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  • Gewicht: 1225g
  • ISBN-13: 9783906803029
  • ISBN-10: 3906803023
  • Artikelnr.: 44102885

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Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Nach dem Zweiten Weltkrieg musste Maximilian Stejskal sich beeilen, denn der ländliche Volkssport Finnlands, den er vor dem Krieg bereits über Jahre hinweg fotografiert hatte, drohte in Vergessenheit zu geraten, erklärt Johan Schloemann. Viele der Spiele und Ertüchtigungsübungen, die lange Zeit dem Zeitvertreib oder dem quasirituellen Beweis der Mannbarkeit gedient hatten, wurden bereits nicht mehr praktiziert und mussten nachgestellt werden, verrät der Rezensent. Stejskals so lehrreiche wie lustige Fotografien sind jetzt in dem großformatigen Bildband "Folklig idrott" zu bestaunen, freut sich der Rezensent.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung

Finger weg von diesem Sport

Der finnische Ethnologe Maximilian Stejskal hat in den dreißiger Jahren dokumentiert, wie Bauern ihre Kräfte messen.

Von Freddy Langer

Sport sei anders geworden, schrieb der Ethnologe Maximilian Stejskal 1970. Statt in Hinterhöfen oder entlang der Landstraße fänden die Wettbewerbe jetzt in Stadien statt. Zu festgelegten Zeiten. Mit einem bindenden Regelwerk. Die Spiele selbst seien moderner geworden und, wie er es formuliert, "kultivierter". Er schreibt es in solch trockener Sprache, wie man es von jemandem erwartet, der dem Thema eine Dissertation gewidmet hat. Doch wer seine Fotografien gesehen hat, mit denen in den zwanziger und dreißiger Jahren seine Untersuchungen des Volkssports in Finnland ihren Anfang genommen haben, kommt nicht umhin, aus seiner Einschätzung einen Unterton von Melancholie herauszuhören.

Maximilian Stejskal war Anfang zwanzig, als er sich mit dem Fahrrad auf den Weg machte, um Feldstudien zu betreiben. Im Gepäck hatte er zwei Kameras, eine Schachtel mit fotografischen Glasplatten sowie einen umfangreichen Fragenkatalog. Und auf dem Kopf trug er eine Studentenmütze, die ihm Autorität verleihen sollte, wenn er die alten Männer in den Dörfern bat, ihm zu zeigen, mit welchen Disziplinen sie früher untereinander den Stärksten, den Geschicktesten oder auch Raffiniertesten ermittelten. Entsprechend ernst nahm man seinen Wunsch. Wo einst bisweilen Blut geflossen war und dann und wann auch einmal ein Auge über die Straße gerollt sein soll, nehmen die Männer vor seinem Fotoapparat jetzt geradezu würdevolle Posen des Kampfes gegen andere Männer, gegen seltsame Werkzeuge, manchmal auch nur gegen die Schwerkraft ein, dabei häufig gekleidet in ihrem Sonntagsstaat. Dass jemand Bauern und Knechte fotografierte, kam in der finnischen Provinz damals nicht alle Tage vor.

Elf Jahre lang war Maximilian Stejskal unterwegs, Sommer für Sommer, jeweils in einer etwas anderen Region des Landes, immer aber im Süden, dort, wo eine schwedischsprechende Minderheit lebte. Am Ende konnte er sich auf zweitausend Seiten handgeschriebener Notizen sowie 433 Fotografien stützen, in denen eine schon damals verblasste Tradition noch einmal kurz aufblitzt. Denn niemand focht mehr auf diese Weise Rivalitäten aus, und oft genug fiel es den Alten mit ihren müden Knochen schwer, noch einmal in die Rolle des Sportlers zu schlüpfen. Dann beschrieben sie ihren Söhnen oder Schwiegersöhnen, was zu tun sei: wie man Arme und Beine zu Brezeln verknotet oder auf Sensen balanciert, wie man Säcke mit den Zähnen hebt oder damit einen Gegner von einem Balken prügelt. Als Sportgeräte dienten Seile, Stöcke und Pfosten, Leitern, Möbel und ein Amboss. Da ahnt man natürlich schon, dass eine unfreiwillige Komik nicht ausbleibt, und für den Betrachter von heute sind Stejskals Aufnahmen dem Slapstick ungleich näher als einer wissenschaftlichen Dokumentation. Groteske und Surrealismus geben sich hier die Hand bis zu Anklängen von Anarchie. Die schönsten seiner Aufnahmen liegen nun in einem wunderbaren Bildband vor. Zur Nachahmung ist darin nichts zu empfehlen.

"Maximilian Stejskal - Folklig idrott" herausgegeben von Marie-Isabel Vogel und Alain Rappaport. Edition Patrick Frey, Zürich 2016. 112 Seiten, 98 Schwarzweißfotografien. Gebunden, 52 Euro.

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