICH WILHELM GRAF

Lawrence A. Scaff: "Max Weber in America".

Princeton University Press, Princeton und Oxford 2011. 311 S., geb., 25,99 [Euro].

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