Die erste umfassende Biographie Max Webers. Er erlebte an der Schwelle vom 19. zum 20. Jahrhundert die Rationalisierung aller Lebensbereiche und machte dies zum Thema seines Lebens. Er erforschte, wie sich der Mensch von der Natur entfernte und an ihre Stelle die Systeme der Politik und der Wirtschaft stellte. Nach seiner Heirat mit der Frauenrechtlerin Marianne Weber traf sich in seinem Heidelberger Salon die intellektuelle Elite seiner Zeit. Joachim Radkau verbindet Leben, Werk und Zeit Max Webers zu einem spannenden Panorama.
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 17.10.2005Wir, gefesselte Sklaven
Anziehungskräfte der Kultur: Die neuen Sachbücher
Dieser Herbst ist für die Sachbücher ein sehr guter Herbst. Das fängt schon damit an, daß der bekannte Ägyptologe Jan Assmann seine große Begeisterung für Mozarts "Zauberflöte" nicht für sich behalten konnte. Und jetzt haben wir die Bescherung: Rechtzeitig zum Mozartjahr 2006 ist für alle Mozartfreunde sein Buch über Mozarts berühmteste Oper erschienen (im Carl Hanser Verlag). Darin wird behauptet: Wer die "Zauberflöte" hört, der werde augenblicklich in ein Ritual aus höherer Weisheit und betörender Sinnlichkeit eingewickelt. Kunst ist die Vereinigung von Erkenntnis und Erotik. Das Leben möchte nun der Kunst in nichts nachstehen. Es treibt sich hinaus in die ihm eigenen Formen, sonst siecht es dahin in Kummer und Düsternis.
Dem Ritual aus höhrer Weisheit und betörender Sinnlichkeit unterwirft sich, aus diesem Lebensdrang heraus, mehrere Jahrzehnte später auch der weltberühmte Soziologe Max Weber, von dem wir das nun ganz und gar nicht erwartet hätten. Hören wir Max Weber, denken wir doch an die strenge "Protestantische Ethik und den Geist des Kapitalismus" und falten die tätigen Hände. Kannten wir bisher nur den gefesselten Prometheus aus Griechenland, so kennen wir dank der unverhüllten Biographie von Joachim Radkau (Carl Hanser) nun den gefesselten Weber aus Heidelberg, der leider erst in seinen reifen Jahren eine Partnerin fand, mit der er seine nicht ganz üblichen erotischen Neigungen heftig ausleben konnte. Glück dem Manne, der wie Weber seine Schlüsselfrau findet. Die Weber-Forschung wird darob zuerst staunen und dann toben.
Mit dergleichen delikaten Überraschungen aus den wahren Tiefen der Subjektivität kann der erste Tagebuchband der neuen, lange erwarteten Ausgabe der Werke des Philosophen Sören Kierkegaards (de Gruyter Verlag) nicht aufwarten. Für den echten, den gierigen Kierkegaard-Leser aber ist die neue Übersetzung des sprachsinnlichen Dänen schon Grund genug zur Freunde.
Weder Mozart noch Kierkegaard, noch Weber meinten, mit ihren Taten und Werken Teil einer anderen als der offiziellen, Teil einer Gegenkultur zu sein. Auf diesen Gedanken kam erst die Jugend in den sechziger Jahren. Sie ließ sich die Haare schulterlang wachsen, zog sich Jeans an, rauschte durch die Betten und brachte damit zum Ausdruck, daß der bürgerliche Staat auf ihre Mitarbeit ganz sicher nicht zählen könne, aber mit ihnen irgendwie ganz sicher rechnen müsse. Die beiden jungen kanadischen Intellektuellen Joseph Heath und Andrew Potter lassen in ihrem Buch über die Konsumrebellen (bei Rogner & Bernhard) an der Idee der Subkultur kein langes Haar mehr, weil sie ihrer Ansicht nach zu allem Möglichem taugt, nur nicht dazu, die Probleme, vor denen die Gesellschaften in Nord und Süd, Ost und West stehen, wirklich zu lösen. Diese harte Kritik trifft auch die Kulturszene, mit der die Linke jahrelang Politik gegen das System zu machen versuchte.
Der große Vorläufer der Gegenkultur ist seit Neunzehnhundert die schillernde Avantgarde, deren Geschichte der emeritierte Professor der Politikwissenschaft, Klaus von Beyme, ein sehr umfangreiches Buch gewidmet hat (C. H. Beck). Hier kann man für lange Zeit nachschlagen, welcher Künstler mit welchen echten oder theoretischen Drogen und ausgefuchsten Lebenskonzepten der Allgegenwart der durchschnittlichen Berufsmenschen zeigen wollte, wo es für Berufsindividualisten langgeht. Die Avantgarde zog sich über Jahrzehnte mit großem Aufwand an Traktaten und immenser persönlicher Lebensenergie mehr recht als schlecht hin. Mitte der Fünfziger war dann aber Schluß, und die Szene der Kultur- und Konsumrebellen übernahm den Zauberstab.
Der amerikanische Professor für Geographie Jared Diamond fordert in seinem aufregenden Buch über den Untergang von Gesellschaften unter anderem, daß die Ökoaktivisten endlich mit den Konzernen zusammenarbeiten sollen, was auch umgekehrt gilt - und zwar gerade deswegen, weil die ökologischen Probleme so riesig geworden sind. Wie die beiden Kanadier Heath und Potter meint Diamond, daß wir keine Zeit mehr für Spielchen und Sperenzien haben, sondern gute Politik machen müssen - weltweit, weil uns unmittelbar treffen wird, was sich zum Beispiel im explodierenden China zusammenbraut.
Diamond fragt sich, wieso die Politiker heute nicht sehen oder sehen wollen, daß die Zeiger der Gegenwart schon im roten Bereich vibrieren und für eine große ökologische Wende keine Zeit zu verlieren ist. Die Wikinger in Normannisch-Grönland, die Diamond in seinem Buch als ein Beispiel für wilde Blinde vorstellt, waren nicht besser als die Funktionäre der Politik heute: Sie holzten in ihrem beschränktem Eigeninteresse alles ab, was Baum war, dachten dabei nur ans Heute und nicht ans Morgen, und als dann der Morgen graute und nichts mehr auf dem maroden Boden wuchs, da war es für sie zu spät: Sie starben aus. Bei solchen Analysen gibt es allen Grund zur Panik und allen Grund, sich für eine bessere Politik stark zu machen.
Als ein Zeichen der Zeit kann man die Neuauflage des Berichtes von Jean-Baptiste Henri Savigny und Alexandre Corréard verstehen (Matthes & Seitz Berlin), der eine war Wundarzt, der andere war Geograph gewesen. Die beiden Wissenschaftler beschrieben den Schiffbruch der Fregatte Medusa, zu dem es im Sommer 1816 kam. Zeichen über Zeichen: Die Fregatte hieß tatsächlich auch noch Medusa. Savigny und Corréard schrieben aus ihrem eigenen Erleben heraus, denn sie waren inmitten der ängstlichen Menge auf dem Floß eingepfercht, das zwei Wochen lang durch das Meer trieb, bis endlich Rettung am Horizont auftauchte. Die Fregatte Medusa war auf dem Weg von Frankreich nach Afrika gewesen. Der Kapitän war ein sorgloser Kerl und ohne jede Kompetenz.
Es kam, wie es kommen mußte: Die Fregatte lief auf einer Sandbank auf. Der Kapitän reagierte blitzschnell, machte sich mit einem Rettungsboot auf und davon und ließ die Mannschaft zurück, deren schreckliches Schicksal nun begann. Einhundertfünfzig Menschen sprangen erst einmal auf das Floß, das dadurch so überladen wurde, daß die Menschen dort bis zum Bauch im Wasser standen. Die Lebensmittel wurden über Bord geworfen, nur die Weinfässer blieben stehen. In den folgenden furchtbaren Tagen starben die meisten, sie starben an Schwäche, durch Mißgeschick und durch die Gewalt ihrer Nächsten. Die Lebenden aßen schließlich die Toten auf.
Théodore Géricault malte damals das Gemälde vom Schiffbruch der Fregatte Medusa. Das Bild hängt im Louvre. Der Fotograf Thomas Struth hat auf einem Foto festgehalten, wie einige Besucher vor diesem Gemälde stehen und das Bild des Untergangs anschauen. Wir sehen diese Menschen nahe vor dem Bild des Untergangs stehen und damit voraus in ihre nahe Zukunft schauen und sagen uns: Das sind wir, das droht uns, und wir gucken nur. Joseph Heath und Andrew Potter sowie Jared Diamond sehen das auch und wollen erst einmal nichts anders als das: Klarheit für die Situation, Hellsicht für die Gegenwart.
Der Mensch aber lebt glücklicherweise von der Panik und der Politik nicht allein. Größe, auch im Leiden, findet man in Jacob Burckhardts "Griechischer Kulturgeschichte", deren zweiter Band in der neuen gelehrten Edition erschienen ist (C. H. Beck). Darin heißt es über die Griechen: "Was Beglückung durch den Geist gewähren kann, das haben hier viele auserwählte Menschen in hoher Kunst und Dichtung, in Denken und Forschen genossen und durch den Abglanz ihres Wesens auch den übrigen vermittelt, soweit diese des Verständnisses fähig waren. Diese Kräfte sind bei den Griechen gewissermaßen immer optimistisch, das heißt, es hat sich für Künstler, Dichter und Denker immer der Mühe gelohnt, dieser Welt, wie sie auch sein mochte, mit mächtigen Schöpfungen gegenüberzutreten." Da sehen wir nun, gefesselt von dieser ermahnenden Erinnerung an die große Kunst und Kultur, wie sich der diesjährige Herbst in aller Strenge, Pracht und Möglichkeit rundet.
EBERHARD RATHGEB
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main KTX: In diesem Herbst fällt das Mäntelchen der Kultur, in dem wir uns vor der Gegenwart verstecken. Zu manchen historischen Stunden aber verlangt das Leben keinen Aufschub durch die Finessen der Kultur: Es will einfach genommen werden.
Anziehungskräfte der Kultur: Die neuen Sachbücher
Dieser Herbst ist für die Sachbücher ein sehr guter Herbst. Das fängt schon damit an, daß der bekannte Ägyptologe Jan Assmann seine große Begeisterung für Mozarts "Zauberflöte" nicht für sich behalten konnte. Und jetzt haben wir die Bescherung: Rechtzeitig zum Mozartjahr 2006 ist für alle Mozartfreunde sein Buch über Mozarts berühmteste Oper erschienen (im Carl Hanser Verlag). Darin wird behauptet: Wer die "Zauberflöte" hört, der werde augenblicklich in ein Ritual aus höherer Weisheit und betörender Sinnlichkeit eingewickelt. Kunst ist die Vereinigung von Erkenntnis und Erotik. Das Leben möchte nun der Kunst in nichts nachstehen. Es treibt sich hinaus in die ihm eigenen Formen, sonst siecht es dahin in Kummer und Düsternis.
Dem Ritual aus höhrer Weisheit und betörender Sinnlichkeit unterwirft sich, aus diesem Lebensdrang heraus, mehrere Jahrzehnte später auch der weltberühmte Soziologe Max Weber, von dem wir das nun ganz und gar nicht erwartet hätten. Hören wir Max Weber, denken wir doch an die strenge "Protestantische Ethik und den Geist des Kapitalismus" und falten die tätigen Hände. Kannten wir bisher nur den gefesselten Prometheus aus Griechenland, so kennen wir dank der unverhüllten Biographie von Joachim Radkau (Carl Hanser) nun den gefesselten Weber aus Heidelberg, der leider erst in seinen reifen Jahren eine Partnerin fand, mit der er seine nicht ganz üblichen erotischen Neigungen heftig ausleben konnte. Glück dem Manne, der wie Weber seine Schlüsselfrau findet. Die Weber-Forschung wird darob zuerst staunen und dann toben.
Mit dergleichen delikaten Überraschungen aus den wahren Tiefen der Subjektivität kann der erste Tagebuchband der neuen, lange erwarteten Ausgabe der Werke des Philosophen Sören Kierkegaards (de Gruyter Verlag) nicht aufwarten. Für den echten, den gierigen Kierkegaard-Leser aber ist die neue Übersetzung des sprachsinnlichen Dänen schon Grund genug zur Freunde.
Weder Mozart noch Kierkegaard, noch Weber meinten, mit ihren Taten und Werken Teil einer anderen als der offiziellen, Teil einer Gegenkultur zu sein. Auf diesen Gedanken kam erst die Jugend in den sechziger Jahren. Sie ließ sich die Haare schulterlang wachsen, zog sich Jeans an, rauschte durch die Betten und brachte damit zum Ausdruck, daß der bürgerliche Staat auf ihre Mitarbeit ganz sicher nicht zählen könne, aber mit ihnen irgendwie ganz sicher rechnen müsse. Die beiden jungen kanadischen Intellektuellen Joseph Heath und Andrew Potter lassen in ihrem Buch über die Konsumrebellen (bei Rogner & Bernhard) an der Idee der Subkultur kein langes Haar mehr, weil sie ihrer Ansicht nach zu allem Möglichem taugt, nur nicht dazu, die Probleme, vor denen die Gesellschaften in Nord und Süd, Ost und West stehen, wirklich zu lösen. Diese harte Kritik trifft auch die Kulturszene, mit der die Linke jahrelang Politik gegen das System zu machen versuchte.
Der große Vorläufer der Gegenkultur ist seit Neunzehnhundert die schillernde Avantgarde, deren Geschichte der emeritierte Professor der Politikwissenschaft, Klaus von Beyme, ein sehr umfangreiches Buch gewidmet hat (C. H. Beck). Hier kann man für lange Zeit nachschlagen, welcher Künstler mit welchen echten oder theoretischen Drogen und ausgefuchsten Lebenskonzepten der Allgegenwart der durchschnittlichen Berufsmenschen zeigen wollte, wo es für Berufsindividualisten langgeht. Die Avantgarde zog sich über Jahrzehnte mit großem Aufwand an Traktaten und immenser persönlicher Lebensenergie mehr recht als schlecht hin. Mitte der Fünfziger war dann aber Schluß, und die Szene der Kultur- und Konsumrebellen übernahm den Zauberstab.
Der amerikanische Professor für Geographie Jared Diamond fordert in seinem aufregenden Buch über den Untergang von Gesellschaften unter anderem, daß die Ökoaktivisten endlich mit den Konzernen zusammenarbeiten sollen, was auch umgekehrt gilt - und zwar gerade deswegen, weil die ökologischen Probleme so riesig geworden sind. Wie die beiden Kanadier Heath und Potter meint Diamond, daß wir keine Zeit mehr für Spielchen und Sperenzien haben, sondern gute Politik machen müssen - weltweit, weil uns unmittelbar treffen wird, was sich zum Beispiel im explodierenden China zusammenbraut.
Diamond fragt sich, wieso die Politiker heute nicht sehen oder sehen wollen, daß die Zeiger der Gegenwart schon im roten Bereich vibrieren und für eine große ökologische Wende keine Zeit zu verlieren ist. Die Wikinger in Normannisch-Grönland, die Diamond in seinem Buch als ein Beispiel für wilde Blinde vorstellt, waren nicht besser als die Funktionäre der Politik heute: Sie holzten in ihrem beschränktem Eigeninteresse alles ab, was Baum war, dachten dabei nur ans Heute und nicht ans Morgen, und als dann der Morgen graute und nichts mehr auf dem maroden Boden wuchs, da war es für sie zu spät: Sie starben aus. Bei solchen Analysen gibt es allen Grund zur Panik und allen Grund, sich für eine bessere Politik stark zu machen.
Als ein Zeichen der Zeit kann man die Neuauflage des Berichtes von Jean-Baptiste Henri Savigny und Alexandre Corréard verstehen (Matthes & Seitz Berlin), der eine war Wundarzt, der andere war Geograph gewesen. Die beiden Wissenschaftler beschrieben den Schiffbruch der Fregatte Medusa, zu dem es im Sommer 1816 kam. Zeichen über Zeichen: Die Fregatte hieß tatsächlich auch noch Medusa. Savigny und Corréard schrieben aus ihrem eigenen Erleben heraus, denn sie waren inmitten der ängstlichen Menge auf dem Floß eingepfercht, das zwei Wochen lang durch das Meer trieb, bis endlich Rettung am Horizont auftauchte. Die Fregatte Medusa war auf dem Weg von Frankreich nach Afrika gewesen. Der Kapitän war ein sorgloser Kerl und ohne jede Kompetenz.
Es kam, wie es kommen mußte: Die Fregatte lief auf einer Sandbank auf. Der Kapitän reagierte blitzschnell, machte sich mit einem Rettungsboot auf und davon und ließ die Mannschaft zurück, deren schreckliches Schicksal nun begann. Einhundertfünfzig Menschen sprangen erst einmal auf das Floß, das dadurch so überladen wurde, daß die Menschen dort bis zum Bauch im Wasser standen. Die Lebensmittel wurden über Bord geworfen, nur die Weinfässer blieben stehen. In den folgenden furchtbaren Tagen starben die meisten, sie starben an Schwäche, durch Mißgeschick und durch die Gewalt ihrer Nächsten. Die Lebenden aßen schließlich die Toten auf.
Théodore Géricault malte damals das Gemälde vom Schiffbruch der Fregatte Medusa. Das Bild hängt im Louvre. Der Fotograf Thomas Struth hat auf einem Foto festgehalten, wie einige Besucher vor diesem Gemälde stehen und das Bild des Untergangs anschauen. Wir sehen diese Menschen nahe vor dem Bild des Untergangs stehen und damit voraus in ihre nahe Zukunft schauen und sagen uns: Das sind wir, das droht uns, und wir gucken nur. Joseph Heath und Andrew Potter sowie Jared Diamond sehen das auch und wollen erst einmal nichts anders als das: Klarheit für die Situation, Hellsicht für die Gegenwart.
Der Mensch aber lebt glücklicherweise von der Panik und der Politik nicht allein. Größe, auch im Leiden, findet man in Jacob Burckhardts "Griechischer Kulturgeschichte", deren zweiter Band in der neuen gelehrten Edition erschienen ist (C. H. Beck). Darin heißt es über die Griechen: "Was Beglückung durch den Geist gewähren kann, das haben hier viele auserwählte Menschen in hoher Kunst und Dichtung, in Denken und Forschen genossen und durch den Abglanz ihres Wesens auch den übrigen vermittelt, soweit diese des Verständnisses fähig waren. Diese Kräfte sind bei den Griechen gewissermaßen immer optimistisch, das heißt, es hat sich für Künstler, Dichter und Denker immer der Mühe gelohnt, dieser Welt, wie sie auch sein mochte, mit mächtigen Schöpfungen gegenüberzutreten." Da sehen wir nun, gefesselt von dieser ermahnenden Erinnerung an die große Kunst und Kultur, wie sich der diesjährige Herbst in aller Strenge, Pracht und Möglichkeit rundet.
EBERHARD RATHGEB
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main KTX: In diesem Herbst fällt das Mäntelchen der Kultur, in dem wir uns vor der Gegenwart verstecken. Zu manchen historischen Stunden aber verlangt das Leben keinen Aufschub durch die Finessen der Kultur: Es will einfach genommen werden.
Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension
Eine Biografie Max Webers war nach Ansicht Magnus Schlettes "überfällig". Erfreut nimmt er daher Joachim Radkaus umfangreiches Porträt des Gründervaters der deutschen Soziologie auf - zumal es Maßstäbe setzt. Der Autor präsentiere Webers Werdegang als "fesselnde Lebensgeschichte", die auch seine Epoche vergegenwärtige und seinem Werk zu größerer Tiefenschärfe verhilft. Schlette würdigt Radkaus "beeindruckende Detailkenntnis" und seinen Fleiß bei der Auswertung von Unmengen von Briefen. Den Schlüssel zum Verständnis dieser Persönlichkeit sehe Radkau in der "grundlegenden Dissonanz" zwischen Webers leiblicher Natur und seiner bürgerlichen Existenz, zwischen Impotenz und Liebessehnsucht einerseits und dem Pathos der Distanz, dem Wissenschaftsethos und der moralischer Integrität andererseits. Schlette unterstreicht, dass Radkau mit dem üblichen Bild von Webers Frau Marianne als verhärmter Gattin aufräumt. Insgesamt findet er das Werk mit seinen 1000 Seiten "vielleicht eine Spur zu stofflastig", um es in einem Rutsch von Anfang bis Ende lesen zu können. Aber dank der guten Gliederung und der präzis betitelten Unterabschnitten könne man das Buch auch unter Umgehung der Chronologie mit Gewinn lesen: "Dann fügt sich das Weber-Bild langsam und reizvoll zu einem Puzzle von narrativ geschickt verwobener Quellenarbeit."
© Perlentaucher Medien GmbH
© Perlentaucher Medien GmbH